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Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien 

Sechs Jahre Franziskus: „Sein großes Thema ist die Freude des Evangeliums"

Das langfristig Bedeutendste in sechs Jahren Papst Franziskus ist sein Anliegen, die Freude des Evangeliums zurück in die Mitte zu holen. Das sagte uns der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, in einem Interview zum Jahrestag der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst am 13. März 2013.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Das Anliegen von Franziskus sei es, „dass auch die Organisation, die Strukturen dem Evangelium zu dienen haben“, so der Wiener Erzbischof. Den Kampf des Papstes gegen Missbrauch in der Kirche sieht Schönborn ebenfalls klar dem Evangelium verpflichtet. „Besonders Missbrauch Schwachen und Kleinen gegenüber ist so konträr gegenüber dem Evangelium, dass, wer die Freude des Evangeliums verkünden will, das Übel der Zerstörung dieser Freude natürlich bekämpfen muss“, sagte Kardinal Schönborn.

Zum Nachhören

Vatican News: Sechs Jahre Franziskus – was ist für Sie das langfristig Bedeutendste, das dieses Pontifikat bisher erreicht hat?

Schönborn: „Ich glaube, das war sein Startpunkt, das Schreiben Evangelii gaudium. So habe ich es empfunden, und so empfinde ich es bis heute. Das große Thema dieses Pontifikats ist die Freude des Evangeliums. Papst Franziskus hat uns allen von Anfang an zugerufen: „Lasst Euch die Freude am Evangelium nicht nehmen!“ Immer wieder richtet sich der Blick auf das Evangelium, auf das Wort Gottes, auf die Gestalt Jesu und seine Verkörperung des Evangeliums. Das halte ich für das zentrale Anliegen, das zentrale Thema dieses Pontifikats.”

Vatican News: Eines der großen Reformanliegen von Papst Franziskus ist es, in der Kirche Barmherzigkeit über Gerechtigkeit zu stellen. Wie stark ist dieses Reformanliegen Barmherzigkeit heute wirklich in der Kirche angekommen?

Schönborn: „Dieses Reformanliegen ist das ewige Anliegen, dass wir alle, die wir Kirche sind, uns am Evangelium orientieren. Da gibt es natürlich viele Bereiche, in denen Reform, Neuerung, angesagt ist. Reform in den Institutionen ist von Anfang an ein Anliegen des Papstes. Ich kann das selbst bezeugen, nachdem er mich in den Kardinalsrat führte, das IOR für die Vatikanbank ernannt hatte, sein Bemühen, das – Gott sei Dank – wirklich erfolgreich war und das schon Papst Benedikt begonnen hat, in den Finanzen zumindest der Vatikanbank wirklich Ordnung zu schaffen. Da ist noch viel Anderes zu tun, auch an Modernisierung und Organisation. Daran hat er viel gearbeitet. Natürlich kann man immer die Frage stellen: Ist da schon genug geschehen? Sein Anliegen ist, dass auch die Organisation, die Strukturen dem Evangelium zu dienen haben. Aber das ist, glaube ich, auch das Anliegen aller vorgehenden Päpste gewesen. In dieser Perspektive steht natürlich auch die Kurienreform, an der er von Anfang an arbeitet.”

Vatican News: Wie sehr prägen oder überlagern die Verbrechen des Missbrauchs in der Kirche dieses Pontifikat?

Schönborn: „Ich glaube, auch das hat zu tun mit der Freude des Evangeliums. Denn was ist Missbrauch – vor allem bei Minderjährigen, Schutzlosen – anderes, als dass Menschen die Freude des Evangeliums geraubt und zerstört wird durch Verkünder der Frohbotschaft, Menschen, die eigentlich die Frohe Botschaft verkündigen sollten... Papst Franziskus stellt sich klar auf die Seite der Betroffenen und sagt, dass unser erster Blick den Opfern von Missbrauch gelten muss, ob das Missbrauch von Macht, spiritueller Autorität, sexueller oder anderer Missbrauch ist. Besonders Missbrauch Schwachen und Kleinen gegenüber ist so konträr gegenüber dem Evangelium, dass, wer die Freude des Evangeliums verkünden will, das Übel der Zerstörung dieser Freude natürlich bekämpfen muss.”

Vatican News: Sie waren als Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz im Februar beim Kinderschutzgipfel im Vatikan…

Schönborn: „Ich bin Papst Franziskus sehr dankbar, dass er diese große Konferenz in Rom einberufen hat, die natürlich im Nachhinein auch Kritik erfahren hat - zum Teil, wie ich glaube, zu Unrecht. Ich habe sie als äußerst positiv und zukunftsorientiert erlebt. Er wollte deutlich machen, dass es in allen Teilen der Welt, in allen Teilen der katholischen Kirche durch die Einberufung aller Bischofskonferenz-Vorsitzenden ein klares gemeinsames Bemühen und Kämpfen darum geben muss, dass die Diener des Evangeliums nicht zu Boten des Gegenevangeliums werden, des totalen Gegenzeugnisses zur Barmherzigkeit. Es ist wirklich unvorstellbar, dass die, die von Jesus besonders privilegiert waren – die Kleinen, die Schwachen, die Kinder – Opfer von Missbrauch werden. Das darf es in der Kirche einfach nicht geben. Darum sehe ich das so schmerzlich. Es ist äußerst kohärent mit dem, was Papst Franziskus am Anfang seines Pontifikats gewollt und gesagt hat: Die Freude des Evangeliums dürfen wir uns nicht nehmen lassen. Sie muss wieder aufleben!”

Vatican News: Wie sehr prägt es die katholische Kirche in diesen sechs Jahren, dass der Papst vom anderen Ende der Welt kommt, ein Nichteuropäer ist?

Schönborn: „Sehr erfrischend, um es kurz zu sagen! Manchmal ein bisschen verwirrend, weil der Stil eines Lateinamerikaners einfach anders ist als der Stil eines Bayern, eines Polen oder eines Norditalieners. Aber ich denke, Papst Franziskus hat hier die große Erfahrung der Kirche von Lateinamerika eingebracht und bringt sie weiter ein. Das tut uns unglaublich gut, und es ist für die Kirche eine ganz wichtige neue Erfahrung, Europa, das alte Zentrum der Kirche, ein wenig zu verlassen. Nun ist natürlich Papst Franziskus mit seiner italienischen Herkunft dem Kontinent und dem alten Italien sehr verbunden. Das sieht man ja auch an seiner wunderbaren italienischen Sprache, aber er bringt wirklich frische Erfahrung in die große Gemeinschaft der Kirche.”

(vatican news)

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12. März 2019, 11:25