Papst in Hiroshima: „Schon der Besitz von Atomwaffen ist unmoralisch“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Als zweiter Papst nach Johannes Paul II., der 1981 Japan bereiste, fand sich Franziskus am zweiten Tag seines Japanbesuchs im „Hiroshima-Friedenspark“ ein. Mitten in der Grünfläche erhebt sich die sogenannte „Atombomben-Kuppel“, die Ruine eines Gebäudes, das die Katastrophe von 1945 überstanden hat und heute als Mahnmal für das Grauen von damals dient.
Er sei als „Pilger des Friedens“ gekommen, schrieb der Gast aus dem Vatikan in das bereitliegende Gästebuch, dann verneigte er sich sichtlich bewegt vor einigen Überlebenden dieses – so der Eintrag weiter – „schrecklichen Tags in der Geschichte dieses Landes“.
Wie am Ground Zero
Vor dem Friedens-Mahnmal, das ein japanischer Künstler 1954 entworfen hat, legte Franziskus Blumen nieder. Der Klang der sogenannten Friedensglocke hallte über das geisterhaft angestrahlte Gelände, während sich die mehreren hundert Anwesenden – unter ihnen auch etwa zwanzig religiöse Führer – zu einem Moment der Stille und des Gedenkens erhoben. Die Stimmung lag irgendwo zwischen einem nächtlichen Flughafenrollfeld und dem New Yorker Ground Zero.
Zwei Überlebende des fatalen 6. August schilderten in kurzen Ansprachen ihre Erinnerungen – ein erschütternder Moment. Yoshiko Kajimoto – am Tag der Katastrophe 14 Jahre alt – berichtete von „Menschen, die umhergingen wie Geister, Menschen, deren ganzer Körper so verbrannt war, dass ich den Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht erkennen konnte. Deren Haare zu Berge standen, deren Gesichter auf die doppelte Größe angeschwollen waren, deren Lippen lose herunterhingen, und an ihren ausgestreckten Händen hing die verbrannte Haut herunter.“
Kein Mensch auf dieser Welt könne sich „eine solche höllische Szene“ vorstellen. Ganz Hiroshima sei damals „ein Krematorium“ gewesen. „Der Krieg macht die Menschen verrückt“, hieß es in dem verlesenen Zeugnis von Koji Hosokawa, der 1945 17 Jahre alt war. „Und die ultimative Verrücktheit ist die Atombombe, die die menschliche Existenz auslöscht.“
Das schwarze Loch aus Zerstörung und Tod
In seiner auf Spanisch vorgetragenen Ansprache gedachte Franziskus der Katastrophe vor 74 Jahren in düsteren Wendungen, die an das Inferno Dantes erinnerten. Er sprach von „einem schwarzen Loch aus Zerstörung und Tod“, von einem „Abgrund des Schweigens“, aus dem man „noch heute den lauten Schrei derer, die nicht mehr sind“, höre.
„Ich gedenke hier aller Opfer und verneige mich vor der Stärke und der Würde derer, die über viele Jahre hinweg als Überlebende jener ersten Augenblicke die heftigsten körperlichen Schmerzen und in ihrem Geist die Keime des Todes ertragen haben, die an ihrer Lebenskraft weiter gezehrt haben.“
Ein Satz, der nachträglich ins Manuskript eingefügt wurde
Er sei als Pilger des Friedens nach Hiroshima gekommen, als Sprachrohr aller, die sich heute nach Frieden sehnten. „Ich möchte mich in Demut zur Stimme all derer machen, deren Stimme nicht gehört wird und die mit Beunruhigung und Angst die wachsenden Spannungen beobachten, die unsere Zeit durchziehen.“
Franziskus fuhr fort, der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken sei „heute mehr denn je ein Verbrechen“. „Der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken ist unmoralisch, wie ebenso der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist, wie ich schon vor zwei Jahren gesagt habe. Wir werden darüber gerichtet werden!“
Dass schon der Besitz von Atomwaffen unmoralisch sei, hatte Papst Franziskus zwar schon, wie von ihm selbst unterstrichen, an anderer Stelle, nämlich bei einer Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Symposium zum Thema Abrüstung im November 2017 gesagt - allerdings stellt die Aussage insofern einen neuen Schritt in der päpstlichen Friedensethik dar, als sie diesmal vor den Augen der Weltöffentlichkeit getätigt wurde. Im ersten Entwurf der Rede war sie allerdings nicht zu finden: der Papst hatte sie später eingefügt.
Wie lasse sich denn von Frieden sprechen, solange immer neue, zerstörerische Waffen gebaut würden und wenn die Drohung eines Atomkriegs „als legitimes Mittel zur Konfliktlösung“ gelte, fragte der Papst. „Wenn wir tatsächlich eine gerechtere und sicherere Gesellschaft aufbauen wollen, müssen wir die Waffen aus unseren Händen legen… Der wahre Friede kann nur ein waffenloser Friede sein.“
„Nie wieder Krieg“, rief Franziskus wie einst sein heiliger Vorgänger Paul VI. in den sechziger Jahren vor der UNO in New York, „nie wieder das Dröhnen der Waffen, nie wieder so viel Leid! Möge der Friede in unsere Tage, in diese unsere Welt kommen…. Komm, Herr, denn es will Abend werden, und wo die Zerstörung mächtig wurde, möge heute die Hoffnung übermächtig werden. Die Hoffnung, dass es möglich ist, eine andere Geschichte zu schreiben und zu verwirklichen.“
(vatican news)
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