Die Papst-Predigt bei der Messe für die kongolesische Gemeinde
In den Lesungen von diesem Sonntag kommt ein Verb besonders oft vor, kommen: dreimal in der ersten Lesung, und am Schluss des Evangeliums, wo es heißt: „Der Menschensohn kommt“ (Mt 24,44). Jesus kommt: Der Advent erinnert uns an diese Gewissheit, die schon im Namen liegt – denn das Wort Advent bedeutet Ankunft. Der Herr kommt: Das ist die Wurzel unserer Hoffnung; die Gewissheit, dass inmitten aller Trübsal dieser Welt der Trost Gottes zu uns kommt; ein Trost, der nicht aus Worten gemacht ist, sondern aus Gegenwart – aus seiner Gegenwart, die in unsere Mitte kommt.
Der Herr kommt; heute, am ersten Tag des neuen Kirchenjahres, bezeichnet diese Verkündigung unseren Ausgangspunkt: Wir wissen, dass der Herr uns in keiner Lebenslage allein lässt, egal, ob sie positiv oder negativ ist. Er kam vor zweitausend Jahren, und er wird am Ende der Zeiten wiederkommen. Aber er kommt auch heute in mein Leben, in dein Leben. Ja, unser Leben mit all seinen Problemen, Ängsten und Unsicherheiten wird vom Herrn besucht. Und genau das ist die Quelle unserer Freude: Der Herr ist unser nicht müde geworden und er wird unser nie müde werden – er will zu uns kommen, uns besuchen.
Aber das Verb kommen gilt nicht nur Gott, es gilt auch uns. So lautet die Prophezeiung in der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja ja auch: „Viele Völker werden gehen und sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn“ (2,3). Während das Böse auf Erden daraus entsteht, dass jeder seinen eigenen Weg ohne die anderen geht, bietet der Prophet eine wunderbare Vision an: Alle kommen gemeinsam zum Berg des Herrn. Auf dem Berg befand sich der Tempel, das Haus Gottes. Jesaja sendet uns daher die Einladung Gottes, der uns auffordert, in sein Haus zu kommen. Wir sind die Gäste Gottes, und wer eingeladen wird, der ist erwünscht, wird sehnsüchtig erwartet. „Kommt – sagt Gott – denn in meinem Haus ist Platz für alle. Kommt, denn in meinem Herzen ist nicht nur ein Volk, sondern jedes Volk.“
Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid von weither gekommen. Ihr habt euer Zuhause, lieb gewordene Menschen und Dinge hinter euch gelassen. Als ihr hierhergekommen seid, haben euch nicht nur Gastfreundschaft, sondern auch Probleme und Überraschungen erwartet. Aber für Gott seid ihr immer willkommene Gäste. Für Ihn sind wir nie Fremde, sondern stets Kinder, die sehnsüchtig erwartet werden. Und die Kirche ist das Haus Gottes: Hier fühlt man sich immer zu Hause. Wir kommen hierher, um gemeinsam dem Herrn entgegen zu gehen und die Worte in die Tat umzusetzen, mit denen die Prophezeiung des Jesajas endet: „Kommt, wir wollen gehen im Licht des Herrn“ (V. 5).
Aber dem Licht des Herrn kann man auch die Finsternis der Welt vorziehen. Dem Herrn, der kommt, und seiner Einladung, zu Ihm zu gehen, kann man auch mit einem „Nein“ antworten. Oft ist es kein direktes und unverblümtes Nein, sondern ein hinterhältiges Nein: Es ist das Nein, vor dem uns Jesus im Evangelium warnt, wenn er uns ermahnt, nicht so zu handeln wie in den „Tagen des Noach“ (Mt 24,37). Was aber ist in den Tagen des Noach passiert? Es geschah, dass sich etwas Neues und Überwältigendes anbahnte, sich aber niemand darum scherte, weil jeder nur ans Essen und ans Trinken dachte (vgl. V. 38). Mit anderen Worten: jeder hat sein Leben nur auf seine eigenen Bedürfnisse reduziert, sich mit einem flachen, horizontalen Leben zufriedengegeben, einem Leben ohne Ambitionen. Da gab es kein Warten auf jemanden, nur den Anspruch, etwas für sich selbst zu haben; etwas, das man konsumieren kann.
