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Papst-Messe für Myanmar: Die Predigt im Wortlaut

Wir dokumentieren hier die Predigt des Papstes bei der Heiligen Messe für Myanmar, die Franziskus an diesem 7. Sonntag der Osterzeit gefeiert hat. Die offizielle Übersetzung finden Sie auf www.vatican.va.

In den letzten Stunden seines irdischen Lebens stützt sich Jesus auf das Gebet. Im schmerzlichen Moment des Abschieds von seinen Jüngern und von dieser Welt betet Jesus für seine Freunde. Er trägt im Herzen und auf seinem Leib die Sünde dieser Welt, und zugleich liebt Jesus uns weiter und betet für uns. Von Jesu Gebet lernen wir auch, wie wir die dramatischen und schmerzhaften Momente des Lebens bestehen können. Blicken wir insbesondere auf ein Verb, mit dem Jesus zum Vater betet: bewahren. Liebe Brüder und Schwestern, jetzt, wo euer geliebtes Land Myanmar von Gewalt, Konflikten und Unterdrückung gezeichnet ist, wollen wir uns fragen, was es da zu bewahren gilt.

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Zuallererst geht es darum, den Glauben zu bewahren. Wir müssen den Glauben bewahren, um nicht dem Schmerz zu erliegen und nicht in die Resignation derer zu verfallen, die keinen Ausweg mehr sehen. Noch bevor das Evangelium uns die Worte Jesu zur Betrachtung gibt, lenkt es unseren Blick auf seine Haltung: Der Evangelist sagt, dass er »seine Augen zum Himmel« erhob (Joh 17,1). Es sind die letzten Stunden seines Lebens, er spürt die Schwere der Angst angesichts des bevorstehenden Leidens, er spürt die Dunkelheit der Nacht, die über ihn hereinbrechen wird, er fühlt sich verraten und verlassen; aber eben in diesem Moment hebt Jesus seine Augen zum Himmel. Er blickt auf zu Gott. Er lässt nicht den Kopf hängen angesichts des Bösen, er lässt sich nicht vom Schmerz niederdrücken, er fällt nicht zurück in die Bitterkeit der Besiegten und Enttäuschten, sondern er blickt auf. Das hatte er auch den Seinen empfohlen: Wenn Heere in Jerusalem einfallen und die Völker erschrecken und fliehen und allenthalben Angst und Verwüstung herrschen, gerade dann »richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe« (Lk 21,28). Den Glauben zu bewahren bedeutet, den Blick zum Himmel zu erheben, während auf Erden gekämpft und unschuldiges Blut vergossen wird. Es bedeutet, nicht der Logik des Hasses und der Rache nachzugeben, sondern immer fest auf den Gott der Liebe zu blicken, der uns ruft, untereinander Brüder und Schwestern zu sein.

Das Gebet macht uns offen dafür, auch in schwierigen Zeiten auf Gott zu vertrauen, es hilft uns, trotz aller Widrigkeiten zu hoffen, es stärkt uns im täglichen Kampf. Das Gebet ist keine Flucht, es bedeutet nicht, vor den Problemen wegzulaufen. Im Gegenteil, es ist die einzige Waffe, die wir haben, um Liebe und Hoffnung zu bewahren inmitten so vieler todbringender Waffen. Es ist nicht leicht, den Blick zu erheben, wenn wir Schmerzen haben, aber der Glaube hilft uns, die Versuchung zu überwinden, uns in uns selbst zurückzuziehen! Vielleicht möchten wir protestieren und auch Gott unser Leid laut klagen. Davor sollten wir keine Angst haben, auch das ist Gebet. In bestimmten Situationen ist solch ein Gebet Gott willkommener als andere Gebete, weil es aus einem verwundeten Herzen kommt. Und der Herr hört immer den Schrei seines Volkes und wischt seine Tränen ab. Liebe Brüder und Schwestern, hört nicht auf, nach oben zu schauen. Bewahrt den Glauben!

