Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 in Deutschland Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 in Deutschland 

Radioakademie: Drei Päpste und ihre Heiligen - Teil 2

Aus den Pontifikaten von Papst Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Papst Franziskus haben wir einige Selige und Heilige ausgewählt, zu denen die Päpste eine besondere Beziehung hatten und die sie inspirierten. Im zweiten Teil der Serie geht es diesen Sonntag (13.12.2020) um Benedikt XVI. und drei besondere Glaubenszeugen.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Was die Selig- und Heiligsprechungen im achtjährigen Pontifikat Benedikts XVI. (2005-2013) angeht, ist eine von ihnen besonders außergewöhnlich: Die Seligsprechung seines Vorgängers im Amt, Papst Johannes Paul II., im Jahr 2011 - nur sechs Jahre nach dem Tod des polnischen Papstes. Doch bereits im ersten Jahr des Pontifikats Benedikts XVI., im Jahr 2005, gab es eine Seligsprechung, die für den deutschen Papst sicher auch besonders war - es ging nämlich um einen Landsmann und Widerstandskämpfer in der Zeit des Nationalsozialismus: Clemens August Graf von Galen.

Der selige Clemens August Graf von Galen (1878-1946)

1933 wurde er zum Bischof von Münster ernannt, nur wenige Jahre später erhob er dort seine Stimme mehrfach deutlich gegen das Unrechtsregime. Daher ist er auch als „Löwe von Münster“ bekannt. Besonders berühmt sind drei Predigten, die Clemens August Graf von Galen im Juli und August 1941 hielt. Darin wandte er sich gegen den Allmachtsanspruch und Terror der Nationalsozialisten, gegen Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und Euthanasie. Diese Predigten wurden in ganz Deutschland vervielfältigt und heimlich weitergegeben, sogar bis an die Front.

Hier ein Auszug aus der Radio Vatikan Radioakademie Drei Päpste und ihre Heiligen - Benedikt XVI. zur Seligsprechung von Clemens August Graf von Galen
Der selige Kardinal Clemens August Graf von Galen. Gemälde von Wilhelm Lauterbach; Foto: Benediktinerinnen Burg Dinklage
Der selige Kardinal Clemens August Graf von Galen. Gemälde von Wilhelm Lauterbach; Foto: Benediktinerinnen Burg Dinklage

Der Löwe von Münster

Das NS-Regime hätte den Gottesmann gerne beseitigt, fürchtete jedoch seine große Bekanntheit und Beliebtheit. So überstand er den Krieg und wurde 1946 von Papst Pius XII. zum Kardinal ernannt. Kurz darauf erlitt von Galen einen Blinddarmdurchbruch, den er nicht überlebte. Schon bald nach seinem Tod wurde er vielfach verehrt. Am 9. Oktober 2005 wurde von Galen dann im Petersdom selig gesprochen.

„Besonders wir Deutschen sind dankbar, dass uns der Herr diesen großen Zeugen des Glaubens geschenkt hat, der den Mut des Widerstands gegen die Macht der Tyrannei gezeigt hat“

„Wir alle und besonders wir Deutschen sind dankbar, dass uns der Herr diesen großen Zeugen des Glaubens geschenkt hat, der in finsterer Zeit das Licht der Wahrheit aufgerichtet und den Mut des Widerstands gegen die Macht der Tyrannei gezeigt hat. Aber wir sollen uns auch fragen: Von woher kam ihm diese Einsicht in einer Zeit, in der gescheite Leute der Verblendung verfielen? Und von woher kam ihm die Kraft zum Widerstand in einem Augenblick, in dem auch starke Menschen sich schwach und feige gezeigt haben?“

fragte Benedikt XVI. zum Ende der Seligsprechungsfeier von Galens in einer kurzen Ansprache auf Deutsch. Mit der Biographie des „Löwen von Münster“ hatte der bayerische Papst sich übrigens bereits von 1963 bis 1966 – damals war Joseph Ratzinger Theologieprofessor in Münster – genauer befasst. Woher die Kraft des Bischofs zum Widerstand kam, ist für Benedikt XVI. klar: Aus dem Glauben, „der ihm die Wahrheit gezeigt, das Herz und die Augen dafür geöffnet hat, und weil er Gott mehr fürchtete als die Menschen“, beschrieb er es. Nicht umsonst lautete das Motto des neuen Seligen „Nec laudibus, nec timore“.

