Papst betet mit Kirchenführern um Frieden im Libanon
Zusammen mit ihm flehten die Führer der zehn christlichen Kirchen und Gemeinschaften des Libanon darum, dass ihr Land – einstmals ein Modell des friedlichen Zusammenlebens verschiedenster Gruppen – wieder auf die Füße kommt.
Einberufen hatte den ökumenischen Libanon-Gipfel Papst Franziskus: Den ganzen Tag über tauschte er sich mit seinen libanesischen Gästen über mögliche Wege des Landes aus der Krise aus, dann setzte das gemeinsame Gebet den Schlussakzent.
Patriarchen tragen Gebete vor
„Bei Gott allein wird ruhig meine Seele, von ihm kommt mir Rettung“: Psalm 62 ertönte auf Arabisch, als der Papst und die anderen Kirchenführer in St. Peter einzogen. Die Veranstaltung fand in der Apsis statt und war, wenn man an orientalische Gottesdienste denkt, vergleichsweise nüchtern gehalten; die Kirchenmänner trugen keine feierlichen Gewänder, sondern einfaches Schwarz - beziehungsweise, im Fall des Papstes, Weiß.
Franziskus hat schon mehrfach spezielle Gebetstage durchgeführt, etwa 2013 für Syrien und 2014 für das Heilige Land. Benedikts XVI.‘ letzte Auslandsreise führte 2012 in den Libanon; der argentinische Papst hingegen hat den Zedernstaat noch nicht bereist, plant aber eine solche Visite, wie er auch an diesem Donnerstag wieder betonte. Immerhin lebt im Libanon die größte katholische Ortskirche des Nahen Ostens; ihr Führer, der maronitische Patriarch und Kardinal Béchara Boutros Rai, war an diesem Donnerstag im Petersdom mit dabei.
Hymnus in der Sprache Jesu erklingt im Petersdom
Rai und zwei weitere Patriarchen von Antiochien (nämlich der griechisch-orthodoxe und der syrisch-orthodoxe) trugen einen Lobpreis der göttlichen Dreifaltigkeit vor; der armenische „Katholikos“ Aram I. las einen poetischen Text des mittelalterlichen Mönchs Gregor von Narek (den die katholische Kirche erst 2015 zum Kirchenlehrer erhoben hat); und der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Youssef III. (den der Papst zuletzt im März bei seiner Reise in den Irak gesehen hat) intonierte ein Friedensgebet.
Jeder der Patriarchen sprach dabei in seiner jeweiligen Kirchensprache – ein Fenster in die reiche christliche Tradition des Nahen Ostens. Sogar Aramäisch kam vor: In der Sprache, die einst wohl auch Jesus sprach, wurde ein kirchlicher Hymnus gesungen.
Seligpreisungen - und Weherufe
Das Evangelium (auf Arabisch) bot die Seligpreisungen Jesu auf. In ihrer Fassung beim Evangelisten Lukas (6,17 f.) beschränken sie sich nicht nur auf das „Selig“, sondern schließen auch Weherufe an: „Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.“ (Lk 6,25)
Papst Franziskus trug bei dem Gebetstreffen eine Anrufung des Heiligen Geistes vor. „Geist Gottes, möge deine Kraft alle Libanesen zusammenführen, damit sie mit Mut und Hartnäckigkeit den Weg des Friedens und des Zusammenlebens einschlagen, im gegenseitigen Respekt der Würde und Freiheit des Menschen und mit Blick auf das Wohl des ganzen Landes!“
Der Libanon: ein Mosaik
Die Christen sind neben den Drusen sowie den sunnitischen und schiitischen Muslimen einer der tragenden Pfeiler des Libanon. Immer wieder im Lauf der Geschichte mussten sich die verschiedenen Gruppen untereinander neu justieren; das klappte mal recht, mal schlecht. Immerhin wirkte das Land jahrhundertelang wie ein buntes Puzzle des friedlichen Zusammenlebens, wie keine andere Region des Nahen Ostens.
