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Wortlaut: Die Ansprache von Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz an diesem Mittwoch gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan. Leichte Kürzungen sind durch ... markiert.

Die offizielle Fassung der Rede finden Sie in Kürze auf der offiziellen Homepage des Vatikans.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Wir führen heute die Katechesenreihe über das Gebet fort, die letzte Woche begonnen hat.

Das Gebet ist etwas, das allen Menschen gehört: den Menschen jeder Religion und wahrscheinlich auch denen, die sich zu keiner Religion bekennen. Das Gebet kommt aus den geheimen Tiefen unseres Innersten, aus jenem inneren Ort, den geistliche Autoren oft als „Herz“ bezeichnen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2562-2563). Das Beten ist also nichts Nebensächliches, es ist nicht irgendeine zweitrangige, marginale Fähigkeit, sondern unser innerstes Geheimnis. Unser Innerstes betet!

Unsere Emotionen drücken sich im Gebet aus, aber man kann nicht sagen, dass Gebet nur Emotion ist. Der Verstand drückt sich im Gebet aus, aber Beten ist nicht nur ein intellektueller Akt. Der Körper betet, aber auch Menschen mit schwerer Behinderung können mit Gott sprechen. Es ist also der ganze Mensch, der betet, wenn sein Herz betet.

„Das Gebet ist die Stimme eines Ichs, die sich vorsichtig vorwärts tastet“

Das Gebet ist ein Hinausdrängen, es ist ein Ruf, der über uns selbst hinausgeht: etwas, das den Tiefen unserer Person entspringt und sich ausweitet, weil es die Sehnsucht nach einer Begegnung spürt. Das müssen wir unterstreichen: die Sehnsucht nach einer Begegnung spüren. Sehnsucht ist mehr als ein Bedürfnis... Das Gebet ist die Stimme eines Ichs, die sich vorsichtig vorwärts tastet, auf der Suche nach einem Du. Die Begegnung zwischen Ich und Du kann man nicht mit dem Taschenrechner machen. Das ist eine menschliche Begegnung... Das Du, das mein Ich sucht.

Das Gebet des Christen erwächst nämlich einer Offenbarung: Das Du ist nicht vom Geheimnis umhüllt geblieben, es ist mit uns in Beziehung getreten. Das Christentum ist die Religion, die kontinuierlich die Erscheinung Gottes, seine Epiphanie, feiert. Die ersten Feste im Kirchenjahr sind die Feier dieses Gottes, der nicht verborgen bleibt, sondern den Menschen seine Freundschaft anbietet. Gott offenbart seine Herrlichkeit in der Armut von Bethlehem, in der Anbetung der Heiligen Drei Könige, in der Taufe am Jordan, im Wunder der Hochzeit zu Kana. Das Johannes-Evangelium bringt den großen Hymnus des Prologs mit folgenden Worten auf den Punkt: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ Es war Jesus, der uns Gott offenbart hat.

Beten ist Beziehung

Das Gebet des Christen geht eine Beziehung ein mit diesem Gott, der ein sanftmütiges Antlitz hat, den Menschen keine Angst einflößen will. Das ist das erste Kennzeichen des christlichen Gebets. Und wenn die Menschen eigentlich schon immer daran gewöhnt waren, sich Gott ein wenig eingeschüchtert, ja von diesem ungeheuerlichen und faszinierenden Geheimnis sogar ein wenig verängstigt zu nähern; wenn sie sich daran gewöhnt hatten, ihn mit einer unterwürfigen Haltung anzubeten, ähnlich der eines Untertanen, der es seinem Herrn nicht an Respekt fehlen lassen will, dann wagen es die Christen stattdessen, sich vertrauensvoll an Gott zu wenden, ihn „Vater“ zu nennen. Jesus sagt sogar: Papa!

Nicht Unterwerfung, sondern Freundschaft

Das Christentum hat jedes „feudalistische“ Element aus der Beziehung zu Gott verbannt. Das Erbe unseres Glaubens kennt keine Begriffe wie „Unterwerfung“, „Knechtschaft“ oder „Vasallentum“, sondern Worte wie „Bund“, „Freundschaft“ und „Gemeinschaft“, „Nähe“. In seiner langen Abschiedsrede an die Jünger sagt Jesus: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,15-16).

Das ist ein Blankoscheck: Alles, um was ihr den Vater in meinem Namen bittet, werde ich euch erfüllen... Probieren wir es doch mal aus!

„Wir dürfen Gott um alles bitten“

Gott ist der Freund, der Verbündete, der Bräutigam. Im Gebet können wir eine Vertrauensbeziehung zu ihm aufbauen. Nicht umsonst hat uns Jesus im Vaterunser gelehrt, ihm unsere Bitten zu unterbreiten. Wir dürfen Gott um alles - alles! - bitten, ihm alles erklären, alles erzählen. Es spielt keine Rolle, ob wir uns in unserer Beziehung zu Gott schuldig fühlen: auch wenn wir keine guten Freunde, keine dankbaren Kinder, keine treuen Ehepartner sind – er wird trotzdem nicht aufhören, uns zu lieben.

Und genau das kommt in den Worten Jesu zum Ausdruck, wenn er beim Letzten Abendmahl sagt: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20). Mit dieser Geste nimmt Jesus im Abendmahlssaal das Geheimnis des Kreuzes vorweg. Gott ist ein treuer Verbündeter: Wenn die Menschen aufhören zu lieben, liebt er weiter, auch wenn ihn diese Liebe an seine Leidensstätte – nach Golgatha – führt.

Die Geduld Gottes

Gott ist der Tür unseres Herzens immer nahe. Er wartet. Er wartet, dass wir aufmachen. Manchmal klopft er an... Gottes Geduld mit uns ist die Geduld eines Papas und einer Mama, beides zusammen. Immer unserem Herzen nahe. Und wenn er anklopft, dann tut er es mit viel Zärtlichkeit und Liebe.

Lasst uns versuchen, so zu beten und in das Geheimnis des Bundes einzutreten. Uns im Gebet von Gottes barmherzigen Armen umfangen zu lassen, uns von jenem Geheimnis der Glückseligkeit umhüllt zu fühlen, das das dreifaltige Leben ist, uns wie Gäste zu fühlen, die so viel Ehre gar nicht verdient haben.

„Der Gott der Liebe ist unser Vater“

Lasst uns Gott im Staunen des Gebets sagen: Ist es möglich, dass Du nur Liebe kennst? Er kennt keinen Hass. Er wird gehasst, kennt aber selbst keinen Hass. Er kennt nur Liebe! Das ist der Gott, den wir anbeten. Das ist der wahre Kern eines jeden christlichen Gebets. Der Gott der Liebe ist unser Vater, der uns erwartet und uns begleitet.

(radio vatikan - Übersetzung: Silvia Kritzenberger)

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13. Mai 2020, 09:49