Ein weiterer Aspekt dieses Bewahrens ist die Bewahrung der Einheit. Jesus betet zum Vater, er möge die Seinen in der Einheit bewahren. Sie »sollen eins sein« (Joh 17,21), eine Familie, in der Liebe und Geschwisterlichkeit herrschen. Er kannte die Herzen seiner Jünger; gelegentlich hatte er erlebt, wie sie darüber diskutierten, wer der Größte sei, wer am meisten zu sagen habe. Dies ist eine tödliche Krankheit: die Spaltung. Wir erleben das in unseren Herzen, weil wir oft sogar in uns selbst gespalten sind; wir erleben das in Familien, in Gemeinschaften, unter Völkern, sogar in der Kirche. Es gibt viele Sünden gegen die Einheit: Neid, Eifersucht, das Verfolgen von persönlichen Interessen statt des Wohls aller, Urteile gegen andere. Und diese kleinen Konflikte, die es unter uns gibt, spiegeln sich dann in den großen Konflikten wider, wie zum Beispiel dem, den euer Land in diesen Tagen erlebt. Wenn Interessen einzelner Gruppen, wenn Profit- und Machtstreben die Oberhand gewinnen, kommt es immer zu Auseinandersetzungen und Spaltungen. Die letzte Empfehlung, die Jesus vor seinem Tod und seiner Auferstehung ausspricht, ist die Einheit. Denn die Spaltung kommt vom Teufel, der der Spalter ist.

Wir sind aufgerufen, die Einheit zu wahren, diese betrübte Bitte Jesu an den Vater ernst zu nehmen: eins zu sein, eine Familie zu bilden, den Mut zu haben, in Freundschaft, Liebe und Brüderlichkeit verbunden zu sein. Wie sehr bedürfen wir heute der Geschwisterlichkeit! Ich weiß, dass ihr einige politische und soziale Gegebenheiten kaum beeinflussen könnt, aber der Einsatz für Frieden und Brüderlichkeit kommt immer von unten: jeder kann im Kleinen seinen Teil dazu beitragen. Anstatt der Gewalt Nahrung zu geben, kann sich jeder nach den eigenen kleinen Möglichkeiten als Baumeister der Geschwisterlichkeit, als Sämann der Brüderlichkeit und bei der Wiederherstellung dessen, was in die Brüche gegangen ist, engagieren. Dazu sind wir aufgerufen, auch als Kirche: Fördern wir den Dialog, den Respekt vor dem anderen, die Sorge um die Brüder und Schwestern, die Gemeinschaft!

Und schließlich geht es um das Hüten der Wahrheit. Jesus bittet den Vater darum, seine Jünger, die in die Welt hinausgesandt werden, damit sie seine Mission fortzusetzen, in der Wahrheit zu heiligen. Die Wahrheit zu hüten bedeutet nicht, irgendwelche Ideen zu verteidigen, über ein System von Lehrmeinungen und Glaubenssätzen zu wachen, sondern Christus verbunden zu bleiben und seinem Evangelium geweiht zu sein. Die Wahrheit, in der Sprache des Apostels Johannes, ist Christus selbst, die Offenbarung der Liebe des Vaters. Jesus betet, dass die Jünger, die in der Welt leben, nicht den Maßstäben dieser Welt folgen. Dass sie nicht der Faszination irgendwelcher Götzen erliegen, sondern die Freundschaft mit ihm bewahren; dass sie das Evangelium nicht der menschlichen und weltlichen Logik beugen, sondern seine Botschaft unversehrt bewahren. Die Wahrheit zu bewahren bedeutet, in allen Lebenssituationen Propheten zu sein, das heißt, dem Evangelium geweiht zu sein und seine Zeugen zu sein, auch wenn das nur um den Preis zu haben ist, dass man gegen den Strom schwimmen muss. Manchmal suchen wir Christen den Kompromiss, aber das Evangelium verlangt von uns, in der Wahrheit und für die Wahrheit zu sein und unser Leben für die Anderen hinzugeben. Und dort, wo es Krieg, Gewalt und Hass gibt, bedeutet dem Evangelium treu zu sein und Handwerker des Friedens zu sein, sich zu engagieren, auch mit sozialen und politischen Entscheidungen, mit denen man sein Leben riskiert. Nur so können sich die Dinge ändern. Der Herr braucht keine lauwarmen Menschen: Er möchte, dass wir in der Wahrheit und Schönheit des Evangeliums geheiligt sind, damit wir die Freude am Reich Gottes bezeugen können, auch in der dunklen Nacht des Leidens und auch wenn das Böse scheinbar die Oberhand gewinnt.

Liebe Brüder und Schwestern, heute möchte ich die Leiden eures Volkes zum Altar des Herrn bringen und mit euch beten, dass Gott die Herzen aller zum Frieden bekehren möge. Das Gebet Jesu helfe uns, auch in schwierigen Zeiten den Glauben zu bewahren, Baumeister der Einheit zu sein, unser Leben für die Wahrheit des Evangeliums zu riskieren. Und verliert nicht die Hoffnung: Jesus betet auch weiterhin zum Vater und legt Fürsprache für uns alle ein, um uns vor dem Bösen zu bewahren und von der Macht des Bösen zu befreien.

(vatican news)

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16. Mai 2021, 10:28