Neuer Text von Benedikt XVI. zu theologischen Fragen
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Vor allem aber erinnert Benedikt in dem Text, der auf Italienisch auf der Vatikan-Homepage veröffentlicht wurde, ausführlich an die Geschichte der Kommission, die von Paul VI. nach dem Konzil eingerichtet wurde und an der vatikanischen Glaubenskongregation angesiedelt ist. Als Präfekt der Glaubenskongregation war Joseph Ratzinger von 1981 bis zu seiner Wahl zum Papst 2005 gleichzeitig Präsident der Internationalen Theologischen Kommission, der er zuvor lange Zeit angehört hatte.
„Die Bischofssynode als stabile Einrichtung im Leben der Kirche und die Internationale Theologische Kommission wurden beide der Kirche von Papst Paul VI. geschenkt, um die Erfahrungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fixieren und fortzuführen“, schreibt der emeritierte Papst. „Der auf dem Konzil deutlich gewordene Abstand zwischen der Theologie, wie sie sich in der Welt entfaltete, und dem Lehramt des Papstes sollte überwunden werden.“
Die Theologenkommission wie übrigens auch die Bibelkommission seien „kein Organ der Glaubenskongregation“ – „das hätte nämlich einige Theologen davon abhalten können, Mitglied zu werden“, notiert Benedikt. „Zweifellos waren die Erwartungen an die neu gebildete Internationale Theologische Kommission zunächst größer als das, was in einem halben Jahrhundert geleistet werden konnte.“
Der emeritierte Papst erwähnt, dass Theologen des Gremiums bei der ersten großen Bischofssynode wichtige Hilfestellung gegeben hätten, „so dass die Synode gleich ein Dokument über das Priesteramt veröffentlichen konnte“. Das sei „seit damals nicht mehr geschehen“, bemerkt Ratzinger-Benedikt. „Stattdessen entwickelte sich bald der Typus der Postsynodalen Exhortation, die kein Dokument der Synode ist, aber ein Dokument des päpstlichen Lehramts, das die Erkenntnisse der Synode so breit wie möglich rezipiert und so dafür sorgt, dass sich zusammen mit dem Papst der Weltepiskopat ausspricht.“
Zum Frauendiakonat kein klares Ergebnis
An dieser Stelle nun geht der emeritierte Papst in einer Fußnote auf das Thema Frauendiakonat ein. Es sei 2003 auf Bitten der Glaubenskongregation getextet worden. „Das Dokument wurde mit großer Sorgfalt erstellt, kam aber in der Frage eines eventuellen Frauendiakonats nicht zu einem einmütigen Ergebnis. Man entschied daraufhin, die Frage den Patriarchen der Ostkirchen zu unterbreiten, von denen aber nur sehr wenige eine Antwort gaben. Es zeigte sich, dass die Frage als solche für die Tradition der Ostkirche schwer verständlich war. Darum schloss diese umfassende Studie mit der Feststellung, dass die rein geschichtliche Perspektive nicht zu einer definitiven Sicherheit führe. Letztlich musste die Frage lehrmäßig entschieden werden.“
Papst Franziskus, seit 2013 Benedikts Nachfolger, hat zur Frage des Frauendiakonats eine Kommission beraten lassen, die aber nicht zu einem klaren Ergebnis gekommen ist. Ende Oktober kündigte der Papst daraufhin auf der Bischofssynode an, er wolle die Kommission neu besetzen.
Streit über eventuelle Mitgliedschaft im Weltkirchenrat
Er selbst erinnere sich besonders an die ersten Jahre der Kommission, fährt der emeritierte Papst, der als theologischer Experte des Kölner Kardinals Frings am Konzil teilgenommen hat, in seinen Erinnerungen fort. Zur Kommission hätten damals einige „wichtige Theologen gehört, die interessanterweise auf dem Konzil keinen Platz gefunden hatten“. Unter ihnen nennt er unter anderem Hans Urs von Balthasar (der mit seiner Offenheit „vielen Bischöfen nicht gefallen“ habe) und Rudolf Schnackenburg („Inkarnation der deutschen Exegese mit ihrem ganzen Anspruch, der sie kennzeichnete“).
