Franziskus mit Religionsführern: Bildung muss ganzheitlich sein
„Uns liegt eine ganzheitliche Bildung am Herzen, die darin besteht, sich selbst, den eigenen Bruder und die eigene Schwester, die Schöpfung und das Transzendente zu kennen“, so der Papst. Weil Religionen „schon immer eine enge Verbindung mit der Bildung“ gehabt hätten, sollten sie sich an diesem Punkt der Menschheitsgeschichte gemeinsam für eine ganzheitliche Bildung junger Menschen einsetzen.
Bildungsziel 1: Toleranz statt Fanatismus
Vier gemeinsame Bildungsziele stellte Franziskus daraufhin vor. Das erste: Toleranz und Gewissensfreiheit. Gute Erziehung verpflichte dazu, „den Namen Gottes niemals zur Rechtfertigung von Gewalt und Hass gegenüber anderen religiösen Traditionen zu verwenden, alle Formen von Fanatismus und Fundamentalismus zu verurteilen und das Recht eines jeden Menschen zu verteidigen, nach seinem Gewissen zu entscheiden und zu handeln“.
Bildungsziel 2: Respekt für Andere statt Vorurteile
Zweitens müsse ganzheitliche Bildung dafür sorgen, Vorurteile ins Leere laufen zu lassen. Früher seien „ethnische, kulturelle, politische und andere Minderheiten auch im Namen der Religion diskriminiert“ worden, räumte der Papst ein; dass die katholische Kirche dabei keine Ausnahme machte, schwang in seinen Worten mit. Gute Bildung heute müsse Kinder und Jugendliche dagegen lehren, die Identität und Würde jedes Menschen zu respektieren. „Deshalb verpflichtet uns die Erziehung, den anderen so anzunehmen, wie er oder sie ist, und nicht wie wir ihn oder sie gerne hätten - ohne zu urteilen oder jemanden zu verurteilen.“
Bildungsziel 3: Gleiche Würde für Mann und Frau
Drittens: Auch mit den Rechten, die verschiedene Religionen den Frauen, Kindern und Armen zugestanden hätten, sei es früher nicht immer zum Besten bestellt gewesen, fuhr der Papst fort. „So verpflichten wir uns heute zur entschiedenen Verteidigung dieser Rechte“, erklärte Franziskus vor den Religionsvertretern. Speziell über Frauenrechte fügte er in freier Rede hinzu: „Die Erziehung muss uns zu der Erkenntnis führen, dass Männer und Frauen die gleiche Würde haben: Dann wird es keine Diskriminierung geben.“
Bildungsziel 4: Mutter Erde lieben
Viertens umfasse eine gute Bildung heute auch Umwelterziehung, so der Papst. Es habe ihm zu denken gegeben, dass am Montag bei seiner Begegnung mit Religionsvertretern (von denen viele auch bei dem Bildungstreffen am Dienstag anwesend waren) zum Thema Klimagerechtigkeit ein Forscher sagte: „Meine Enkelin, die gerade geboren wurde, wird in 50 Jahren in einer unbewohnbaren Welt leben müssen, wenn es so weitergeht". Gute Bildung verpflichte heute dazu, „unsere Mutter Erde zu lieben und die Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen zu vermeiden sowie die Güter, die Gott uns für das Leben aller Menschen gegeben hat, besser zu teilen.“
Gott um Hilfe bitten
Franziskus rief die Religionsführer zur Selbstverpflichtung auf, „jeden Menschen in seiner Gesamtheit zu erziehen: Kopf, Hände, Herz und Seele.“ Seine Vision von ganzheitlicher Bildung fasst der Papst mit dem Merksatz zusammen: „Denken wir, was wir fühlen und tun; fühlen wir, was wir denken und tun; tun wir, was wir fühlen und denken.“ Das sei ganzheitlich und damit schön. Abschließend lud der Papst die anwesenden Religionsvertreter zu einem Moment der Stille ein, „um Gott zu bitten, unseren Geist zu erleuchten, damit unser Dialog fruchtbar ist und uns hilft, mutig den Weg zu neuen Bildungshorizonten zu beschreiten.“
Nach Vatikanangaben ist es das erste Mal, dass Religionsvertreter auf Weltebene sich über Grundsatzfragen der Bildung verständigen. Das Treffen fand im Rahmen des „Globalen Bildungspaktes“ statt, den Papst Franziskus 2019 lancierte. Er soll Lehrkräfte, Bildungspolitiker, Eltern und Erziehende zu mehr Einsatz für ganzheitliche Bildung und Erziehung inspirieren und zusammenbringen.
18 Teilnehmende
An der Begegnung im Vatikan nahmen 18 Personen teil, darunter Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel als Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Metropolit Hilarion, der Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchates, Großimam Ahmad Muhammes Al-Tayyeb von der Al-Azhar Universität sowie der Deutsche Thomas Schirrmacher, Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz. Mehrere Vertreter des Judentums waren ebenfalls vertreten.
Die stellvertretende UNESCO-Generaldirektorin für Bildung, Stefania Giannini, richtete am Ende einen gemeinsamen Gruß der Religionsführer an alle Lehrkräfte: „Wir möchten Ihnen für Ihr Engagement und Ihre Aufopferung bei der Erfüllung der edlen Aufgabe der Erziehung der neuen Generationen danken und Sie ermutigen, Ihren Weg trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen unserer Zeit fortzusetzen, die durch die Pandemie noch verschärft werden", hieß es im Text. An diesem Dienstag ist der von der UNESCO ausgerufene Welttag der Lehrkräfte.
Papst Franziskus und das Thema Bildung
Dass Bildung einen Unterschied macht, ist dem Papst aus eigener Anschauung bekannt. Er wirkte in jüngeren Jahren als Lehrer an einer argentinischen Jesuitenschule. Als Erzbischof von Buenos Aires rief Kardinal Jorge Mario Bergoglio die Bildungsinitiative „Scholas Occurrentes“ ins Leben, die benachteiligten Kindern mit den Mitteln des Sportes und der Kultur zu einer besseren Bildung verhelfen will. Begegnung, Dialog und Respekt für Andersheit sind die pädagogischen Leitlinien von „Scholas Occurrentes“ wie auch des Globalen Bildungspaktes.
(vatican news – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.