Im Wortlaut: Papstpredigt für verstorbene Kardinäle und Bischöfe
Die Lesungen, die wir gehört haben, erinnern uns daran, dass wir zur Welt gekommen sind, um aufzuerstehen: Wir wurden nicht zum Tod geboren, sondern zur Auferstehung. Denn, so schreibt der heilige Paulus in der zweiten Lesung, schon jetzt ist »unsere Heimat […] im Himmel« (Phil 3,20). Und wie Jesus im Evangelium sagt, werden wir auferweckt werden am Jüngsten Tag (vgl. Joh 6,40). Und es ist ebenso der Gedanke an die Auferstehung, der Judas Makkabäus in der ersten Lesung »sehr schön und edel« (2 Makk 12,43) handeln lässt. Heute können auch wir uns fragen: Wozu regt mich der Gedanke an die Auferstehung an? Wie antworte ich auf meine Berufung zur Auferstehung?
Eine erste Hilfestellung gibt uns Jesus, der im heutigen Evangelium sagt: »Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen« (Joh 6,37). Das ist seine Einladung: „Kommt zu mir“ (vgl. Mt 11,28). Zu Jesus gehen, dem Lebendigen, um sich gegen den Tod, gegen die Angst, dass alles aufhören könnte, impfen zu lassen. Zu Jesus gehen: Es mag als eine selbstverständliche, allgemeine geistliche Ermahnung erscheinen. Aber versuchen wir, sie konkret werden zu lassen, indem wir uns Fragen stellen wie diese: Als ich heute im Büro die Akten bearbeitete, habe ich mich da dem Herrn genähert? Habe ich es zum Anlass genommen, mit ihm zu sprechen? Und bei den Menschen, denen ich begegnet bin, habe ich da Jesus miteinbezogen, habe ich sie im Gebet zu ihm getragen? Oder habe ich alles gemacht, wobei ich in meinen Gedanken nur bei mir war, mich nur über das gefreut habe, was mir gelungen ist, und über das geklagt habe, was mir misslungen ist? Kurz und gut, gehe ich in meinem Leben zum Herrn oder kreise ich um mich selbst? In welche Richtung verläuft mein Weg? Suche ich nur, gute Figur zu machen, meine Rolle, meine Zeiten und Räume zu wahren oder gehe ich zum Herrn?
Das Wort Jesu hat es in sich: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Das heißt gleichsam, es ist vorgesehen, den Christen zu vertreiben, der nicht zu ihm kommt. Für den, der glaubt, gibt es keine Kompromisse: Man kann nicht zu Jesus gehören und um sich selbst kreisen. Wer zu Jesus gehört, lebt im Aufbruch zu ihm hin.
Das Leben ist als Ganzes ein Aufbruch, ein Hinausgehen: vom Mutterleib, um zur Welt zu kommen; von der Kindheit, um ins Jugendalter einzutreten; vom Jugendalter ins Erwachsenenleben und so weiter bis zum Hinausgehen von dieser Welt. Wenn wir heute für unsere Brüder, die Kardinäle und Bischöfe beten, die aus diesem Leben geschieden sind, um dem Auferstandenen entgegenzugehen, dann können wir nicht das wichtigste und schwierigste Hinausgehen vergessen, das allen anderen Aufbrüchen Sinn verleiht: das Herausgehen aus uns selbst. Nur wenn wir aus uns selbst herausgehen, öffnen wir die Tür, die zum Herrn führt. Bitten wir um diese Gnade: „Herr, ich möchte zu dir kommen, durch die Straßen und die Weggefährten an jedem Tag. Hilf mir, dass ich aus mir selbst herausgehe, um dir entgegenzugehen, der du das Leben bist.“
Ich möchte einen zweiten Gedanken über die Auferstehung aus der ersten Lesung aufgreifen, ausgehend vom edlen Handeln des Judas Makkabäus für die Verstorbenen. Dabei, so steht geschrieben, »hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen, der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit entschlafen« (2 Makk 12,45). Die Frömmigkeit also bewirkt herrlichen Lohn. Das Erbarmen gegenüber den anderen reißt die Pforten der Ewigkeit auf. Sich über die Bedürftigen zu beugen, um ihnen zu dienen, heißt im Vorzimmer für die Ewigkeit zu warten. Wenn nämlich das gilt, wie der heilige Paulus sagt: »Die Liebe hört niemals auf« (1 Kor 13,8), dann ist eben genau die Liebe die Brücke, die die Erde mit dem Himmel verbindet. Wir können uns daher fragen, ob wir auf dieser Brücke voranschreiten: Lasse ich mich von der Situation eines Bedürftigen bewegen? Kann ich um den weinen, der leidet? Bete ich für die, an die niemand denkt? Helfe ich jemandem, der mir nichts zurückgeben kann? Das ist nicht Gutmenschentum, nicht einfach nur Wohltätigkeit; es geht dabei um Fragen des Lebens, es geht um die Auferstehung.
Schließlich noch eine dritte Anregung im Hinblick auf die Auferstehung. Ich entnehme sie den Geistlichen Übungen des heiligen Ignatius. Er empfiehlt, bevor man eine wichtige Entscheidung trifft, sich vorzustellen, am Ende der Tage vor Gottes Angesicht zu stehen. Dieser Ruf dort zu erscheinen kann nicht aufgeschoben werden, es ist der Zielpunkt für alle. Nun, jede Entscheidung im Leben, die wir in dieser Perspektive treffen, ist gut ausgerichtet, weil sie sich näher an die Auferstehung hält, die der Sinn und das Ziel des Lebens ist. Wie man die Abreise vom Ziel her berechnet, wie man die Aussaat von der Ernte her beurteilt, so beurteilt man das Leben gut von seinem Ende her, von seinem Ziel her. Der heilige Ignatius schreibt: »Ich erwäge, wie mir am Tage des Gerichtes zumute sein wird, und ich überlege, wie ich dann wünschte, in der vorliegenden Sache entschieden zu haben; und die Regel, die ich dann befolgt haben möchte, nehme ich jetzt an« (Geistliche Übungen, 187). Dies kann eine nützliche Übung sein, um die Wirklichkeit mit den Augen des Herrn und nicht nur den unsrigen zu sehen; um einen Blick zu haben, der auf die Zukunft, auf die Auferstehung gerichtet ist und nicht nur auf das Heute, das vergeht; um Entscheidungen zu treffen, die den Geschmack der Ewigkeit, die Würze der Liebe haben.
Gehe ich aus mir heraus, um jeden Tag zum Herrn zu gehen? Hege und übe ich Erbarmen gegenüber den Bedürftigen? Treffe ich die wichtigen Entscheidungen vor dem Angesicht Gottes? Lassen wir uns zumindest von einer dieser drei Anregungen ansprechen. Dann werden wir mit dem Wunsch Jesu im heutigen Evangelium mehr im Einklang stehen: keinen von denen, die er ihm gegeben hat, zugrunde gehen zu lassen (vgl. Joh 6,39). Unter den vielen Stimmen der Welt, die uns den Sinn des Lebens verlieren lassen, wollen wir uns mit dem Willen Jesu, der auferstanden ist und lebt, in Einklang bringen: Gestalten wir das Heute so, dass wir einen Morgen der Auferstehung leben.
(vatican news – gs)
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