Furchtloser Hirte und Beispiel der einfachen Katholizität

Beim Angelus am Tag der Seligsprechung würdigte Benedikt XVI. Den deutschen Bischof als „furchtlosen Hirten“, der im Namen Gottes „die neuheidnische Ideologie des Nationalsozialismus“ verurteilte:

„Der Glaube beschränkt sich nicht auf ein privates Empfinden, das man gegebenenfalls verheimlicht, wenn es unbequem wird“

„Genau dies ist die stets aktuelle Botschaft des Seligen von Galen: Der Glaube beschränkt sich nicht auf ein privates Empfinden, das man gegebenenfalls verheimlicht, wenn es unbequem wird, sondern er erfordert Konsequenz und Zeugnis auch in der Öffentlichkeit zugunsten des Menschen, der Gerechtigkeit und der Wahrheit.“

Wichtig war Benedikt XVI. mit Blick auf von Galen und dessen Glaube auch ein weiterer Aspekt: Die „einfache Katholizität“. Der starke Glaube des Löwen von Münster zeigte sich für den Papst nämlich auch in vielen schlichten und demütigen Dingen:

„Denken wir daran, dass er sehr oft zu Fuß zur Muttergottes nach Telgte gepilgert ist“

„Denken wir daran, dass er sehr oft zu Fuß zur Muttergottes nach Telgte gepilgert ist, dass er die Ewige Anbetung in Sankt Servatius in Münster eingeführt hat, dass er oft im Sakrament der Buße die Gnade der Vergebung erbeten und geschenkt bekommen hat. So zeigt er uns diese einfache Katholizität, in der der Herr uns begegnet, in der er uns das Herz aufmacht und uns so Unterscheidung der Geister, Mut des Glaubens und die Freude daran gibt, dass wir Erlöste sind.

Wir danken dem Herrn für diesen großen Zeugen und bitten darum, dass er uns leuchte und führe. Seliger Kardinal Graf von Galen, bitte gerade in dieser Stunde für uns, für die Kirche in Deutschland und in der ganzen Welt. Amen.“

Hildegard von Bingen. Die Benediktinerin starb am 17. September 1179 auf dem Rupertsberg bei Bingen am Rhein
Hildegard von Bingen. Die Benediktinerin starb am 17. September 1179 auf dem Rupertsberg bei Bingen am Rhein

Die heilige Hildegard von Bingen  (um 1098 -1179)

Während die Seligsprechung von Galens den üblichen Ver- und Ablauf genommen hatte, gab es im Pontifikat Benedikts XVI. auch eine ungewöhnliche Heiligsprechung. Und zwar die Hildegard von Bingens. Die Ordensfrau aus Rheinhessen, bekannt als große Mystikerin des Mittelalters, hatte viele Talente. Sie war nicht nur Seherin, sondern auch Theologin, Äbtissin, Dichterin, Musikerin, Medizinerin und kannte sich in Kräuterkunde aus. Eine außergewöhnliche Frau, die sowohl zu Lebzeiten sowie auch nach ihrem Tod vielerorts als Heilige verehrt wurde.  

