Papst beim Angelus: Gott hält keinen „Sicherheitsabstand“ ein
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Bei seinen Überlegungen ging Papst Franziskus vom Tagesevangelium (Mk 1,40-45) aus, in dem beschrieben wird, wie Jesus einen Leprakranken heilt.
„Aussätzige galten als unrein und mussten nach den Vorschriften des Gesetzes außerhalb der Stadt bleiben. Sie waren von jeder menschlichen, sozialen und religiösen Beziehung ausgeschlossen. Sie konnten zum Beispiel nicht die Synagoge oder den Tempel betreten. Jesus aber lässt sich von diesem Mann ansprechen; er ist bewegt, ja er streckt sogar seine Hand aus und berührt ihn. Das ist damals unvorstellbar.“
Aussätzige waren damals von der Gesellschaft ausgestoßen, mussten sogar eine Warnklapper benutzen, um die Gesunden davor zu warnen, sich ihnen zu nähern. Die Menschen machten um Aussätzige normalerweise einen großen Bogen – nicht aber Jesus. Dass er nicht wegging, ja sogar mit ihm sprach, war für den Aussätzigen kaum zu glauben. Und so hatte er den Mut, Jesus zu bitten, ihn gesund zu machen. Und genau das tat Jesus auch.
Drei Worte, die den Stil Gottes zeigen
„Auf diese Weise erfüllt er die Frohe Botschaft, die er verkündet: Gott ist unserem Leben nahe gekommen; er hat Mitleid mit dem Schicksal der verwundeten Menschheit und er kommt, um jede Barriere niederzureißen, die uns daran hindert, unsere Beziehung zu ihm, zu den anderen und zu uns selbst zu leben,“ so Franziskus.
Gott sei uns „nahegekommen“, insistierte der Papst und wich von seinem vorbereiteten Redetext ab: „Nähe – erinnert euch gut an dieses Wort. Nähe; Mitleid… Und Zärtlichkeit. Drei Worte, die den Stil Gottes anzeigen. Nähe, Mitleid, Zärtlichkeit.“ Ganz zum Schluss, nach dem Angelusgebet, ließ er die Menschen auf dem Petersplatz die drei Begriffe noch einmal wiederholen, die aus seiner Sicht den „Stil Gottes“ zeigen.
Aber nicht nur Jesus habe gegen ein gesellschaftliches Tabu verstoßen, als er den Aussätzigen berührte – auch der Aussätzige habe eine „Übertretung“ begangen, weil er seine Isolation verlassen, sich Jesus genähert habe.
„Seine Krankheit gilt als Strafe Gottes, in Jesus aber kann er ein anderes Antlitz Gottes sehen: nicht den Gott, der züchtigt, sondern den Vater des Mitgefühls und der Liebe, der uns von der Sünde befreit und uns niemals seiner Barmherzigkeit beraubt,“ sagte der Papst und erinnerte daran, dass es auch heute noch viele Menschen gebe, die wegen Krankheiten oder ihrer Lebensumstände von der Gesellschaft gemieden würden.
Während wir aus Egoismus oder Angst mit dem Leid anderer oft lieber nichts zu tun haben wollten, kenne Gott keine Berührungsängste, erklärte Franziskus mit Blick auf das Tagesevangelium: „Jesus zeigt uns, dass Gott nicht gleichgültig ist, keinen ‘Sicherheitsabstand̓’ einhält. Im Gegenteil: Er nähert sich voller Mitgefühl und berührt unser Leben, um es mit Zärtlichkeit zu heilen.“ „Habt keine Angst vor der Zärtlichkeit“ – mit diesem Ruf hatte Franziskus im März 2013, in der Predigt bei seiner Amtseinführung, sein Pontifikat begonnen.
„Jesus verkündet uns, dass Gott keine Idee, keine abstrakte Lehre ist, sondern derjenige, der sich von unserem verwundeten Menschsein „anstecken lässt“ und keine Angst hat, mit unseren Wunden in Berührung zu kommen. Aber Pater, was sagen Sie da? Gott lässt sich anstecken? – Das sage nicht ich, das sagt der hl. Paulus: „Er ist für uns zur Sünde geworden…“
Abschließend gab Franziskus seinen Zuhörern noch folgenden Rat mit auf den Weg:
„Bitten wir den Herrn um die Gnade, diese beiden „Übertretungen“ des Evangeliums von heute zu leben. Die des Aussätzigen, damit wir den Mut haben, vor Jesus zu treten, so wie wir sind. Herr, ich bin so... Und dann die Übertretung Jesu: eine Liebe, die uns über alle Konventionen hinausgehen, uns Vorurteile und die Angst vor der Einmischung in das Leben der anderen überwinden lässt. Lernen wir, Übertreter wie diese beiden zu sein – wie der Aussätzige und wie Jesus!“
(vaticannews – skr)
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