Überblick: Wie die Päpste lernten, die Bombe zu hassen
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
1962: In der Kubakrise steht die Menschheit 13 Tage lang vor dem Abgrund. Zwischen den USA und der Sowjetunion droht eine nukleare Konfrontation. Papst Johannes XXIII. (1958-63) versucht, über diplomatische Kanäle beide Seiten vom Schlimmsten abzuhalten; über Radio Vatikan warnt er am 25. Oktober, dass „sich keiner die furchtbaren Folgen (eines Atomkriegs) ausmalen“ könne. Als die Krise entschärft ist, beschließt der Roncalli-Papst, eine Enzyklika zu schreiben: Pacem in terris, Frieden auf Erden. Die erste Enzyklika, die nicht nur an Katholiken, sondern ausdrücklich an „alle Menschen guten Willens“ gerichtet ist.
Konzil: Nicht jedes Kampfmittel im Krieg erlaubt
Zwar ruft die Enzyklika von 1963 zur völligen nuklearen Abrüstung auf, doch eine explizite Verurteilung von Atomwaffen findet sich in ihr nicht. Die Konstitution „Gaudium et spes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils beschäftigt sich bald darauf ausführlich mit der „Unmenschlichkeit der Kriege“. „Solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen“, urteilt dieser Schlüsseltext. Allerdings sei, wenn Krieg herrsche, keineswegs „jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt“.
Durch die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen sieht „Gaudium et spes“ den „Schrecken und die Verwerflichkeit des Krieges ins Unermessliche“ wachsen. „Die Anwendung solcher Waffen im Krieg vermag ungeheure und unkontrollierbare Zerstörungen auszulösen, die die Grenzen einer gerechten Verteidigung weit überschreiten. Ja wenn man alle Mittel, die sich schon in den Waffenlagern der Großmächte befinden, voll einsetzen würde, würde sich daraus eine fast totale und gegenseitige Vernichtung des einen Gegners durch den anderen ergeben, abgesehen von den zahllosen Verwüstungen in der Welt, die dem Gebrauch solcher Waffen als verhängnisvolle Nachwirkungen folgen.“
Paul VI. vor der UNO:„Nie wieder Krieg“
Das ist eine ernste Mahnung, verbunden mit einer „Verurteilung des totalen Krieges“ und des Rüstungswettlaufs. „Statt dass dieser die Ursachen des Krieges beseitigt, drohen diese dadurch sogar eher weiter zuzunehmen.“ Auch Paul VI. (1963-78) ruft bei einem Besuch vor der UNO im Oktober 1965 „Nie wieder Krieg“ und warnt, der Rüstungswettlauf lasse sich nicht endlos verlängern, ohne in eine Katastrophe zu münden; der Vatikan tritt unter ihm dem Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen bei. Doch Johannes Paul II. (1978-2005), der 1981 Hiroshima besucht, erklärt in einer Botschaft an die UNO-Vollversammlung 1982: „In der derzeitigen Weltlage kann eine auf einem Gleichgewicht beruhende (nukleare) Abschreckung zwar kein Ziel in sich, aber doch eine Etappe auf dem Weg zu allmählicher Abrüstung sein und kann daher als moralisch akzeptabel beurteilt werden.“
Einen Schritt weiter geht 2006 Benedikt XVI. In einer Friedensbotschaft zeigt sich der deutsche Papst enttäuscht darüber, dass immer mehr Staaten auf nukleare Aufrüstung setzten. „Dadurch hat sich das verbreitete Klima der Unsicherheit und der Angst vor einer möglichen atomaren Katastrophe weiter verschärft. Das wirft die Menschen zurück in die zermürbenden Ängste der Epoche des sogenannten kalten Kriegs. Danach hoffte man, die atomare Gefahr sei definitiv gebannt und die Menschheit könne endlich einen dauerhaften Seufzer der Erleichterung tun.“ Doch leider sei das nicht der Fall; stattdessen verdichteten sich „bedrohliche Schatten am Horizont der Menschheit“. Der Ratzinger-Papst forderte mutige Schritte zum „endgültigen Abbau“ von Atomwaffen: „Das Schicksal der gesamten Menschheitsfamilie steht auf dem Spiel!”
Franziskus: Auch der Besitz von Atomwaffen ist zu verurteilen
Nun also Franziskus. Der Papst aus Lateinamerika, der an diesem Sonntag Hiroshima und Nagasaki besucht, hat schon vor zwei Jahren klargemacht, dass es aus seiner Sicht keine Rechtfertigung für den Besitz von Atomwaffen gibt. „Denken wir an die katastrophalen humanitären Folgen und die Konsequenzen für die Umwelt, die jeder Einsatz von Kernwaffen mit sich bringt, dann können wir nicht anders als große Sorge zu empfinden. Daher ist auch unter Berücksichtigung der Gefahr einer unbeabsichtigten Explosion solcher Waffen – aus welchem Irrtum auch immer dies geschehen mag – die Androhung ihres Einsatzes sowie ihr Besitz entschieden zu verurteilen, gerade weil deren Vorhandensein in Funktion einer Logik der Angst steht, die nicht nur die Konfliktparteien betrifft, sondern das gesamte Menschengeschlecht.“
Die internationalen Beziehungen dürften nicht „von militärischer Macht, von gegenseitigen Einschüchterungen, von der Zurschaustellung des Waffenarsenals“ beherrscht werden, so Franziskus. „Vor allem atomare Massenvernichtungswaffen vermitteln lediglich ein trügerisches Gefühl von Sicherheit und können nicht die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Glieder der Menschheitsfamilie sein.“
(vatican news)
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