„Eine der großen deutschen Frauen“

Auch Benedikt XVI. schätzte die Benediktinerin und „deutsche Prophetin“ sehr – und er war von ihrer Heiligkeit überzeugt. Dies kam auch in seiner Katechesereihe über Heilige bei seinen Generalaudienzen 2010 zum Ausdruck:

„Sie scheute sich nicht, die Bischöfe und die Fürsten zu einem ernsthaften Leben in der Nachfolge Christi zu ermahnen“

„In der heutigen Katechese habe ich eben über eine der großen deutschen Frauen, die heilige Hildegard von Bingen, gesprochen, die nicht nur eine große Mystikerin war, sondern auch Ratgeberin von Bischöfen und Fürsten, weil sie die Zeichen der Zeit zu deuten vermochte. Sie scheute sich nicht, die Bischöfe und die Fürsten zu einem ernsthaften Leben in der Nachfolge Christi zu ermahnen“,

würdigte Papst Benedikt XVI. Hildegard von Bingen etwa bei seiner Generalaudienz am 1. September 2010. Ganz selbstverständlich sprach er hier übrigens von der heiligen Hildegard - obwohl das offizielle Heiligsprechungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen war.

Heiligsprechung durch die Hintertür

Da der offizielle Prozess ins Stocken geraten war, der deutsche Papst aber von der Heiligkeit der Mystikerin vom Rhein überzeugt, klärte er diese Frage persönlich. Im Mai 2012 griff Benedikt XVI. zur so genannten äquivalenten Heiligsprechung – ein Verfahren, das ihm ermöglichte, Hildegard von Bingen ohne förmlichen Heiligsprechungsprozess in den amtlichen Heiligenkalender der Gesamtkirche aufzunehmen. Doch damit nicht genug: Am 7. Oktober des selben Jahres erklärte er sie auch zur Kirchenlehrerin:

„Der Herr schenkte ihr einen prophetischen Geist und eine leidenschaftliche Fähigkeit, die Zeichen der Zeit zu unterscheiden“

Kurz darauf: Kirchenlehrerin

„Die heilige Hildegard von Bingen, eine bedeutende weibliche Gestalt des 12. Jahrhunderts, hat ihren wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Kirche ihrer Zeit geleistet, indem sie ihre von Gott erhaltenen Gaben zur Geltung brachte, wobei sie sich als eine Frau von lebhafter Intelligenz, tiefer Sensibilität und anerkannter geistlicher Autorität erwies. Der Herr schenkte ihr einen prophetischen Geist und eine leidenschaftliche Fähigkeit, die Zeichen der Zeit zu unterscheiden. Hildegard besaß eine ausgeprägte Liebe zur Schöpfung und beschäftigte sich mit Medizin, Dichtung und Musik. Vor allem bewahrte sie immer eine große und treue Liebe zu Christus und seiner Kirche“, erklärte Benedikt XVI. in seiner Predigt während der heiligen Messe zur Eröffnung der Bischofssynode über die Neuevangelisierung im Herbst 2012, die er geschickt mit der Ernennung der Heiligen zur Kirchenlehrerin der Gesamtkirche verknüpft hatte.

So kam Hildegard dann doch noch zu einer großen Messe. Die Mystikerin erhob Benedikt übrigens als vierte Frau unter zahlreichen Männern zur Kirchenlehrerin. Er selbst betonte, dies habe „große Bedeutung für die heutige Welt und außerordentliche Bedeutung für die Frauen.“ Die heilige Hildegard von Bingen sei Beispiel der „Anwesenheit der Frau in der Kirche und in der Gesellschaft“ sowie „glaubwürdige Zeugin der Neuevangelisierung“, so Benedikt XVI. in seinem Apostolischen Schreiben zur Ernennung der heiligen Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin.

Statue von Papst Johannes Paul II. in Kaunas, Litauen
Statue von Papst Johannes Paul II. in Kaunas, Litauen

Der heilige Johannes Paul II. (1920-2005)

„Santo subito“ – sofort heilig – forderten die Gläubigen auf dem Petersplatz im April 2005, nach dem Tod Johannes Pauls II. Sofort - so schnell ging es dann zwar nicht, aber für katholische Verhältnisse doch sehr flott. Das lag auch am Nachfolger des polnischen Pontifex, Papst Benedikt XVI., der über den Tod Johannes Pauls II. sagte:

