Papst Franziskus: Kirchenrecht ist Seelsorge
Stefan von Kempis - Vatikanstadt
Auch dem päpstlichen Rat für Gesetzestexte schärfte Franziskus an diesem Freitag ein, dass in der Kirche alles der Seelsorge und auch der Mission untergeordnet werden muss. „Auch das Strafrecht ist ein pastorales Werkzeug und muss als solches wahrgenommen werden!“
Das Wort Missbrauchs-Skandale sprach der Papst, der vor genau einem Jahr eben dazu einen Sondergipfel im Vatikan veranstaltet hat, nicht aus – aber wer will, kann seine Worte von dieser Freitagsaudienz gerne auf den Elefanten, der in solchen Fällen im Raum steht, beziehen.
„Der Bischof muss sich immer mehr dessen bewusst werden, dass er als Hirte und Haupt seiner Kirche auch Richter unter den ihm anvertrauten Gläubigen ist. Aber die Rolle des Richters hat immer ein pastorales Gepräge, denn sie dient der Gemeinschaft unter den Mitgliedern des Volkes Gottes. Das spricht der entsprechende Paragraph im Kirchenrecht (Kanon 1341) deutlich aus… Aus ihm geht auch hervor, dass die Strafe immer die extrema ratio ist, das letzte Mittel, zu dem man erst greifen soll, wenn alle anderen möglichen Straßen nicht zum Ziel, dass die Vorschrift erfüllt wird, geführt haben.“
Es verhält sich eben im Kirchenrecht nicht so wie im staatlichen Recht, fuhr Papst Franziskus fort. „Im Gegensatz zum staatlichen Gesetzgeber hat die kanonische Strafe immer eine pastorale Bedeutung. Da geht es nicht nur um Respekt der Vorschriften, sondern auch um Wiedergutmachung und vor allem um das Heil des Schuldigen selbst.“
Jede Straftat trifft die ganze Kirche
Jede Straftat treffe gewissermaßen die ganze Kirche, so der Papst. Denn jede Straftat im kirchlichen Bereich verletze die kirchliche Gemeinschaft. Kanonische Strafen zielten deshalb darauf, „die Gerechtigkeit in der Gemeinschaft der Glaubenden wiederherzustellen“.
Übrigens ist der päpstliche Rat für die Gesetzestexte in der Optik des Papstes nicht nur eine Hilfe für den Papst, sondern auch ein Service für alle Ortskirchen. Diesen Service-Charakter wünscht er sich von der ganzen römischen Kurie.
Und Franziskus sang an diesem Freitag auch das Hohelied aufs Recht: „Dass man die Gesetze der Kirche verbreitet und anwendet, ist kein Hindernis für die seelsorgliche Arbeit von Leuten, die vielleicht denken, man könne Probleme ohne den Rückgriff aufs Recht lösen. Vielmehr garantiert das erst, dass man nicht auf willkürliche Lösungen verfällt, sondern zu wirklich gerechten und damit auch wirklich pastoralen Lösungen kommt. So kann das Recht dann zu einem Schutz für die Letzten und für die Armen werden, zu einem Schutzschild für alle, die sonst irgendeinem Mächtigen zum Opfer fallen würden.“
Das verband der Papst dann, abweichend von seinem vorbereiteten Redetext, mit einer neuerlichen Warnung vor einem „Dritten Weltkrieg in Stücken“, von dem er wiederholt geäußert hat, dieser sei längst im Gang. „Wir sehen heute im Dritten Weltkrieg in Stücken, dass es da immer am Recht mangelt – immer. Die Diktaturen entstehen und wachsen, weil das Recht fehlt. So etwas darf in der Kirche nicht passieren!“
Ein Stoßseufzer
Franziskus lobte alle Bemühungen, das Strafrecht an „neue Situationen und Problematiken“ anzupassen. Und dann entschlüpfte ihm eine Art Stoßseufzer. Als er die Rede mit dem üblichen „Vergesst nicht, für mich zu beten“, beschloss, fügte er hinzu: „denn auch ich muss ein Richter sein.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.