Papst in Bulgarien: „Kampf gegen einen neuen Winter“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Gleichzeitig hat Bulgarien – wie viele andere Länder des alten Kontinents – mit einer Art neuen Winter zu kämpfen, einem demographischen Winter, der sich wegen schwindenden Vertrauens in die Zukunft über weite Teile Europas gelegt hat“, sagte der Papst in einer Rede vor Vertretern von Staat und Gesellschaft vor dem Präsidentenpalast von Sofia.
Der Papst war am Sonntagmorgen zu seiner 29. Auslandsreise in Bulgarien eingetroffen. Sie führt ihn am Dienstag auch noch nach Nordmazedonien. Soziale Themen stehen bei der Visite im Vordergrund. Auch die Ökumene spielt eine Rolle; ein Großteil der Bulgaren bekennt sich zum orthodoxen Christentum.
„Der Rückgang der Geburtenzahlen hat zusammen mit der intensiven Migrationsbewegung zur Entvölkerung und Verlassenheit vieler Dörfer und Städte geführt“, so Papst Franz in seiner ersten Ansprache. „Darüber hinaus ist Bulgarien mit dem Phänomen von Menschen konfrontiert, die versuchen, über seine Grenzen einzuwandern, um Kriegen und Konflikten oder der Armut zu entkommen und irgendwie die reicheren Gegenden des europäischen Kontinents zu erreichen.“
Der Papst rief die bulgarische Elite dazu auf, „die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass insbesondere junge Menschen nicht zur Auswanderung gezwungen sind“. Man dürfe „keine Mühen scheuen, um günstige Bedingungen zu schaffen, damit junge Menschen ihre frische Energie einsetzen und ihre persönliche und familiäre Zukunft planen können“.
Bulgarien als „Brücke zwischen Ost und West“
Zugleich warb Franziskus um Verständnis und Hilfe für Migranten auf der Balkanroute. „Ich erlaube mir, Ihnen allen, die Sie das Drama der Auswanderung kennen, vorzuschlagen, dass Sie die Augen, das Herz und die Hände – wie es bei Ihnen Tradition ist – nicht vor denen verschließen, die an Ihre Türen klopfen.“
Der Papst würdigte Bulgarien als „Brücke zwischen Ost und West“. Es sei wichtig, dass das Land, das seit Mai 2004 zur Europäischen Union gehört, „stabile Beziehungen zu Russland und zur Türkei“ unterhalte. Beide Mächte haben jahrhundertelang im heutigen Bulgarien den Ton angegeben.
Ethnische Vielfalt auf dem Balkan als Reichtum, nicht als Kriegsgrund
Franziskus ermunterte außerdem dazu, das ethnisch-religiöse Puzzle auf dem Balkan „als eine Chance, als Reichtum und nicht als Grund für Auseinandersetzungen“ einzustufen.
Staatspräsident Rumen Radev wies Papst Franziskus in seiner Begrüßungsansprache auf eine „dramatische Geschichte“ seines Landes „voller Krieg und Leid“ hin. „Deshalb wissen wir auch, wie hoch der Preis des Friedens ist“, so der Präsident, von seiner Ausbildung her ein Kampfpilot, der seit Ende 2016 das höchste Amt in Sofia bekleidet.
Präsident: „Wir wissen, wie hoch der Preis des Friedens ist“
„Nur wenige Meter von hier entfernt stehen eine orthodoxe Kirche, eine Moschee, eine katholische Kathedrale und eine Synagoge. In Ihrer Osterbotschaft haben Sie sich dafür ausgesprochen, ‚Brücken zu bauen statt Mauern zu errichten‘. Und genau das ist die Sendung unserer Zeit. Mauern errichten ist leicht, Brückenbauen dagegen nicht.“
Radev gab Franziskus einen Überblick über die jahrhundertealte Beziehung zwischen Bulgarien und dem Vatikan. „Im 9. Jahrhundert legte Papst Hadrian II. die slawischen Bücher auf den Altar von Santa Maria Maggiore und billigte den Gebrauch der slawischen Sprache in der Liturgie. Kyrill der Philosoph ruht in der römischen Basilika San Clemente. Es sind heilige Stätten für jeden Bulgaren. Seit 44 Jahren empfängt der Bischof von Rom jeweils am 24. Mai eine bulgarische Delegation als Hommage an die heiligen Slawenapostel Kyrill und Methodius: Mitpatrone Europas und die ersten Lehrer der slawischen Welt. Das bulgarische Alphabet ist fester Bestandteil der europäischen Zivilisation; es ist die Säule unserer Identität.“
Der Präsident nannte noch weitere Wegmarken im beiderseitigen Verhältnis: „die Vereinigung der bulgarischen mit der römisch-katholischen Kirche durch König Kalojan, die Schlacht bei Warna 1444, die Fürsprache der römischen Kurie für die Bulgaren nach der brutalen Niederschlagung des Aprilaufstandes von 1876, den medizinischen Beistand im Russisch-Türkischen Befreiungskrieg“. „Lebendig ist auch die Erinnerung an die Zeit, als Angelo Roncalli – Papst Johannes XXIII., den viele hier den ‚bulgarischen Papst‘ nennen – ein Jahrzehnt als Apostolischer Visitator und Delegat in Sofia weilte.“
Der Präsident beklagte den „Vormarsch von Hass und Fremdenfeindlichkeit“ im heutigen Europa. Dabei lehre „die große Mission der heiligen Brüder Kyrill und Methodius, das Recht jedes Volkes zu verteidigen, Gott in seiner eigenen Sprache zu lobpreisen“. „Sie haben uns gelehrt, dass sprachliche und kulturelle Unterschiede die Nationen nicht daran hindern, in Frieden zu leben und gemeinsame Werte zu bekennen.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.