Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Heute sprechen wir über die Gebetsform der Meditation. Für einen Christen bedeutet „meditieren“ vor allem ein Suchen: Es bedeutet, sich das große Kapitel der Offenbarung vor Augen zu halten, um zu versuchen, es uns zueigen zu machen, es ganz anzunehmen. Und der Christ, der das Wort Gottes vernommen hat, behält es nicht für sich, denn dieses Wort muss auf ein „anderes Buch“ treffen, das der Katechismus das „Buch des Lebens“ nennt (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2706). Das ist es, was wir jedes Mal versuchen, wenn wir über das Wort meditieren.
Meditieren, ein Suchen
Der Praxis der Meditation wird in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht nur Christen sprechen davon: In fast allen Religionen der Welt wird Meditation praktiziert. Aber es ist auch eine weit verbreitete Aktivität unter Menschen, die keine religiöse Vision des Lebens haben. Wir alle haben das Bedürfnis zu meditieren, nachzudenken, zu uns selbst zu finden; das ist eine menschliche Dynamik. Besonders in der schnelllebigen westlichen Welt suchen die Menschen die Meditation, weil sie uns gegen den Stress und die nur allzu verbreitete Leere unseres Alltags abschirmt. Daher also das Bild von Jugendlichen und Erwachsenen, die meditieren, in der Stille, mit halbgeschlossenen Augen... Aber wir können uns fragen: Was machen diese Menschen? Sie meditieren. Es ist ein Phänomen, das mit Wohlwollen zu betrachten ist: Tatsächlich sind wir nicht dazu gemacht, uns ständig abzuhetzen; wir besitzen ein Innenleben, das nicht dauernd mit Füßen getreten werden darf. Meditieren ist also ein Bedürfnis, das wir alle haben. Meditieren ist sozusagen ein Innehalten im Leben, ein Durchatmen.
Tür, durch die das Gebet geht, ist Jesus Christus
Aber wir erkennen auch, dass dieses Wort, wenn es in einem christlichen Kontext empfangen wird, eine Besonderheit annimmt, die nicht verkannt werden darf. Meditieren ist eine notwendige menschliche Dimension, aber Meditieren im christlichen Kontext geht darüber hinaus: Es ist eine Dimension, die nicht ausgelöscht werden darf. Die große Tür, durch die das Gebet eines Getauften geht, ist Jesus Christus. Für den Christen erfolgt der Eintritt in die Meditation über die Tür Christi. Auch die Praxis der Meditation folgt diesem Weg. Wenn ein Christ betet, strebt er nicht nach Selbsttransparenz, sucht nicht nach dem innersten Kern seiner selbst. Das ist legitim, aber der Christ sucht etwas anderes. Das Gebet des Christen ist vor allem Begegnung mit einem Anderen: die transzendente Begegnung mit Gott. Wenn eine Gebetserfahrung uns inneren Frieden, Selbstbeherrschung oder Klarheit über den Weg schenkt, den es einzuschlagen gilt, dann sind das sozusagen die Begleiteffekte der Gnade des christlichen Gebets, die Begegnung mit Jesus ist. Meditieren bedeutet also, von einem Satz oder einem Wort aus der Heiligen Schrift auf die Begegnung mit Jesus zuzugehen.
Heiliger Geist führt uns
Der Begriff „Meditation“ hat im Laufe der Geschichte unterschiedliche Bedeutungen gehabt. Selbst innerhalb des Christentums bezieht er sich auf unterschiedliche spirituelle Erfahrungen. Dennoch lassen sich einige gemeinsame Linien ausmachen, und dabei hilft uns wieder der Katechismus, in dem es heißt: „Die Methoden betrachtenden Gebetes sind so unterschiedlich wie die geistlichen Lehrer. […] Eine Methode aber ist nur ein Führer. So ist es wichtig, mit dem Heiligen Geist auf Christus Jesus, dem einzigen Weg des Gebetes, voranzuschreiten“ (Nr. 2707). Und hier wird auf einen Wegbegleiter hingewiesen, der uns führt: den Heiligen Geist. Christliche Meditation ist ohne den Heiligen Geist nicht möglich. Er ist es, der uns der Begegnung mit Jesus zuführt. Jesus hat gesagt: "Ich werde den Heiligen Geist zu euch senden. Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern." Und auch in der Meditation ist der Heilige Geist der Führer, der uns der Begegnung mit Jesus Christus näherbringt.