Das Miteinander hat aber auch eine Schattenseite, die sich derzeit verstärkt bemerkbar macht: Klientelwesen, Kirchturmpolitik, jeder nur für seine Gruppe. Seit im August letzten Jahres ein Chemikalienlager im Hafen von Beirut explodiert ist und große Teile der Hauptstadt verwüstet hat, hat der Libanon nur noch eine geschäftsführende Regierung; die politische, wirtschaftliche, soziale Misere ist nahezu beispiellos in der neueren Geschichte.
Brennende Friedenslichter
Mit seinem Libanon-Gipfel versucht Papst Franziskus, wenigstens den christlichen Teil des Landes – auch schon ein Mosaik für sich – zusammenzuschweißen und auf das Wohl des Landes, nicht der eigenen Leute zu verpflichten.
Gemeinsam beteten die Kirchenführer in St. Peter das Vaterunser. Dann überreichten junge Leute ihnen brennende Lichter als Zeichen des Friedens, den es in die Welt hinauszutragen gelte; dazu wurde auf Arabisch ein Friedenshymnus angestimmt.
In einer Schlussansprache redete der römische Papst seinen libanesischen Gästen eindringlich ins Gewissen: „Im Licht (Gottes) haben wir vor allem unsere Trübheit gesehen: die Fehler, die wir begangen haben, … die verpassten Chancen auf dem Weg der Geschwisterlichkeit“. Das Volk des Libanon leide Unerträgliches, es sei „enttäuscht und abgekämpft“.
„Lassen wir nicht davon ab, werden wir nicht müde, vom Himmel jenen Frieden zu erbitten, für dessen Schaffung auf Erden sich die Menschen abmühen. Erbitten wir ihn inständig für den Nahen Osten und den Libanon. Dieses liebenswerte Land, das ein Schatz der Zivilisation und Spiritualität ist, über die Jahrhunderte Weisheit und Kultur ausgestrahlt hat und die einzigartige Erfahrung eines friedlichen Zusammenlebens bezeugt, kann nicht einfach dem Schicksal oder denen ausgeliefert werden, die skrupellos ihre eigenen Interessen verfolgen.“
Die Berufung des Libanon bestehe darin, „ein Land der Toleranz und des Pluralismus zu sein, eine Oase der Geschwisterlichkeit, wo die verschiedenen Religionen und Konfessionen sich begegnen, wo unterschiedliche Gemeinschaften zusammenleben“. Zu diesem Modell müsse das leidgeprüfte Land dringend zurückkehren. „Schluss damit, dass parteiische Wahrheiten über den Hoffnungen der Menschen stehen! Schluss damit, den Libanon und den Nahen Osten für fremde Interessen und Profite zu benutzen!“
Franziskus forderte die Bürger des Libanon auf, „nicht zu verzagen“, und erinnerte die politischen Kräfte an ihre Verantwortung. Die Libanesen in der Diaspora sollten ihre Ressourcen „in den Dienst eures Heimatlandes“ stellen, die Christen vertrauensvoll mit Drusen und Muslimen zusammenarbeiten. Auch an die internationale Gemeinschaft appellierte der Papst: „Bemüht euch gemeinsam darum, die Bedingungen zu schaffen, damit das Land nicht versinkt, sondern einen Weg des Aufschwungs einleitet. Das wird für alle gut sein.“
Hoffnung auf konkrete Initiativen
Als „Hoffnungszeichen“ für den Libanon benannte Franziskus die jungen Leute und die Frauen. Er hoffe, dass das Gebet von Rom nicht Episode bleibe, sondern „konkrete Initiativen“ nach sich ziehen werde.
„Die Nacht der Konflikte möge sich verflüchtigen und die Morgendämmerung der Hoffnung heraufziehen. Die Feindseligkeiten mögen aufhören, die Zwistigkeiten untergehen, und der Libanon strahle wieder das Licht des Friedens hinaus in die Welt.“
(vatican news)
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