Papst: „Wo steht der Arme in deinem Leben?“
Mario Galgano – Vatikanstadt
Es war am 21. November 1858, als der chilenische Priester José Ignacio Víctor Eyzaguirre in Rom das „Lateinamerikanische Seminar“ gründete. Viel Wasser ist in der Zwischenzeit den Tiber hinunter geflossen. Bei einer Privataudienz für die heutigen Mitglieder des Priesterkollegs sagte Franziskus an diesem Freitagmittag im Vatikan, dass es eine große Leistung sei, der eigenen Mission treu zu bleiben. Dies habe das lateinamerikanische Kolleg getan, fügte Franziskus an.
„Obwohl die Geschichte unsere Völker getrennt hat, wurden dennoch nicht die Wurzeln zerstört, die sie alle in jenem großen Werk vereinen, das die Evangelisierung Amerikas war“, führte der Papst aus. Auf dieser Grundlage sei das Lateinamerika-Kolleg als Verpflichtung entstanden, „alle unsere Teilkirchen zu vereinen und sich gleichzeitig für die Gesamtkirche in dieser Stadt Rom zu öffnen“.
Lateinamerikanischer Weg für die Welt
Darin könne man auch die Herausforderungen sehen, die nicht nur Lateinamerika betreffen. Doch die südamerikanische Erfahrung könne einen Weg für die ganze Welt aufzeigen, um die gegenwärtige Probleme anzugehen. Der Papst nannte vor allem die Selbstbezogenheit und – abweichend vom Redemanuskript – den aggressiven Nationalismus. Doch die lateinamerikanische Antwort darauf sei die Offenheit und Eintracht. Er sprach davon, dass es ein Wunder gewesen sei, wie der Kontinent zusammen wachsen konnte:
„Dieses Wunder geschah, weil sowohl diejenigen, die kamen, als auch diejenigen, die sie aufnahmen, in der Lage waren, ihr Herz zu öffnen und sich nicht dem zu verschließen, was der andere auf menschlicher, kultureller oder religiöser Ebene anbieten konnte“, erläuterte der Papst. Er sprach von einer „Mestizen-Wurzel“ Lateinamerikas, also von der Fähigkeit, „den anderen mit einer fruchtbaren Liebe zu lieben“, so Franziskus. „Das heißt, bereit sein, etwas Neues zu schaffen, das einem selber übertrifft und übersteigt. Dies setzt die Verweigerung der eigenen Selbstbezogenheit voraus, um das empfangene Geschenk aufzunehmen. Dieser Same des Gottesreiches, zweifelt nicht, wird wachsen und reiche Früchte bringen, von Körnern, die nicht alle gleich sind, sondern von ungeahnter Vielfalt und Reichtum“, sagte Franziskus.
Aufnahmebereitschaft fördern
Dann fügte er an die jungen Priester gerichtet eine Frage ein: „Wo steht der Arme in deinem Leben?“ Jeder Priester, Bischof und Seelsorger sollte sich diese Frage stellen. Man müsse nämlich bereit sein, auch jene an- und aufzunehmen, die Hilfe suchen.
„Auf diesem Feld seid ihr aufgerufen, das Wort des Herrn großzügig und vorurteilsfrei auszusäen, so wie Gott sät, der nicht auf die Härte der Erde schaut, auch nicht auf das Vorhandensein von Steinen oder Ästen, der die Hindernisse nicht wegräumt, um damit nicht den guten Samen des Reiches mit untergehen zu lassen. Ihre Ausbildung und Ihr Dienst müssen sich darauf auswirken, um die Tür Ihres Herzens und die Herzen derer zu öffnen, die Ihnen zuhören; um Hand anzulegen und andere einzuladen, dies mit Ihnen zum Wohle aller zu tun, um diese Welt von dem großen Übel zu heilen, das sie heimsucht und das die Pandemie aufgezeigt hat.“
Zum Schluss nannte er drei konkrete Aktionspunkte der Evangelisierung, die zwei Momente hätten: den persönlichen und den gemeinschaftlichen, die sich zwangsläufig ergänzen würden. Was die persönliche Handlung betrifft, so müsse man das Tor des Herzens und der Herzen öffnen und nie aufhören, für den Nächsten da zu sein. Was die gemeinschaftliche Handlung betrifft, so müsse man immer bereit sein, zu helfen und die anderen dazu einladen, dasselbe zu tun.
(vatican news)
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