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Im Wortlaut: Predigt des Papstes in Maputo

Hier finden Sie die Predigt, die Papst Franziskus an diesem Freitag bei der Messe in Mosambiks Hauptstadt Maputo gehalten hat, im vollen Wortlaut.

Einige geringfügige Änderungen am offiziellen Redetext, die Franziskus vornahm, wurden von unserer Redaktion eingefügt. Sämtliche Reden und Ansprachen von Papst Franziskus finden Sie auf der Internetseite des Vatikans.

„Liebe Brüder und Schwestern!Aus dem Lukasevangelium haben wir einen Abschnitt der sogenannten Feldrede gehört. Nachdem Jesus seine Jünger ausgewählt und die Seligpreisungen verkündet hat, fügt er hinzu: »Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde« (Lk 6,27). Dieses Wort ist heute auch an uns in diesem Stadion gerichtet.

Er sagt dies mit Deutlichkeit, Natürlichkeit und Bestimmtheit und steckt so einen Weg ab, einen schmalen Pfad, der einige Tugenden verlangt. Denn Jesus ist kein Idealist, der die Wirklichkeit ignoriert. Er spricht von dem konkreten Feind, dem realen Gegner, den er gerade vorher in einer Seligpreisung beschrieben hat (6,22): derjenige, der uns hasst, der uns ausstößt, der uns schmäht und unseren Namen in Verruf bringt.

 

Keine theoretische Liebe

Viele von Euch können noch in erster Person Geschichten der Gewalt, des Hasses und der Zwietracht erzählen; einige haben sie am eigenen Leib erfahren, andere hatten Bekannte, die nicht mehr da sind, und wieder andere haben Angst, dass die Wunden der Vergangenheit sich wieder öffnen und den schon durchlaufenen Friedensprozess wie in Cabo Delgado zunichtemachen.

Jesus will uns nicht zu einer abstrakten, ätherischen oder theoretischen Liebe bewegen, die an Schreibtischen für Ansprachen entwickelt wurde. Er schlägt uns einen Weg vor, den er selbst als Erster vorausgegangen ist, den Weg, der ihn dazu geführt hat, jene zu lieben, die ihn verrieten, ihn ungerechterweise verurteilten und jene, die ihn töten sollten.

Es ist schwierig, über Versöhnung zu reden, wenn die Wunden aus langen Jahren der Zwietracht noch offen sind, oder zu einem Schritt der Vergebung aufzurufen, ohne den Schmerz der Betroffenen zu vergessen oder ohne zu verlangen, dass sie ihre Erinnerung und ihre Ideale aufgeben (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 100). Dennoch fordert uns Jesus auf, zu lieben und das Gute zu tun. Das ist viel mehr als den Menschen zu vergessen, der uns geschadet hat, oder es so einzurichten, dass sich unsere Lebenswege nicht kreuzen. Der Auftrag Jesu zielt vielmehr auf ein aktives, uneigennütziges und außergewöhnliches Wohlwollen gegenüber jenen, die uns verletzt haben. Doch Jesus genügt das noch nicht; er bittet uns auch, sie zu segnen und für sie zu beten. Unser Reden über sie soll ein „Gutes-Sagen“ sein, das Leben hervorruft, und nicht den Tod. Sprechen wir ihre Namen nicht zur Beschimpfung oder zur Vergeltung aus, sondern um eine neue Beziehung aufzubauen, die zum Frieden führt. Das ist ein hoher Maßstab, den der Meister uns vorgibt!

 

Wir dürfen uns nicht zusammentun, um Rache zu üben

Mit dieser Einladung möchte Jesus ein für alle Mal die früher wie heute gängige Gewohnheit abschaffen, Christ zu sein, aber nach dem Vergeltungsprinzip zu leben. Man kann nicht die Zukunft planen, eine Nation aufbauen oder eine Gesellschaft gründen, die auf dem „Gleichgewicht“ der Gewalt beruht. Ich kann nicht Jesus folgen, wenn die von mir propagierte und gelebte Ordnung lautet: „Aug‘ um Auge, Zahn um Zahn“.

Keine Familie, keine Gruppe von Nachbarn, keine Ethnie und noch weniger ein Land haben Zukunft, wenn der Motor, der sie vereint, sie zusammenbringt und die Unterschiede zudeckt, die Vergeltung und der Hass sind. Wir dürfen uns nicht abstimmen und uns zusammentun, um Rache zu üben, um dem, der uns Gewalt angetan hat, das Gleiche zu tun und scheinbar legale Gelegenheiten der Vergeltung zu planen. »Waffen und gewaltsame Unterdrückung [schaffen], anstatt Lösungen herbeizuführen, neue und schlimmere Konflikte« (Ebd., 60). Das „Gleichgewicht“ der Gewalt ist immer eine Spirale ohne Ende und ihr Preis ist sehr hoch. Es gibt einen anderen Weg; denn wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Völker ein Recht auf Frieden haben. Ihr habt ein Recht auf Frieden.

 

Wir sollen uns lieben, ohne etwas dafür zu erwarten

Um seine Einladung konkreter und für den Alltag anwendbar zu machen, schlägt Jesus eine erste Goldene Regel vor, von der jeder Gebrauch machen kann – » Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen« (Lk 6,31) – und er hilft uns, das Wichtigste dieser wechselseitigen Verhaltensregel zu entdecken: Wir sollen uns lieben, einander helfen und schenken, ohne etwas dafür zu erwarten.

