Papst Franziskus bei der Messe im Petersdom Papst Franziskus bei der Messe im Petersdom  

Hochfest Epiphanie: Papst ermutigt zu „gläubigem Realismus“

Den Blick weiten, sich verändern lassen und den Herrn im Verborgenen und Unscheinbaren erkennen – dazu hat Franziskus am Hochfest Epiphanie ermutigt. Bei einer Messe im Petersdom rief er dazu auf, Hoffnungslosigkeit und Ichbezogenheit abzulegen und einen „gläubigen Realismus“ zu kultivieren. „Das Leben ist keine Talentshow, sondern eine Reise zu dem, der uns liebt", erinnerte der Papst.

Anne Preckel - Vatikanstadt

„In unserer Zeit ist es besonders notwendig, dass wir sowohl als Einzelne wie auch als Gemeinschaft mehr Zeit der Anbetung widmen und mehr und mehr lernen, dem Herrn in einer kontemplativen Haltung zu begegnen“, begann Franziskus seine Predigt. An der Messe, die am Kathedra-Altar im Petersdom stattfand, nahmen aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nur einige Dutzend Gläubige teil.

Die Sterndeuter aus dem Morgenland, die dem Jesuskind und seiner Mutter im Stall von Bethlehem huldigten, hätten uns einiges zu lehren, so Franziskus mit Verweis auf die Erzählung aus dem Matthäusevangelium (Mt 2,11). Mit drei Begriffen erläuterte der Papst dann, was zu einer solchen Haltung gehöre - „die Augen erheben“, „aufbrechen“ und „sehen“.

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Von der Diktatur des Ich befreien

„Erhebe deine Augen ringsum und sieh“ - mit diesen Worten ermutigte der Prophet Jesaja die Gemeinde von Jerusalem, die gerade aus dem Exil zurückgekehrt und wegen großer Schwierigkeiten entmutigt war (60,4). Es war „eine Einladung, die Müdigkeit und das Klagen abzulegen, aus den Zwängen einer verengten Sicht auszubrechen und sich von der Diktatur des eigenen Ich zu befreien, das immer dazu neigt, sich auf sich selbst und die eigenen Sorgen zurückzuziehen“, verdeutlichte der Papst.

„Um den Herrn anzubeten, muss man vor allem ,die Augen erheben‘, das heißt, sich nicht von inneren Fantasiegebilden gefangen nehmen lassen, welche die Hoffnung auslöschen, und Probleme und Schwierigkeiten nicht zum Mittelpunkt der eigenen Existenz zu machen. Das bedeutet nicht, die Realität zu verleugnen und so zu tun oder sich einzubilden, dass alles gut läuft. Es geht vielmehr darum, Probleme und Ängste auf eine neue Art und Weise zu betrachten und dabei zu wissen, dass der Herr unsere schwierigen Situationen kennt, unsere Bitten aufmerksam anhört und den Tränen, die wir vergießen, nicht gleichgültig gegenübersteht.“

Den Kreis vorgefasster Meinungen durchbrechen

Aus dieser vertrauensvollen Haltung entstehe „kindliche Dankbarkeit“, fuhr der Papst fort, Dankbarkeit, die das Herz zur Anbetung öffne. Sich allein auf Probleme zu konzentrieren, führe hingegen zu „Ärger, Verwirrung, Angst und Depression“, warnte Franziskus. Diesen „Kreis vorgefasster Meinungen“ gelte es zu durchbrechen – in dem Wissen, „dass die Wirklichkeit unsere Gedanken übersteigt“.

Die Probleme des Lebens verschwänden damit nicht, präzisierte der Papst: „Aber wir spüren, dass der Herr uns die nötige Kraft gibt, ihnen zu begegnen. ,Die Augen erheben‘ ist also der erste Schritt, der uns auf die Anbetung vorbereitet, die Anbetung des Jüngers, der in Gott eine neue, andere Freude entdeckt hat.“ Nicht auf dem „Besitz von Gütern, Erfolg oder anderen ähnlichen Dingen“ basiere diese Freude, sondern „auf der Treue Gottes, dessen Verheißungen niemals fehlschlagen, trotz der Krisensituationen, in denen wir uns befinden mögen“.

