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Klein-Assisi auf dem Leninplatz

Von der Stimmung her war es ein bisschen wie bei den Friedenstreffen von Assisi: Vertreter von christlichen Kirchen und anderen Religionen treffen sich mit dem Papst, um für Frieden einzutreten und zu beten. Nur dass das Ganze nicht im Städtchen des heiligen Franz in Umbrien stattfand, sondern auf dem früheren Leninplatz in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Auch wenn der Unabhängigkeits-Platz heute wieder als die gute Stube von Sofia gilt: Man sieht den grauen Fassaden den „sozialistischen Realismus“ an. Der Platz entstand 1951 und erinnert fatal an die Karl-Marx-Allee in Ostberlin oder den Kulturpalast in Warschau. Hier tagte einst das kommunistische Politbüro (und gab, das ist jedenfalls nicht die unwahrscheinlichste Theorie, das Mordkomplott gegen Johannes Paul II. 1981 in Auftrag).

Für ein Friedenstreffen eignete sich der frühere Leninplatz unter anderem deshalb, weil ihn vor den kommunistischen Städtebauern schon die Bomben des Zweiten Weltkriegs entstellt hatten. Jedenfalls war es hier, dass Franziskus an diesem Montagabend mit Kirchen- und Religionsverantwortlichen um Frieden betete.

Minimalistisches Setting

Das Setting auf dem Podium war minimalistisch: eine Kerze mit dem Logo der Papstreise, ein Olivenbäumchen als Friedenssymbol und Rosen, weil Bulgarien ja das „Land der Rosen“ ist. Alle Beter auf dem Podium entzündeten Fackeln; Juden, Muslime, Armenier, Protestanten und Orthodoxe formulierten Anrufungen an den Gott des Friedens. Offiziell nahm die bulgarisch-orthodoxe Mehrheitskirche an dem Ereignis nicht teil, doch werden sich viele orthodoxe Gläubige unter die Menschen auf dem Platz gemischt haben.

Nein, es war kein gemeinsames Friedensgebet, denn so etwas wäre für den Wildwuchs christlicher und anderer religiöser Bekenntnisse schwierig zu bewerkstelligen. Doch viele der vorgetragenen Texte verwiesen auf Assisi: Da war das „Laudato si‘“ des heiligen Franz, das ja auch die Schöpfungsenzyklika von Papst Franziskus inspiriert hat. Und da war auch das berühmte „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens“, das dem heiligen Franz (wohl fälschlich) zugeschrieben wird.

Es geht um einen „aktiven Frieden“

Der Heilige aus Assisi sei aus Liebe zur Schöpfung und zu jedem Menschen ein „echter Erbauer des Friedens“ geworden, sagte Papst Franziskus in einer kurzen Ansprache. „Auch ein jeder von uns ist gerufen, auf seinen Spuren zu einem Erbauer, einem ‚Handwerker‘ des Friedens zu werden. Wir müssen um diesen Frieden bitten und dafür arbeiten; er ist Gabe und Aufgabe zugleich, Geschenk und ständiges Bemühen jeden Tag, um eine Kultur aufzubauen, in der auch der Friede ein Grundrecht ist.“

Es gehe ihm um einen „aktiven Frieden“, führte der Papst aus. Er setze voraus, „dass wir den Dialog als Weg nehmen, die allgemeine Zusammenarbeit zu unserer Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis zur Methode und zum Maßstab machen“. Das war ein ungefähres Zitat aus der gemeinsamen „Erklärung über die Geschwisterlichkeit aller Menschen“, die Franziskus und der islamische Großscheich Mahmud al-Tayyeb im Februar in Abu Dhabi unterzeichnet haben.

„Ein Leuchtturm, der die ganze Welt erhellt“

„Heute Abend sind wir hier, um vor diesen Fackeln zu beten, die von unseren Kindern gebracht wurden. Sie symbolisieren das Feuer der Liebe, das in uns brennt und das zu einem Leuchtturm der Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens in unseren Lebensbereichen werden muss. Wir möchten, dass es ein Leuchtturm sei, der die ganze Welt erhellt. Mit dem Feuer der Liebe wollen wir das Eis der Kriege schmelzen.“

Franziskus kam auch auf den Ort des Friedenstreffens zu sprechen – allerdings ohne den „sozialistischen Realismus“ zu erwähnen. Hier befinde man sich über den Ruinen der antiken Stadt Serdica, und von hier könne man eine orthodoxe, eine armenische und eine katholische Kirche sehen, außerdem eine Moschee und eine Synagoge „unserer älteren Brüder und Schwestern, der Juden“. Mit der letztgenannten Formulierung zitierte er übrigens eine Wendung des heiligen Papstes Johannes Paul II.

„Der Friede verbreite sich auf der ganzen Erde!“

„An diesem Ort kamen über Jahrhunderte die Bulgaren Sofias, die verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen angehören, zusammen, um sich zu treffen und miteinander zu reden. Möge dieser symbolträchtige Ort ein Zeugnis des Friedens darstellen! In diesem Augenblick vereinen sich unsere Stimmen und bringen einstimmig die brennende Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck: Der Friede verbreite sich auf der ganzen Erde! In unseren Familien, in einem jeden von uns und besonders an den Orten, wo viele Stimmen vom Krieg zum Schweigen gebracht wurden, von der Gleichgültigkeit erstickt und angesichts des erdrückenden Einvernehmens von Interessensgruppen nicht beachtet wurden. Alle mögen an der Realisierung dieses Strebens nach Frieden mitwirken: die Vertreter der Religionen, der Politik, der Kultur.“

(vatican news)

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Das Friedenstreffen von Sofia
06. Mai 2019, 18:04