Beten ist ein Weg
Es gibt also viele Methoden der christlichen Meditation: einige sind schlicht, andere etwas komplexer; manche sprechen die intellektuelle Dimension der Person an, andere eher die Gefühle und die Vorstellungskraft. Es sind Methoden. Alle sind wichtig und es wert, geübt zu werden, insofern sie dazu beitragen können, dass die Glaubenserfahrung zu einer vollständigen Hingabe des Menschen an Gott wird: Nicht nur der Verstand des Menschen betet – und es sind auch nicht nur seine Gefühle, die beten. In frühen Zeiten pflegte man zu sagen, dass das Organ des Gebets das Herz ist. Und das bedeutet, dass es der ganze Mensch - und nicht nur einige seiner Fähigkeiten - ist, der, von seiner Mitte - dem Herzen - ausgehend, in eine Beziehung zu Gott tritt. Und deshalb dürfen wir auch nie vergessen, dass die Methode nicht das Ziel, sondern der Weg ist: Jede Gebetsmethode ist - wenn sie christlich sein soll - Teil jener Nachfolge Christi, die das Wesen unseres Glaubens ausmacht. Die Methoden der Meditation sind Wege, um zur Begegnung mit Jesus zu gelangen. Aber wenn du auf dem Weg stehen bleibst und nur auf die Straße schaust, dann wirst du Jesus nie finden. Dann machst du die Straße zu einem Gott, aber die Straße ist ein Mittel, das dich zu Jesu bringt. Der Katechismus legt hierzu fest: „Das betrachtende Gebet macht vom Denken, von der Einbildungskraft, von der Gefühlsbewegung und vom Verlangen Gebrauch. Dieser Einsatz ist notwendig, um die Wahrheiten des Glaubens zu vertiefen, die Umkehr des Herzens anzuregen und den Willen zur Nachfolge Christi zu stärken. Das christliche Gebet bemüht sich vor allem, über die "Mysterien Christi" nachzusinnen“ (Nr. 2708).
Christus steht in Beziehung zu uns
Darin also liegt die Gnade des christlichen Gebets: Christus ist nicht weit weg, er steht immer in Beziehung zu uns. Es gibt keinen Aspekt seiner göttlich-menschlichen Person, der nicht für uns ein Ort des Heils und des Glücks werden kann. Durch die Gnade des Gebets können auch wir an jedem Augenblick des irdischen Lebens Jesu Anteil haben, dank dem Heiligen Geist, der uns führt. Ihr wisst ja, dass man ohne die Führung des Heiligen Geistes nicht beten kann. Er ist es, der uns führt! Dank des Heiligen Geistes sind auch wir am Fluss Jordan anwesend, als Jesus dort eintaucht, um die Taufe zu empfangen. Auch wir sind Gäste beim Hochzeitsmahl zu Kana, wo Jesus zu Ehren des Brautpaares den besten Wein reicht. Der Heilige Geist ist es also, der uns mit diesen Mysterien Christi verbindet, weil wir in der Betrachtung Jesu die Erfahrung des Gebets machen, um uns immer enger an ihn zu binden. Auch wir sind staunende Zeugen der Tausenden von Heilungen, die der Meister gewirkt hat.
Nehmen wir das Evangelium zur Hand, meditieren wir diese Mysterien des Evangeliums und der Heilige Geist wird uns leiten, uns dort gegenwärtig sein lassen. Und im Gebet sind auch wir alle der Aussätzige, der geheilt wird, der blinde Bartimäus, der sein Augenlicht wiedererlangt; Lazarus, der aus dem Grab kommt... Auch wir sind geheilt im Gebet, so wie Bartimäus geheilt wurde und dieser andere, der Aussätzige..... Auch wir sind auferweckt, wie Lazarus auferweckt wurde, weil uns das vom Heiligen Geist geleitete Gebet dieses Mysterien des Lebens Christi wieder erleben lässt und uns der Begegnung mit Christus zuführt, dem wir - wie der Blinde - sagen: "Herr, hab Erbarmen mit mir! Hab Erbarmen!" - "Was willst du?" - "Sehen, in diesen Dialog eintreten." Es gibt keine Seite des Evangeliums, auf der nicht auch für uns Platz wäre. Die Meditation ist für uns Christen ein Weg, Jesus zu begegnen. Denn so - nur so - können wir auch wieder zu uns selbst finden. Und das bedeutet nicht, dass man sich in sich selbst verschließt, nein: Wir gehen zu Jesus und von Jesus aus zu uns selbst, geheilt, stark durch die Gnade Jesu. Jesus zu begegnen, der der Retter aller ist, auch meiner. Und das dank der Führung durch den Heiligen Geist.
(vaticannews - skr)
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