Im Wortlaut: Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz
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Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Wir sind schon in die spirituelle Atmosphäre der Karwoche eingetaucht und stehen unmittelbar vor dem österlichen Triduum. Von morgen bis Sonntag erleben wir die zentralen Tage des liturgischen Jahres, in denen wir das Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn feiern. Und dieses Geheimnis leben wir jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern. Wenn wir in die Messe gehen, gehen wir nicht nur zum Beten: Nein, wir gehen dieses Geheimnis erneuern, das österliche Geheimnis. Es ist wichtig, das nicht zu vergessen. Es ist, als gingen wir zum Kalvarienberg: das ist das gleiche. Um das österliche Geheimnis zu erneuern.
Am Abend des Gründonnerstags, wenn wir in das österliche Triduum eintreten, werden wir in der Messe „in coena Domini“, das heißt in der Messe, in der an das letzte Abendmahl erinnern, daran, was beim letzten Abendmahl, dort, geschah, dieses nachempfinden. Es ist der Abend, an dem Christus seinen Jüngern in der Eucharistie das Testament seiner Liebe hinterlassen hat - aber nicht als Erinnerung, sondern als Gedächtnis, als seine ewige Gegenwart. Jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern, erneuert sich dieses Geheimnis der Erlösung, wie ich zu Beginn gesagt habe. In diesem Sakrament hat Jesus das Opfer - das Osterlamm - durch sich selbst ersetzt: Sein Leib und sein Blut schenken uns Erlösung von der Sklaverei der Sünde und des Todes. Die Erlösung von jeder Art von Sklaverei liegt dort. Es ist der Abend, an dem er uns auffordert, einander zu lieben, indem wir einander zu Dienern werden, wie er es bei der Fußwaschung der Jünger vormachte. Das ist eine Geste, die die blutige Opfergabe am Kreuz vorwegnimmt, welches eine Handlung des Dienstes an uns allen war, denn mit diesem Dienst seines Opfers hat er uns alle erlöst. Tatsächlich wird der Meister und Herr am Tag danach sterben, um nicht die Füße, sondern die Herzen und das Leben seiner Jünger rein zu machen.
Karfreitag ist ein Tag der Buße, des Fastens und des Gebets. Durch die Texte der Heiligen Schrift und die liturgischen Gebete werden wir gleichsam mit auf dem Kalvarienberg stehen, um der Passion und des Erlösertodes Jesu Christi zu gedenken. In dem intensiven liturgischen Ritus wird uns das Kruzifix zur Verehrung vorgelegt. Wenn wir das Kreuz verehren, werden wir den Weg des unschuldigen Lammes, das für unsere Erlösung geopfert wurde, noch einmal miterleben. Wir werden in unseren Gedanken und Herzen die Leiden der Kranken, der Armen, der Ausgestoßenen dieser Welt tragen; wir werden uns an die ‚geopferten Lämmer‘ erinnern, an die unschuldigen Opfer von Kriegen, Diktaturen, täglicher Gewalt, Abtreibungen... Vor das Bild des gekreuzigten Gottes werden wir im Gebet die vielen, allzu vielen Gekreuzigten von heute bringen, die nur von ihm den Trost und den Sinn ihres Leidens empfangen können. Und heute gibt es viele von Ihnen. Vergessen wir nicht die Gekreuzigten von heute, die das Abbild Jesu sind, und in ihnen ist Jesus.
Seit Jesus die Wunden der Menschheit und den Tod selbst auf sich genommen hat, hat Gottes Liebe diese unsere Wüsten bewässert, diese unsere Dunkelheiten erhellt. Denn die Welt ist in der Dunkelheit. Denken wir an alle Kriege, die in diesem Moment geführt werden, an alle Kinder, die hungers sterben, die Kinder, die keine Ausbildung haben, ganze Völker, die durch den Krieg und durch den Terroismus zerstört werden. An die vielen Menschen, die Drogen brauchen, um sich ein bisschen besser zu fühlen, die Drogenindustrie, die tötet... Das ist ein Unglück, das ist Wüste. Es gibt kleine Inseln des Gottesvolkes, seien sie Christen oder jeder anderer Religion, die in ihrem Herzen den Willen bewahren, besser zu sein. Aber sagen wir uns die Wahrheit: Auf diesem Kalvarienberg des Todes ist es Jesus, der in seinen Jüngern leidet.
Während seines Wirkens hat der Sohn Gottes das Leben mit vollen Händen ausgegossen, hat geheilt, vergeben, auferweckt... Jetzt, in der Stunde des höchsten Opfers am Kreuz, bringt er das ihm vom Vater anvertraute Werk zur Vollendung: Er tritt in den Abgrund des Leidens ein, er tritt genau in das Leiden, in diese Unglücke der Welt, um sie zu erlösen und zu verwandeln. Und auch, um jeden von uns von der Macht der Dunkelheit zu erlösen, vom Hochmut, vom Widerstand dagegen, geliebt zu werden, von Gott geliebt zu werden. Nur die Liebe Gottes kann dies tun. Durch seine Wunden sind wir geheilt, sagt der Apostel Petrus (vgl. 1 Petr 2,24), durch seinen Tod sind wir wiedergeboren, wir alle. Dank ihm, der am Kreuz alleingelassen wurde, ist niemand mehr allein in der Dunkelheit des Todes. Er ist immer neben uns. Man muss nur das Herz öffnen und sich von Ihm anschauen lassen.