„Liebt einander“, sagt uns Jesus. Und Paulus übersetzt das so: »Bekleidet euch also mit innigem Erbarmen und mit Güte« (vgl. Kol 3,12). Die Welt verkannte – und kennt auch heute nicht – die Tugend der Barmherzigkeit, des Mitleids, als sie eingeschränkte und alte Menschen tötete oder ausstieß, Verletzte und Kranke aussonderte und sich mit Tierquälerei vergnügte. Gleichfalls ließ sie es an Güte und Liebenswürdigkeit vermissen, die uns bewegen, dass uns das Wohl des Nächsten wie unser eigenes am Herzen liegt.

Die Zeiten der Spaltung und der Gewalt zu überwinden heißt nicht nur Versöhnung und Frieden im Sinne der Abwesenheit von Konflikten zu stiften. Dazu gehört vielmehr der tägliche Einsatz eines jeden von uns, mit einem aufmerksamen und aktiven Blick den anderen jene Barmherzigkeit und Güte zuteilwerden zu lassen, mit der wir behandelt werden möchten. Und diese Barmherzigkeit und Güte soll besonders denen entgegengebracht werden, die wegen ihrer Lebenssituation leicht zurückgesetzt und ausgeschlossen werden. Es handelt sich dabei nicht um ein schwaches, sondern um ein starkes Verhalten, ein Verhalten von Männern und Frauen, die entdecken, dass man andere nicht schlecht behandeln, anschwärzen oder fertigmachen braucht, um sich wichtig zu fühlen; im Gegenteil! Dieses Verhalten ist die prophetische Kraft, die uns Jesus Christus selbst gelehrt hat, als er sich mit ihnen identifizierte (vgl. Mt 25,35-45). Auf diese Weise zeigte er uns, dass der rechte Weg der Dienst ist.

 

„Bei euch soll es nicht so sein“

Mosambik verfügt über ein Gebiet, das voll von natürlichen und kulturellen Reichtümern ist, aber paradoxerweise von einer großen Anzahl von Menschen bewohnt wird, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Und zuweilen scheint es, dass die, welche sich mit einem vermeintlichen Wunsch zu helfen nähern, andere Interessen verfolgen. Es ist traurig, wenn es Geschwister des gleichen Landes sind, die sich dabei zur Korruption verleiten lassen. Es ist eine sehr gefährliche Sache, zu akzeptieren, dass Korruption der Preis sein soll, den wir für die Hilfen von außen bezahlen müssen.

»Bei euch soll es nicht so sein« (Mt 20,26; vgl. Vv. 26-28). Mit seinen Worten treibt uns Jesus dazu an, Protagonisten eines anderen Lebensstils zu sein, nämlich dem seines Reiches: Hier und jetzt sollen wir Samen der Freude, der Hoffnung, des Friedens und der Versöhnung sein. Der Heilige Geist kommt nicht, um einen mitreißenden Aktivismus einzuflößen, sondern vielmehr eine Aufmerksamkeit gegenüber dem Anderen, indem man diese Person als Bruder oder Schwester erkennt und schätzt bis zu dem Punkt, dass wir das Leben und den Schmerz dieses Menschen als unser Leben und unseren Schmerz empfinden. Das ist das beste Thermometer, um die Ideologien jeder Art zu messen, welche die Armen und die ungerechten Verhältnisse zugunsten persönlicher oder politischer Interessen zu missbrauchen suchen (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 199). Nur so können wir, wo wir uns auch befinden, Samen und Werkzeuge des Friedens und Samen und Werkzeuge der Versöhnung sein.

 

„Wir wollen eine friedvolle Zukunft“

Wir wollen, dass der Friede in unseren Herzen und im Pulsschlag unseres Volkes walte. Wir wollen eine friedvolle Zukunft. Wir wollen, dass in euren Herzen »der Friede Christi triumphiere« (Kol 3,15), wie der Brief des Apostels Paulus sagte. Er bezieht sich bei diesem Zitat auf die Welt des Sports und auf den Schiedsrichter, der über die diskutierbaren Situationen die Entscheidung trifft, und sagt: „Möge der Friede Christi der Schiedsrichter in euren Herzen sein“. Wenn der Friede Christi der Schiedsrichter in unseren Herzen ist und wenn dann ein Fall eintritt, dass verschiedene Meinungen in Konflikt geraten und wir uns zwischen zwei verschiedenen Auffassungen nicht entscheiden können, so lassen wir Christus „an den Ball“: Die Entscheidung Christi wird uns auf dem Weg des Friedens und auf dem Pfad der Barmherzigkeit halten und lässt uns bei der Entscheidung für die Ärmsten und bei der Verteidigung der Natur bleiben. Auf dem Weg des Friedens. Wenn Jesus der Schiedsrichter zwischen den gegensätzlichen Emotionen in unseren Herzen ist, bei den komplexen Entscheidungen unseres Landes, hat Mosambik eine hoffnungsvolle Zukunft sichergestellt. Dann wird Euer Land in Dankbarkeit Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder singen (vgl. Kol 3,16).

(vatican news – sk)

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06. September 2019, 10:57