Bereitschaft zur Verwandlung und Offenheit

Zur Haltung der Anbetung gehöre weiter die Bereitschaft, aufzubrechen, kam der Papst auf den zweiten Schlüsselbegriff zu sprechen. Die Sterndeuter nahmen eine lange Reise auf sich, bevor sie das Jesuskind sehen konnten. Die Begegnung mit dem Herrn geschehe durch inneres Reifen, durch die Bereitschaft zu Veränderung, erläuterte der Papst.

„Nach einer Reise ist man nicht mehr derselbe wie vorher. In denen, die einen Weg gegangen sind, findet immer eine Veränderung statt. Ihr Wissen hat sich erweitert, sie haben neue Menschen und Dinge gesehen, sie haben erlebt, wie der Willen durch die Konfrontation mit den Schwierigkeiten und Gefahren einer Reise stärker wird.“

„Misserfolge, Krisen und Fehler“ könnten auf diese Weise zu „lehrreichen Erfahrungen“ werden, betonte der Papst. Fortschritte würden hier in dem Maße gemacht, in dem sich ein Mensch „von der Gnade formen“ lasse, Prüfungen und Mühen des Lebens aus dem Glauben heraus lebe und damit demütiger und offener für Gott werde. Auch Sünden könnten zum geistlichen Wachstum führen, wenn sie bereut würden, ergänzte Franziskus - es gehe um die innere Haltung, die wir dazu einnähmen. 

„Das Leben ist keine Talentshow, sondern eine Reise zu dem, der uns liebt.“

„Wie die Sterndeuter müssen auch wir dazu bereit sein, aus unserem Lebensweg, der von den unausweichlichen Schwierigkeiten einer Reise geprägt ist, Lehren zu ziehen. Lassen wir nicht zu, dass Müdigkeit, Niederlagen und Misserfolge uns in Entmutigung stürzen. Indem wir sie demütig anerkennen, müssen wir sie in Gelegenheiten verwandeln, um auf unserem Weg zum Herrn voranzukommen. Das Leben ist keine Talentshow, sondern eine Reise zu dem, der uns liebt: Wenn wir auf den Herrn schauen, werden wir die Kraft finden, mit neuer Freude weiterzumachen.“

Den Herrn im Verborgenen erkennen

Anhand des Bildes, das sich den Sterndeutern im Stall von Bethlehem bot, verdeutlichte der Papst die Bedeutung des dritten Aspektes – „sehen“. Die weit gereisten Weisen sahen ein armes Kind mit seiner Mutter und erkannten darin die Ankunft des Herrn. Sie waren in den Lage dazu, „über den äußeren Schein hinaus zu sehen“. Herodes und die Honoratioren von Jerusalem aber liefen allein den Attraktionen und Sensationen der Welt hinterher, sie maßen nur „Dingen, die die Aufmerksamkeit der Mehrheit auf sich ziehen“, Wert bei, unterschied Franziskus. Und er ermutigte dazu, sich den „gläubigen Realismus“ der Sterndeuter anzueignen, die hoffnungsvoll und demütig dem Licht über der Krippe folgten, um den Herrn zu finden.

„Es geht um einen Blick, der sich nicht vom Feuerwerk des Exhibitionismus blenden lässt, sondern nach dem sucht, was unvergänglich ist.“

„Dieser nimmt die Wirklichkeit der Dinge objektiv wahr und gelangt schließlich zu der Einsicht, dass Gott jede Zurschaustellung scheut. Diese Art des ,Sehens‘, die über das Sichtbare übersteigt, lässt uns den Herrn anbeten, der oft in einfachen Situationen, in demütigen und am Rande stehenden Menschen verborgen ist. Es geht also um einen Blick, der sich nicht vom Feuerwerk des Exhibitionismus blenden lässt, sondern bei jeder Gelegenheit nach dem sucht, was unvergänglich ist (…) Möge Jesus, der Herr, uns zu Menschen machen, die ihn wirklich anbeten, die fähig sind, durch ihr Leben seinen Plan der Liebe, der die ganze Menschheit umfasst, sichtbar zu machen.“

Eindrücke von der Papstmesse

Reduzierte Zahl von Gläubigen

Coronabedingt nahmen außer 20 Kardinälen nur etwa 70 Gläubige an der Messe teil. Erstmals seit der Christmette an Heiligabend leitete Papst Franziskus wieder einen öffentlichen Gottesdienst. Den Zeremonien zum Jahreswechsel musste Franziskus wegen eines Ischias-Leidens fernbleiben. 

(vatican news – pr)
 

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06. Januar 2021, 10:45