Der Konsumismus ist ein Virus, der den Glauben an der Wurzel befällt: er lässt uns nämlich glauben, dass das Leben nur von dem abhängt, was man hat, und so vergisst man Gott, der uns entgegen kommt – und auch die Menschen in unserer Nähe. Der Herr kommt, aber du folgst lieber dem Appetit, der dich übermannt; dein Bruder klopft an deine Tür, aber er stört dich, weil er deine Pläne durcheinander bringt. Wenn Jesus im Evangelium auf die Gefahren für den Glauben hinweist, dann meint er nicht die mächtigen Feinde, Feindseligkeiten und Verfolgungen. Das alles hat es immer gegeben und wird es immer geben, aber es schwächt den Glauben nicht. Die eigentliche Gefahr ist das, was das Herz betäubt: die Abhängigkeit vom Konsum; zuzulassen, dass das Herz von anderen Dingen beschwert, von unseren Gelüsten abgelenkt wird (vgl. Lk 21,34).
Und dann lebt man von Dingen, weiß aber nicht mehr, wofür man lebt; man hat viele Güter, tut aber nichts Gutes mehr; die Häuser sind voller Dinge, aber ohne Kinder; man vergeudet seine Zeit mit Zeitvertreiben, aber man hat keine Zeit mehr für Gott und für die anderen. Und wenn man für die Dinge lebt, sind diese Dinge nie genug: die Gier wächst, und die andere werden zu Hindernissen bei diesem Wettlauf – und dann fühlt man sich bedroht, wird immer unzufrieden und wütender, und der Hass wird immer größer. Wir sehen es heute überall dort, wo der Konsumismus herrscht: wie viel Gewalt, auch nur verbale Gewalt ist dort, wie viel Wut – und wie groß der Wunsch, um jeden Preis jemanden zu haben, den man als Feind sehen kann! Und während die Welt voller todbringender Waffen ist, sehen wir gar nicht, dass wir unser Herz immer mehr mit Wut bewaffnen.
Aus all dem will uns Jesus wachrütteln. Und er tut dies mit einem Verb: „Seid wachsam“ (Mt 24,42). Das Wachsam-Sein war die Aufgabe des Nachtwächters, der wach blieb und aufpasste, während die anderen schliefen. Wachsam sein bedeutet, nicht dem Schlaf nachzugeben, der jeden überfällt. Damit wir wachsam sein können, brauchen wir aber auch eine Hoffnung, die Gewissheit ist: dass die Nacht nicht für immer andauern wird, sondern bald der Morgen anbricht. Und das gilt auch für uns: Gott kommt, und sein Licht wird selbst die dunkelste Finsternis erhellen. Aber heute müssen wir wachsam sein, also der Versuchung widerstehen, den Sinn des Lebens darin zu sehen, Dinge anzuhäufen; die Täuschung enttarnen, dass man glücklich ist, wenn man viel besitzt; den grellen Lichtern des Konsums widerstehen, die uns in diesem Monat überall blenden werden. Wir müssen glauben, dass Gebet und Liebe nicht verlorene Zeit sind, sondern die größten Schätze, die wir haben.
Wenn wir unser Herz dem Herrn und unseren Brüdern und Schwestern öffnen, dann kommt das kostbare Gut, das uns die Dinge niemals geben können und das Jesaja in der ersten Lesung verkündet: der Frieden: „Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg“ (Jes 2,4). Diese Worte lassen uns auch an eure Heimat denken. Wir beten heute für den Frieden, der im Osten des Landes ernsthaft bedroht ist, vor allem in den Regionen Beni und Minembwe, wo Konflikte wüten, die auch von außen angeheizt werden – unter dem Schweigen so vieler, die sich dadurch mitschuldig machen.
Ihr gedenkt heute auch einer wunderbaren Seligen: Marie-Clémentine Anuarite Nengapeta, die getötet wurde, als sie – wie Jesus – zu ihrem Henker sagte: „Ich vergebe dir, denn du weißt nicht, was du tust!“ Bitten wir um ihre Fürsprache, auf dass im Namen der Liebe Gottes und mit Hilfe der Nachbarvölker auf Waffengewalt verzichtet werden mag – für eine Zukunft, die nicht mehr ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander ist; auf dass man von einer Ökonomie, die sich den Krieg zunutze macht, zu einer Ökonomie übergeht, die dem Frieden dient.
(vatican news – skr)
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