Wortlaut: Die Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz
Die offizielle Fassung der Rede finden Sie in Kürze auf der offiziellen Homepage des Vatikans.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Setzen wir unsere Katechesen über das Gebet fort und blicken wir auf das Geheimnis der Schöpfung. Das Leben, die einfache Tatsache, dass es uns gibt, öffnet das Herz des Menschen für das Gebet.
Die erste Seite der Bibel gleicht einem einzigen großen Dankhymnus. Die Geschichte der Schöpfung wird durch Refrains unterbrochen, in denen immer wieder das Schöne und Gute alles Seienden betont wird. Gott ruft mit seinem Wort ins Leben, und alles tritt ins Dasein. Mit seinem Wort trennt er das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, bestimmt den Wechsel der Jahreszeiten – und öffnet mit der Vielfalt der Pflanzen und Tiere eine bunte Palette von Farben. In diesem dichten Wald, in dem das Chaos schnell besiegt ist, erscheint am Schluss der Mensch. Und diese Erscheinung verursacht einen Überfluss an Jubel, der die Zufriedenheit und Freude nur noch größer werden lässt: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag“ (Gen 1,31).
Der Liebesplan hinter dem gewaltigen Werk der Schöpfung...
Die Schönheit und das Geheimnis der Schöpfung geben dem menschlichen Herzen den ersten Impuls, der ihn zum Beten anregt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2566). So heißt es in Psalm 8: „Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (V. 4-5). Der Betende betrachtet das Geheimnis des Lebens um sich herum, sieht den Sternenhimmel über sich – den uns die Astrophysik heute in seiner ganzen Unermesslichkeit zeigt –, und er fragt sich, welcher Liebesplan hinter einem so gewaltigen Werk stecken muss!... Und was ist der Mensch in dieser grenzenlosen Weite? „Nichtiges Leben“, sagt ein anderer Psalm (vgl. 89,48): ein Wesen, das geboren wird, ein Wesen, das stirbt, ein überaus zerbrechliches Geschöpf. Und doch ist der Mensch im ganzen Kosmos das einzige Geschöpf, das diesen Überfluss an Schönheit bewusst wahrnimmt.
Das Gebet des Menschen ist eng mit dem Gefühl des Staunens verbunden. Die Größe des Menschen ist im Vergleich zu den Dimensionen des Universums verschwindend gering. Seine größten Errungenschaften erscheinen klein und nichtig... Aber es stimmt nicht, dass der Mensch ein Nichts ist. Im Gebet kommt unleugbar ein Gefühl der Barmherzigkeit zum Ausdruck. Nichts existiert aus Zufall: Das Geheimnis des Universums liegt in dem wohlwollenden Blick eines anderen, der sich mit unseren Blicken kreuzt. Der Psalm bekräftigt, dass wir nur wenig geringer gemacht wurden als Gott, und mit Pracht und Herrlichkeit gekrönt (vgl. 8,6). Die Größe des Menschen liegt in seiner Beziehung zu Gott: damit erlangt er den Thron. Von Natur aus sind wir so gut wie nichts, ein unbedeutendes Wesen, das geboren wird und stirbt; heute sind wir da, morgen nicht. Von unserer Berufung her aber sind wir die Kinder des großen Königs!
Der Blick auf den Sternenhimmel
Es ist eine Erfahrung, die viele von uns gemacht haben. Und wenn der Lauf des Lebens mit all seiner Bitterkeit die Gabe des Gebets in uns manchmal zu ersticken droht, dann genügt es, einen Sternenhimmel, einen Sonnenuntergang oder eine Blume zu betrachten…, um den Funken der Danksagung wieder neu zu entfachen. Vielleicht ist es gerade diese Erfahrung, die der ersten Seite der Bibel zugrunde liegt.
Als der große biblische Schöpfungsbericht geschrieben wurde, erlebte das Volk Israel wahrlich keine glücklichen Tage. Eine feindliche Macht hatte das Land besetzt; viele waren deportiert worden, fristeten nun in Mesopotamien als Sklaven ihr Dasein. Es gab keine Heimat mehr, keinen Tempel, kein soziales und religiöses Leben, nichts.
Das Gebet ist die erste Kraft der Hoffnung
Und doch beginnt jemand, ausgehend gerade von dem großen Schöpfungsbericht, Gründe zu finden, um Dank zu sagen, Gott für das Leben zu preisen. Das Gebet ist die erste Kraft der Hoffnung. Du betest, und die Hoffnung wächst. Ich würde sagen, dass das Gebet der Hoffnung die Tür öffnet. Das Gebet ist schon da, aber mit meinem Gebet öffne ich die Tür. Die Männer und Frauen des Gebets hüten nämlich die grundlegenden Wahrheiten; sie sind diejenigen, die zuerst sich selbst und dann alle anderen immer wieder daran erinnern, dass das Leben trotz all seiner Mühen und Prüfungen, trotz seiner schwierigen Tage, von einer Gnade erfüllt ist, die Staunen auslöst. Und daher muss das Leben auch stets verteidigt und geschützt werden.
Männer und Frauen, die beten, wissen, dass die Hoffnung stärker ist als die Mutlosigkeit. Sie glauben, dass die Liebe mächtiger ist als der Tod und sind sich gewiss, dass sie eines Tages den Sieg davontragen wird – wenn auch zu Zeiten und auf eine Art und Weise, die wir nicht kennen. Männer und Frauen des Gebets strahlen ein inneres Licht aus, denn selbst an den dunkelsten Tagen hört die Sonne nicht auf, für sie zu scheinen. Das Gebet erleuchtet uns; es erleuchtet unsere Seele, unser Herz. Und es erhellt auch unser Gesicht, auch in den dunkelsten Zeiten, den Zeiten des Schmerzes.
Der Mensch als Freudenträger
Wir sind alle Freudenträger. Habt ihr darüber schon einmal nachgedacht? Wir sind Träger der Freude: oder wollt ihr lieber schlechte Nachrichten bringen, Dinge, die traurig machen? Wir sind alle fähig, Freude zu bringen. Dieses Leben ist das Geschenk, das Gott uns gemacht hat: und es ist zu kurz, um es mit Trauer zuzubringen, mit Bitterkeit. Lasst uns Gott preisen und uns einfach nur damit zufrieden geben, dass es uns gibt. Schauen wir auf das Universum, auf die Schönheit, und auch auf unser eigenes Kreuz. Lasst uns diese innere Unruhe spüren, die uns dazu treibt, Gott zu loben. Wir sind die Kinder des großen Königs, des Schöpfers; fähig, seine Handschrift in der gesamten Schöpfung zu erkennen. In dieser Schöpfung, die wir heute so sehr vernachlässigen, aber in dieser Schöpfung steckt die Handschrift Gottes, und er hat sie aus Liebe gemacht. Möge uns das der Herr immer mehr verstehen lassen, damit wir den Impuls spüren, danke zu sagen. Danke: ein schönes Gebet.
(radio vatikan - Übersetzung: Silvia Kritzenberger)
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