Benedikt XVI. erinnert auch an einen „dramatischen Zusammenstoß“ zu der Frage, ob die katholische Kirche dem Weltrat der Kirchen als Vollmitglied beitreten solle. Das sei „ein entscheidender Punkt zur Richtung, die die Kirche nach dem Konzil einschlagen sollte“, gewesen. Als die Frage abschlägig beschieden wurde, habe das Johannes Feiner und Karl Rahner veranlasst, die Kommission zu verlassen.
Der emeritierte Papst erinnert auch an die Theologen Carlo Caffarra und Raniero Cantalamessa, die der „Theologie in italienischer Sprache ein neues Gewicht gegeben“ hätten. Der Kapuziner Cantalamessa ist mittlerweile offizieller Prediger des Päpstlichen Hauses. Mit Karl Lehmann – dem späteren Bischof von Mainz – sei dann „eine neue Generation aufgestiegen, deren Vorstellungen sich deutlich in den erstellten Dokumenten widergespiegelt“ hätten.
Unter Lehmanns Führung beschäftigte sich die Internationale Theologische Kommission, wie sich Benedikt jetzt erinnert, auch ausgiebig mit dem Thema der Befreiungstheologie. „Sie stellte damals nicht nur ein theoretisches Problem dar, sondern bestimmte und bedrohte sehr konkret auch das Leben der Kirche in Lateinamerika. Die Leidenschaft, die die Theologen an den Tag legten, entsprach dem konkreten, auch politischen Gewicht der Frage.“
Nur einmal die Vollversammlung geschwänzt
Der mit ihm befreundete Theologe Juan Alfaro, ein Jesuit, sei in diesen Jahren „aus für mich völlig unverständlichen Gründen“ zu einem starken Befürworter der Befreiungstheologie geworden. „Ich wollte die Freundschaft mit ihm nicht aufs Spiel setzen, und darum habe ich ein einziges Mal in der ganzen Zeit, in der ich zur Kommission gehörte, die Vollversammlung geschwänzt“, so Benedikt in einer weiteren Fußnote.
Auch der moraltheologische Blick auf Ehe und Familie habe in den Debatten der Kommission von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. „Das Fehlen einer gemeinsamen Grundorientierung, unter der wir heute noch so leiden wie damals, wurde mir damals sehr klar.“ Benedikt berichtet ausführlich, wie immer neue moraltheologische Ansätze nie einen Konsens in der Kommission erreicht hätten.
Noch kein Konsens in der Moraltheologie
„Wie schwierig die Lage war, ersieht man daraus, dass Johannes Paul II., dem die Moraltheologie besonders am Herzen lag, seine Moralenzyklika Veritatis splendor aufschob und erst einmal den Katechismus der katholischen Kirche abwartete.“ Dieser Katechismus wurde unter Federführung Ratzingers, damals Präfekt der Glaubenskongregation, Ende der neunziger Jahre erstellt. „Ich denke, die Theologische Kommission sollte das Problem weiter vor Augen haben und sich bemühen, einen Konsens zu finden.“
Als weitere wichtige Hausaufgaben für die Kommission benennt Ratzinger-Benedikt die „neue theologische Kultur“ von „jungen Kirchen“ und den Dialog mit den großen Religionen der Welt.
Zusammenfassend urteilt der emeritierte Papst, die Internationale Theologische Kommission habe „trotz aller Anstrengungen noch nicht eine moralische Einheit der Theologie und der Theologen in der Welt erreichen können“. Wer sich das erwartet habe, habe falsche Hoffnungen gehegt. „Dennoch ist diese Kommission zu einer wichtigen Stimme geworden, die gewissermaßen die Grundrichtung angibt, auf welche eine ernsthafte Theologie in diesem historischen Moment hinarbeiten sollte.“
Für ihn sei es immer eine Freude gewesen, in dem Gremium „andere Sprachen und Arten des Denkens“ kennenzulernen. „Vor allem aber war es für mich eine ständige Gelegenheit zur Demut, die die Grenzen dessen sieht, was uns eigen ist, und dadurch den Weg zur größeren Wahrheit öffnet. Nur die Demut kann die Wahrheit finden, und die Wahrheit ist wiederum das Fundament der Liebe, aus der letztlich alles kommt.“
(vatican news)
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