„Schon an jenem Tag spürten wir den Duft seiner Heiligkeit ausströmen“

„Schon an jenem Tag spürten wir den Duft seiner Heiligkeit ausströmen, und das Volk Gottes hat auf viele Weisen seine Verehrung für ihn zum Ausdruck gebracht. Daher wollte ich, daß sein Seligsprechungsprozeß unter entsprechender Beachtung der Vorschriften der Kirche ziemlich rasch vorangehen konnte. Und heute ist der erwartete Tag gekommen; er ist schnell gekommen, weil es dem Herrn so gefallen hat: Johannes Paul II. ist selig!“

Diese Worte sprach Benedikt XVI. unter großem Applaus in der Predigt bei der Seligsprechungsmesse für Papst Johannes Paul II. am 1. Mai 2011 auf dem Petersplatz. Dass ein Papst seinen Vorgänger im Amt nur sechs Jahre nach dessen Tod im Petrusamt selig sprach, war eine kirchliche Premiere. Möglich gemacht hatte dies die Aufhebung eigentlich vorgeschriebener Wartefristen für die Aufnahme des Seligsprechungsverfahrens. An diesem Tempo gab es schon damals auch Kritik. Benedikt XVI. verwies jedoch auf den deutlichen „Duft der Heiligkeit“ und den Willen Gottes - ebenso wie auf das Leben und Wirken Johannes Pauls II.

Beispielhaftes Beten und Zeugnis im Leiden

In seiner Predigt bei der Seligsprechungsfeier verriet Benedikt XVI., der als Präfekt der Glaubenskongregation mehr als 20 Jahre lang auch enger Mitarbeiter des polnischen Papstes gewesen war, auch was er persönlich besonders an seinem Vorgänger schätzte:

„Der Herr hat ihm allmählich alles genommen, aber er ist stets der ,Fels‘ geblieben, wie Christus es gewollt hat“

„Sein beispielhaftes Beten hat mich immer berührt und erbaut: Er tauchte ein in die Begegnung mit Gott, auch inmitten der vielfältigen Obliegenheiten seines Dienstes. Und dann sein Zeugnis im Leiden: Der Herr hat ihm allmählich alles genommen, aber er ist stets der ,Fels‘ geblieben, wie Christus es gewollt hat. Seine tiefe Demut, die in der inneren Einheit mit Christus wurzelte, hat es ihm erlaubt, die Kirche weiter zu leiten und der Welt eine noch beredtere Botschaft zu geben – gerade in der Zeit, als seine physischen Kräfte abnahmen. So hat er in einzigartiger Weise die Berufung eines jeden Priesters und Bischofs verwirklicht: ganz eins zu werden mit jenem Jesus, den er täglich in der Kirche empfängt und darbringt. “

Heilig gesprochen hat Papst Johannes Paul II. Papst Franziskus im Jahr 2014. An der Messe auf dem Petersplatz nahm auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. teil, der Johannes Paul II. selig gesprochen hatte
Heilig gesprochen hat Papst Johannes Paul II. Papst Franziskus im Jahr 2014. An der Messe auf dem Petersplatz nahm auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. teil, der Johannes Paul II. selig gesprochen hatte

Wie Johannes Paul II. in allen Situationen, auch noch als schwer geschwächter Mann, den Glauben bezeugte war für Benedikt XVI. also einzigartig. Ebenso würdigte er den Elan und die Nähe des polnischen Papstes zum Volk:

„Der selige Papst Johannes Paul II. steht uns noch lebendig vor Augen, wie er uns die Frische des Evangeliums verkündet und die Barmherzigkeit Gottes und die Liebe Christi in seinem Wirken verkörpert hat. Bitten wir den neuen Seligen, daß auch wir frohe Zeugen der Gegenwart Christi in der Welt sind. Der Frieden des Auferstandenen geleite euch auf allen Wegen.

Mit diesen Worten wandte sich Benedikt XVI. an die deutschsprachigen Pilger beim Regina Coeli nach der Seligsprechung Johannes Pauls II. am 1. Mai 2011 auf dem Petersplatz. Heiliggesprochen hat den polnischen Papst schließlich im Jahr 2014 Papst Franziskus.

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(vatican news - sst)

 

 

 

 

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13. Dezember 2020, 10:14