Historische Ton-Aufnahmen: Johannes Paul II. zu Krankheit und Tod
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Was hätte Johannes Paul in diesen Tagen der Corona-Krise getan und gesagt? Er hat sich jedenfalls häufig und tiefgehend mit dem Thema Krankheit, Einsamkeit, Tod beschäftigt. Es lohnt sich, seine Worte heute, in Corona-Zeiten, wieder zu hören.
Wir haben deshalb ein paar historische Ton-Aufnahmen aus unseren Archiven geholt. Etwa eine Ansprache an alte und kranke Menschen, die Johannes Paul 1988 in Salzburg gehalten hat. Da ging es um die Frage, was man aus Situationen der Mühsal und Begrenztheit lernen kann.
„In eurem Leid erfahrt ihr konkret die Hinfälligkeit und Begrenztheit des Geschöpfes. Gerade darin aber kann das Leid für euch auch zum besonderen Ort der Öffnung auf die Mitmenschen und auf Gott hin werden. Ein Leben, das allzu glatt und fraglos dahinläuft, verleitet uns allzu leicht zur Oberflächlichkeit, lässt uns satt und selbstgenügsam werden. Wo uns hingegen das Leid aufrüttelt mit den Fragen, die sich damit unausweichlich stellen, da bricht in uns die Sehnsucht auf. Wir beginnen erneut nach anderen und im tiefsten nach Gott Ausschau zu halten.“
„Wie im Glück, sollen wir uns auch im Leid nicht absondern“
Wer leidet, sucht also Gemeinschaft: mit den Mitmenschen und mit Gott. „Wie im Glück, sollen wir uns auch im Leid nicht absondern, denn die Gemeinschaft ist der Ort, wo wir Leben teilen können.“ Genau darum ist aber die Corona-Krise so schwierig: weil wir nicht rausdürfen zu den anderen. Weil wir Kontakte fast nur noch virtuell oder telefonisch halten können.
In so einem Moment der Isolierung und der Krise hätte Johannes Paul heute wohl dasselbe geraten, was er damals auch seinen Zuhörern in Salzburg sagte: Wendet euch zu Gott, dann kommt die quälende Frage „nach dem Warum des Leidens zur Ruhe“. „Gott selbst hat auf die schwere Frage des Leidens eine Antwort gegeben, indem er ein Mensch, einer von uns, geworden ist. Die Antwort Gottes heißt Jesus Christus.“ Jesus sei der „Heiland“ – er mache die Menschen heil. Nicht nur äußerlich, indem er bestimmte Gebrechen heile. Jesus schenke ein umfassendes Heil, nämlich „den Frieden mit Gott, den Frieden mit sich selbst und den Frieden mit den anderen Menschen“.
Der Blick auf den Gekreuzigten
„Jesus Christus hat in der Tat nicht alle Menschen äußerlich geheilt, denen er begegnete. Aber er hat schließlich für sie alle – ohne Ausnahme – selbst auf das bitterste gelitten. Sein Weg wurde zum Kreuzweg nach Golgota. Er starb den furchtbaren Kreuzestod, der das Leid und die Schuld jedes einzelnen Menschen und der ganzen Menschheit zusammenfasst und erlöst. Seither steht das Bild des gekreuzigten Herrn in einer besonderen Weise vor den Augen jener Christen, die ein großes Leid, eine große Last tragen müssen. Der göttliche Mann der Schmerzen geht auch an eurer Seite, liebe Brüder und Schwestern!“
Im Blick auf den Gekreuzigten erfährt der Glaubende schon eine Ahnung der Auferstehung. Das ist aber nicht nur Vertröstung – es ändert auch seinen Blick auf heute und jetzt, so lehrte Johannes Paul.
„Wer glaubt, dem wachsen Kräfte zu“
„Wem es geschenkt ist, an Christus zu glauben, dem wachsen Kräfte zu, eigene Leiden und Lasten anzunehmen und zu tragen. Er bekommt aber auch Kräfte, um die Leiden und Beschwerden seiner Mitmenschen mitzutragen und sie überwinden zu helfen. ‚Einer trage des anderen Last‘, sagt der Apostel Paulus; ‚so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen‘.“ Wer in diesen Corona-Tagen vorsichtig ist, meistens zuhause bleibt und aufpasst, dass er sich und andere nicht ansteckt, der trägt so gesehen die Last der anderen mit.
In der derzeitigen Krise werden wir aber häufiger, als das sonst der Fall ist, auch mit dem Thema Tod konfrontiert. Tausende von Menschen sind dem Virus schon erlegen; die Szenen aus norditalienischen Krankenstationen sind apokalyptisch.
„Der Blick über die Schwelle ist von unserer Seite aus getrübt“
Johannes Paul II. sprach einmal bei einem Treffen mit alten Menschen 1980 im Münchner Liebfrauendom von der „großen Schule des Lebens und Sterbens“. Der „Blick über die Schwelle“ sei „von unserer Seite aus getrübt“. Dann meinte er: „Ohne eine Vertrautheit mit Gott gibt es letztlich keinen Trost im Sterben. Denn gerade das will ja Gott mit dem Tod: dass wir uns wenigsten in dieser einen hohen Stunde unseres Lebens ganz in seine Liebe fallen lassen, ohne jede andere Sicherheit als ebendiese seine Liebe. Wie könnten wir ihm ungetrübter unser Glauben, Hoffen, Lieben zeigen!“
In gewisser Weise sei der Tod auch selbst „ein Trost“, fuhr Johannes Paul fort. „Das Leben auf dieser Erde, selbst wenn sie nicht ein ‚Tal der Tränen‘ wäre, könnte uns nicht für immer Heimat bieten. Sie würde mehr und mehr zum Gefängnis, zur ‚Verbannung‘.“ Von diesem Gefängnis haben alle, die jetzt zwangsweise zuhause sitzen und nicht auf die Straße dürfen, einen kleinen Vorgeschmack.
Zitate von Goethe und St. Augustinus
Der Papst zitierte damals Goethes Faust: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“. Und gleich danach den hl. Augustinus: „Auf Dich hin hast Du uns geschaffen, Herr; und ruhelos ist unser Herz, bis es seine Ruhe findet in Dir.“ Auch die Corona-Krise lehrt uns im Moment sehr deutlich, dass wir hier auf Erden keine bleibende Heimat haben.
„So gibt es nicht die Todgeweihten und die im sogenannten Leben Stehenden. Was uns allen bevorsteht, ist eine Geburt, eine Verwandlung, deren Wehen wir mit Jesus am Ölberg fürchten, deren strahlenden Ausgang wir aber schon in uns tragen, seit wir in der Taufe in Jesu Tod und Sieg hineingetaucht wurden…“
In seinen letzten Lebensjahren hat der an Parkinson erkrankte Johannes Paul II. dann am eigenen Leib vorgeführt, wie sich Alter und Krankheit auf christliche Weise tragen lassen. Er saß, so formulierte es später sein Nachfolger Benedikt XVI., auf dem „Lehrstuhl des Leidens und des Schweigens“.
(vatican news)
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