Der Karsamstag ist der Tag der Stille, tiefes Schweigen liegt über der ganzen Erde: ein Schweigen, das die ersten Jünger, schockiert über den schändlichen Tod Jesu, weinend und fassungslos erlebten. Während die Worte verstummen, während das Leben im Grab liegt, werden die, die auf ihn gehofft hatten, auf die Probe gestellt; sie fühlen sich als Waisen, vielleicht gar als Waisen Gottes. Dieser Samstag ist auch der Tag Mariens: Auch sie lebt ihn unter Tränen, aber ihr Herz ist voller Glaube, voller Hoffnung, voller Liebe. Die Mutter war ihrem Sohn auf dem Leidensweg gefolgt und war am Fuß des Kreuzes geblieben, mit durchbohrter Seele. Aber als alles vorbei zu sein scheint, hält sie Wache: Sie hält die Hoffnung aufrecht auf die Verheißung Gottes, der die Toten auferweckt. So wurde sie in der dunkelsten Stunde der Welt zur Mutter der Gläubigen, zur Mutter der Kirche und zum Zeichen der Hoffnung. Ihr Zeugnis und ihre Fürbitte stützen uns, wenn die Last des Kreuzes zu schwer für uns wird. Für jeden von uns.
In die Dunkelheit des Karsamstags brechen mit den Riten der Osternacht und dem festlichen Gesang des Halleluja Freude und Licht ein. Das wird, im Glauben, eine Begegnung mit dem auferstandenen Christus sein, und die Osterfreude wird in den fünfzig Tagen, die darauf folgen, weiter anhalten, bis zum Kommen des Heiligen Geistes. Er, der gekreuzigt wurde, ist auferstanden! Alle Fragen und Unsicherheiten, Zögerlichkeiten und Ängste werden durch diese Offenbarung zerstreut. Der Auferstandene gibt uns die Gewissheit, dass das Gute immer über das Böse triumphiert, dass das Leben immer den Tod besiegt und unser Ziel nicht darin besteht, immer tiefer hinabzusteigen, von Traurigkeit zu Traurigkeit, sondern in die Höhe zu steigen. Der auferstandene Herr ist die Bestätigung, dass Jesus in allem Recht hat: in der Verheißung des Lebens über den Tod hinaus, und in der Vergebung über die Sünden hinaus. Die Jünger zweifelten, sie glaubten nicht. Die erste, die glaubte, war Maria Magdalena. Sie war die Jüngerin der Auferstehung, die erzählt hat, dass sie Jesus gesehen hat, dass er sie beim Namen gerufen hat. Und dann haben alle Jünger es gesehen. Aber ich möchte gerne darüber nachdenken: die Wachen, die Soldaten, die im Grab waren, damit die Jünger nicht kämen und den Körper mitnähmen, haben es gesehen: sie haben ihn lebend und auferstanden gesehen. Die Feinde haben es gesehen. Und dann haben sie so getan, als hätten sie es nicht gesehen. Warum? Weil sie bezahlt wurden. Hier liegt das Geheimnis, das wahre Geheimnis dessen, was Jesus einmal gesagt hat: Es gibt zwei Herren in der Welt, zwei, und nicht mehr. Gott und das Geld. Wer dem Geld dient, ist gegen Gott. Und hier hat das Geld die Wahrheit verdreht. Sie hatten das Wunder der Auferstehung gesehen, aber sie sind bezahlt worden, um zu schweigen. Denken wir an die vielen Male, die christliche Männer und Frauen bezahlt wurden, um in der Handlung nicht die Auferstehung Jesu anzuerkennen und die nicht das tun, was Christus uns als Christen aufgetragen hat.
Liebe Brüder und Schwestern, auch in diesem Jahr werden wir die Osterfeiern im Kontext der Pandemie erleben. In so vielen Situationen des Leidens, besonders wenn sie von Einzelpersonen, Familien und Völkern durchlitten werden, die ohnehin schon von Armut, Unglück oder Konflikten geplagt sind, ist das Kreuz Christi wie ein Leuchtturm, der den Schiffen, die in stürmischer See noch unterwegs sind, den Hafen weist. Es ist das Zeichen der Hoffnung, die nicht enttäuscht; und es sagt uns, dass nicht einmal eine Träne, nicht einmal ein Stöhnen in Gottes Heilsplan verloren sind. Bitten wir den Herrn um die Gnade, zu dienen, diesen Herrn zu erkennen und uns nicht bezahlen zu lassen, um das zu vergessen.
(vatican news - sk)
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