Papst: „Wir leben in einem kritischen Moment der Geschichte“
Mario Galgano – Vatikanstadt
Zunächst wollte sich der Papst dafür entschuldigen, dass er sitzend vor der 200-köpfigen Gruppe im Vatikan sprechen würde: „Aber ich befinde mich noch in der Genesungsphase nach meiner OP im Krankenhaus und muss deshalb im Sitzen zu euch sprechen: Entschuldigen Sie...“
Ursachen bekämpfen
Die Rolle der Parlamentarier sei heute wegen der globalen Gesundheitskrise wichtiger denn je, stieg er dann inhaltlich ein. Abweichend vom Redemanuskript wiederholte der Papst zweimal den Satz: „Wir leben in einem kritischen Moment der Geschichte.“ Die Politiker seien berufen, dem Gemeinwohl zu dienen, und seien nun aufgerufen, durch ihr politisches Handeln „gemeinsam auf eine umfassende Erneuerung ihrer Gemeinden und der Gesellschaft als Ganzes hinzuarbeiten“.
Nicht allein, um das Virus zu besiegen - oder gar zum Status quo vor der Pandemie zurückzukehren, so der Papst: „Nein, das wäre eine Niederlage!“ Vielmehr müssten sie die Ursachen bekämpfen, die die Krise offenbarte und verstärkte: Armut, soziale Ungleichheit, weit verbreitete Arbeitslosigkeit und mangelnder Zugang zu Bildung.
„In einer Zeit der politischen Zerrüttung und Polarisierung genießen Parlamentarier und Politiker im Allgemeinen nicht immer ein hohes Ansehen. Das ist nichts Neues für Sie. Aber was gibt es für eine höhere Berufung, als dem Gemeinwohl zu dienen und das Wohlergehen aller über den persönlichen Vorteil zu stellen? Das muß immer euer Ziel sein, denn eine gute Politik ist für die allgemeine Geschwisterlichkeit und den sozialen Frieden unerläßlich.“
Regulierung technischer Errungenschaften
Eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich sei die Regulierung der Technologie im Sinne des Gemeinwohls, führte Franziskus aus. Technologische Innovationen könnten die Würde des Menschen bedrohen, warnte der Papst:
„Es geht nicht darum, den technischen Fortschritt zu bremsen: nein. Die Instrumente der Politik und der Regulierung ermöglichen es den Parlamentariern jedoch, die Menschenwürde zu schützen, wenn sie bedroht ist. Ich denke zum Beispiel an die Geißel der Kinderpornografie, die Ausbeutung persönlicher Daten, Angriffe auf kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser, über soziale Netzwerke verbreitete Unwahrheiten usw. Eine sorgfältige Gesetzgebung kann und muss die Entwicklung und Anwendung der Technologie zum Wohle der Allgemeinheit steuern.“
Gemeinwohl als Grundsatz
Wir alle seien dazu aufgerufen, den Geist der Solidarität zu fördern und dabei die Bedürfnisse der Schwächsten und Benachteiligten in den Mittelpunkt zu stellen, knüpfte Franziskus daran an. Dann zählte der Papst die konkreten Herausforderungen auf: Um die von der Pandemie schwer geprüfte Welt zu heilen und eine integrativere und nachhaltigere Zukunft zu schaffen, in der die Technologie den menschlichen Bedürfnissen diene und uns nicht voneinander isoliere, brauche die Gesellschaft nicht nur verantwortungsbewusste Bürger, sondern auch bereitwillige politische und wirtschaftliche Führungskräfte, die sich vom Grundsatz des Gemeinwohls leiten ließen.
Das „International Catholic Legislators Network“ (ICLN) wurde 2010 als unabhängige und überparteiliche internationale Initiative gegründet, um praktizierende Katholiken und andere Christen, die ein gewähltes Amt innehaben, regelmäßig zur Glaubensbildung, Bildung und Gemeinschaft zusammenzubringen. Das Netzwerk hat seinen Sitz in Wien. Die jährliche internationale ICLN-Konferenz findet regelmäßig in Rom statt. Die viertägige Konferenz beinhaltet eine private Audienz beim Papst im Vatikan. Die Veranstaltung zielt darauf ab, die Gemeinschaft katholischer Mitglieder von Gesetzgebungsorganen weltweit zu vernetzen und zu unterstützen.
(vatican news)
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