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Eine historische Unterschrift: Papst Franziskus und Großimam al-Tayyeb unterzeichnen eine Erklärung zur Geschwisterlichkeit unter allen Menschen Eine historische Unterschrift: Papst Franziskus und Großimam al-Tayyeb unterzeichnen eine Erklärung zur Geschwisterlichkeit unter allen Menschen 

Franziskus von Arabien - Was dem Papst in Abu Dhabi geglückt ist

Blitzschnell hatte der Papst reagiert, als er zu einer etwas improvisiert aufgezogenen Religionenkonferenz nach Abu Dhabi eingeladen wurde. Jetzt ist der Handstreich geglückt, Franziskus hat als erster Papst die Arabische Halbinsel betreten, eine neue Stufe im christlich-islamischen Miteinander ist erreicht.
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Stefan von Kempis – Abu Dhabi

Das ist relativ schnell gegangen, wenn man bedenkt, dass sich Franziskus und der Großscheich der al-Azhar-Universität von Kairo, Ahmed al-Tayyeb, erst im Mai 2016 in Rom zum ersten Mal begegnet sind – und da hatte die al-Azhar den abgerissenen Gesprächsfaden zum Vatikan noch gar nicht wieder neu geknüpft. Erst 2001 hatte überhaupt zum ersten Mal in der Geschichte ein Papst eine Moschee betreten, das war Johannes Paul II. in der Omayyaden-Moschee von Damaskus. Und jetzt, schneller als gedacht: ein Papst in Arabien. Wie heftig die „winds of change“ wehen, ersieht man daraus, dass sogar eine Spontan-Anreise des saudischen Kronprinzen zum Papstbesuch nach Abu Dhabi nicht ausgeschlossen wurde.

Toleranz? Na ja – besser wäre Geschwisterlichkeit

Die neue Stufe im Miteinander, die Papst und Großscheich genommen haben, hat der pakistanische Kardinal Coutts am Montag in einem Zeitungsgespräch benannt: Vom Dialog, wie er bisher gepflegt wurde, sei man zur Geschwisterlichkeit übergegangen. Das macht den Dialog nicht überflüssig, zumal er seit Benedikts XVI.‘ Regensburger Rede konkreter, fokussierter geworden ist – aber es zieht ihm einen neuen Boden ein und ändert die Perspektive.

Auf den Begriff „Toleranz“, den ihm die Scheichs suggerierten, hat sich der Papst aus gutem Grund kaum eingelassen. „Toleranz bedeutet doch nur, dass ich den anderen gerade noch so ertrage“, hat der Apostolische Vikar für Nordarabien, Camillo Ballin, am Sonntag hier in einem Interview erklärt. Nein, dem Papst geht es nicht um gnädig von oben herab gewährte Rechte, sondern um eine Geschwisterlichkeit im Menschlichen.

Teppichhändler Bergoglio

Schon um als erster Papst der Geschichte mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen von Moskau zusammenzutreffen, hatte sich Franziskus dereinst zum Flughafen von Havanna, einem unwahrscheinlichen Ort, bequemt und zum Ukraine-Konflikt Süßholz geraspelt. Auch diesmal ging er Kompromisse und Risiken ein, um den Schritt ins Heilige Land des Islam zu wagen. Er nutzte die günstige politische Großwetterlage der Region, musste es aber hinnehmen, dass er – ebenso wie al-Tayyeb – von der Propagandamaschinerie der Vereinigten Arabischen Emirate instrumentalisiert wurde. So musste er etwa Hand in Hand nicht nur mit dem Großscheich, sondern auch mit dem Regierungschef der Emirate, Scheich al-Maktoum von Dubai, auftreten.

