Papst an kirchliche Verbände: Dienen statt regieren
Anne Preckel – Vatikanstadt
Franziskus wandte sich am Donnerstag an die Teilnehmer eines Seminars für Laien in Führungsverantwortung, das das vatikanische Dikasterium für Laien, Familie und Leben organisiert hat. Grundlage des Kurses war ein Vatikandekret vom 11. Juni 2021, das Machtmissbrauch in katholischen Verbänden und Bewegungen entgegenwirken will. Es sieht mehr Leitungswechsel und begrenzte Amtszeiten für Leitende vor.
„Bringt uns dieser Erlass ins Gefängnis?“, fragte der Papst mit Blick auf die Neuerungen. Und er antwortete selbst: „Nein, dieses Dekret fordert uns auf, einige Veränderungen zu akzeptieren und die Zukunft von der Gegenwart aus vorzubereiten.“ Schließlich hätten „verschiedene Arten von Missbrauch“ in kirchlichen Gemeinschaften in den letzten Jahrzehnten einen Reformbedarf aufgezeigt, so Franziskus, ohne einzelne Bewegungen namentlich zu nennen.
Papst warnt vor Machtmissbrauch
„Das ist der Ursprung: der Missbrauch von Macht. Nicht selten musste der Heilige Stuhl in den letzten Jahren eingreifen und schwierige Rehabilitationsprozesse einleiten. Und ich denke nicht nur an diese sehr hässlichen Situationen, die viel Lärm machen, sondern auch an die Krankheiten, die aus der Schwächung des Gründungscharismas resultieren, das lauwarm wird und seine Anziehungskraft einbüßt.“
„Regieren heißt dienen“, bekräftigte der Papst einmal mehr, auch Leitungsfunktionen in Laien-Bewegungen seien „nichts anderes als eine Berufung zum Dienen“. „Machtgier“ verändere hingegen das Wesen des öffentlichen Dienstes, kritisierte er. Dazu gehöre etwa die Vorstellung, in Verbänden, Diözesen, Pfarreien oder Gemeinden über alle Bereiche bestimmen zu müssen und Aufgaben und Verantwortlichkeiten „nur in der Theorie“ zu delegieren: „Und dieses Machtstreben macht jede Form der Subsidiarität zunichte“, kritisierte Franziskus, es handele sich um eine „schlechte Art der Disziplin“, die dazu führe, „dass der kirchliche Körper seine Kraft verliert“.
„Wir haben es gesehen! So viele - ich denke da an die Gemeinschaften, die ich am meisten kenne - Obere, Generalobere, die sich in der Macht verewigen und tausend, tausend Dinge tun, um immer wiedergewählt zu werden, nicht wahr? Sogar die Sttuten werden dazu geändert ... Und dahinter steht der Wunsch nach Macht. Das hilft nicht; das ist der Anfang vom Ende einer Vereinigung, einer Gemeinschaft.“
Kein Streben nach Profit und Anerkennung
Ein periodischer Leitungswechsel in katholischen Verbänden sei „nützlich und notwendig“, so ging der Papst explizit auf eine der Neuerungen ein, ebenso wie die nun festgeschriebene breitere Repräsentanz der Mitglieder bei Wahlen. Auch im Ordensbereich würden teils „immer dieselben Personen in den Leitungspositionen behalten“, merkte er weiter kritisch an: „Sie haben zugelassen, dass sich Missbräuche einschleichen, und befinden sich nun in großen Schwierigkeiten“.
Neben Machtgier sei eine weitere Gefahr das Streben nach Profit und Anerkennung, fuhr er fort. Dies komme einer „Untreue“ Gott gegenüber gleich, so Franziskus: „Vergessen wir nicht, dass wahrer Dienst unentgeltlich und bedingungslos ist, er kennt keine Berechnungen oder Forderungen“. Auch das Klammern an die alleinige Deutungshoheit über das Charisma bedeute „Illoyalität“, ergänzte er, oder eine Entscheidung „a priori“ über die eigene Nachfolge an der Spitze kirchlicher Bewegungen oder Gemeinschaften. Dies komme vor - sogar „öfter, als wir denken“.
Der Papst ging dann näher darauf ein, dass das Dekret den Gründern von Bewegungen unter bestimmten Bedingungen mehr Spielraum einräumt, was eine Mandatsbegrenzung auf normalerweise fünf Jahre betrifft. Hier gelte es zwischen kirchlichen Bewegungen bzw. Ordensgemeinschaften „im Aufbau“ zu unterscheiden und solchen, die bereits „eine gewisse organische und rechtliche Stabilität erreicht haben“. Bei ersteren sei „eine gewisse Stabilität der Vorgesetzten“ in der Aufbauphase vorgesehen, erläuterte der Papst.
Dank für Engagement in Corona-Zeit
Direkt zu Beginn seiner Ansprache dankte Franziskus allen engagierten Laien für ihren Einsatz für Bedürftige in armen Kontexten weltweit; vor allem in der Pandemiezeit: „Sie haben nicht aufgehört, Ihre Solidarität, Ihre Hilfe, Ihr evangeliengemäßes Zeugnis zu geben, selbst in den schwersten Monaten, als die Ansteckungsgefahr sehr groß war. Im Gegenteil, ich weiß, dass viele von Ihnen ihr Engagement vervielfacht haben, indem sie sich an die konkreten Situationen angepasst haben, mit denen sie konfrontiert waren und sind, mit jener Kreativität, die aus der Liebe kommt, denn wer sich vom Herrn geliebt fühlt, liebt ohne Maß.“
Das christliche Zeugnis müsse immer von den gegenwärtigen Herausforderungen der Gesellschaft, Kultur und Menschen ausgehen, damit es nicht in eine „Parallelwelt“ abdrifte, erinnerte Franziskus. Die Zugehörigkeit zu einem kirchlichen Verband, einer Bewegung oder einer Gemeinschaft sei dabei kein „eisernes Fass“, die christliche Mission „keine touristische Reise“. Vielmehr gehe es um totalen Einsatz: „Jeder Schritt ist eine Herausforderung und jeder Schritt ist ein Ruf Gottes, jeder Schritt ist - wie wir in unserem Land (Argentinien) sagen - ,Fleisch auf den Grill legen‘“. Handlungs- und Denkweisen sowie Organisationsformen, die sich – an diesem Maßstab gemessen – „als unangemessen oder sogar schädlich erwiesen haben“, gelte es getrost zu ändern, empfahl der Papst.
Ein Teil der Teilnehmer des Kurses, Leitende und Moderatoren von katholischen Bewegungen, Verbänden und neuen kirchlichen Gemeinschaften aus aller Welt, war am Donnerstag mit dem Präfekten des Laien-Dikasteriums, Kardinal Kevin Farrell, in den Vatikan gekommen, andere waren bei der Audienz per Livestream zugeschaltet.
(vatican news – pr)
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