Aber Franziskus hat das mit der Gelassenheit eines Teppichverkäufers hingenommen (bei einer Santa-Marta-Predigt hat er ja auch mal empfohlen, man solle mit Gott im Gebet rechten und handeln „wie auf einem Basar“). In seiner Rede hat er sich dann gegen die Vereinnahmung gewehrt, indem er die herrschenden Familien an ihre Verantwortung für die Armen erinnerte, den Waffenhandel geißelte und sogar den Krieg im Jemen erwähnte - dabei hatte der britische „Guardian“ noch am Morgen zuvor erklärt, dass Franziskus das J-Wort in Abu Dhabi nicht aussprechen werde, aus Rücksichtnahme auf die kriegführenden Gastgeber. Mit seiner Bemerkung, er würde gern auch noch andere Länder der geliebten Region besuchen, hat der Papst außerdem die Tür zu anderen Golfstaaten und, wer weiß, vielleicht auch zu Saudi-Arabien aufgestoßen.

Eine Art Menschenrechts-Charta der Religionen

Mit Blick auf das christlich-islamische Verhältnis war (jedenfalls aus meiner Sicht) gar nicht so sehr die Papstrede bemerkenswert als vielmehr das Dokument, das aus der interreligiösen Konferenz hervorgegangen ist und das der Papst und der Großscheich (und übrigens auch Scheich al-Maktoum von Dubai) in der Sternennacht von Abu Dhabi gemeinsam unterzeichneten. Man darf getrost davon ausgehen, dass nicht alle im Vatikan vorher von einer solchen Unterzeichnung und einem solchen Text wussten; aber Großscheich al-Tayyeb hat Recht, wenn er das Dokument „historisch“ nennt.

Soweit ich sehe, liegt damit zum ersten Mal eine so hochrangige katholisch-islamische Erklärung vor, zu der es auch bei Franziskus‘ Ägyptenreise nicht gekommen ist. Der Text ist, siebzig Jahre nach der UNO-Menschenrechtserklärung, eine Art Menschenrechtscharta der zwei großen Religionen. Er verurteilt nicht nur religiös motivierten Terrorismus, sondern betont auch ausdrücklich das „Recht jedes Menschen auf Freiheit“. Dabei ist zwar nicht von Religions-, wohl aber von „Glaubensfreiheit“ die Rede. Gott selbst habe „die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Religionen gewollt“ – dieser Satz wird nicht nur einigen islamischen, sondern auch einigen katholischen Hardlinern ungelegen kommen. Unter den zu schützenden Gebetsorten werden auch Synagogen aufgeführt, und der Text bekräftigt auch die Rechte von Frauen.

Der Geist von Abu Dhabi verdient eine Chance

Aus christlicher Sicht besonders wichtig ist, dass das Dokument von Abu Dhabi auch eine Politik der „vollen Staatsbürgerschaft“ fordert. Der Gebrauch des Begriffs „Minderheiten“ sei „diskriminierend“ und nähre „Feindschaft“. Auf den Nahen Osten heruntergerechnet heißt das: Der Text fordert volle Staatsbürgerschaft und volle Rechte für Christen in den mehrheitlich islamischen Ländern.

„Ich werde mit meinem Bruder und Freund Franziskus zusammenarbeiten“, versprach al-Tayyeb in seiner Rede. Der al-Azhar-Leiter, eine der wichtigsten Stimmen im sunnitischen Islam, forderte übrigens auch Muslime in westlichen Ländern dazu auf, „die Regeln und Gesetze der Länder, in denen sie leben, zu befolgen“.

Das ist der neue Geist von Abu Dhabi. Er hat seine Fehler und Grenzen, gewiss – nicht nur, weil ein autoritäres Regime, dem schwere Menschenrechtsverletzungen angelastet werden, der Geburtshelfer war. Sondern auch, weil die Azhar unter dem sanften Druck von Regimen (Ägypten, Emirate) handelt, die die Muslimbrüder kleinhalten wollen und darum jetzt auf den moderaten Islam setzen. Aber der Geist von Abu Dhabi verdient eine Chance. Ein Fenster der Gelegenheit hat sich geöffnet. Vielleicht wird Franziskus von Arabien noch erleben, dass auch das starre saudische Regime eines Tages den Bau von Kirchen erlaubt.

(vatican news)

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05. Februar 2019, 12:23