Papst und Religionsführer lancieren Appell fürs Klima
Das steht in einem Appell, den Papst Franziskus am Montagmorgen persönlich dem designierten Vorsitzenden des Klimagipfels, dem britischen Politiker Alok Kumar Sharma, sowie dem italienischen Außenminister Luigi Di Maio überreichte.
Wörtlich heißt es in dem Text, der an diesem Montag feierlich verlesen wurde: „Unsere Glaubensüberzeugungen und unsere jeweilige Spiritualität lehren, dass es eine Pflicht zur Sorge für unsere Menschheitsfamilie und die Umwelt gibt. Wir hängen aufs engste voneinander und von der natürlichen Welt ab; und wir sind keine unumschränkten Herren unseres Planeten und seiner Ressourcen. Die vielfältigen Krisen, denen sich die Menschheit ausgesetzt sieht, sind letztlich verbunden mit einer Krise ethischer und spiritueller Werte.“
„Umweltkrise hat mit ethisch-spiritueller Krise zu tun“
An der Veranstaltung in der Benediktionsaula des Petersdoms nahmen herausragende Figuren aus dem Bereich Kirche, Religion und Wissenschaft teil. Der Appell ist auf virtuellen Konferenzen entstanden, die seit Jahresbeginn 2021 allmonatlich stattfanden.
„Faith and Science“, „Glaube und Wissenschaft“: Das war das Motto des ungewöhnlichen Mini-Klimagipfels im ersten Stock von St. Peter, von wo aus die Päpste normalerweise ihren feierlichen Segen Urbi et Orbi erteilen. Der emeritierte Papst Benedikt XVI., der während seines Pontifikats (2005-13) immer wieder vom Mit- und Ineinander von Glauben und Vernunft gesprochen hat, hätte an der Veranstaltung sicher seine Freude gehabt. In den Vatikanischen Gärten, in denen er residiert, wird künftig ein Olivenbaum an das Klima-Treffen im Vatikan erinnern.
„Herolde des moralischen Gewissens“
Über zwanzig Teilnehmer ergriffen das Wort und unterstrichen, wie wichtig der Einsatz für eine Begrenzung des Klimawandels ist – eine Botschaft, die sich nicht nur an die Politiker der Staaten, sondern auch nach innen richtet, in die einzelnen Glaubensgemeinschaften hinein. „Sie kommen von weither“, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und präzisierte, dass er das nicht nur geographisch meine. „Wir Religionsvertreter sind Herolde des moralischen Gewissens der Menschheit. Wir haben die Aufgabe, mitzuhelfen, dass die vielen Wüsten wieder blühen, die den Weg des Menschen säumen.“
Das griffen viele Teilnehmer auf – mal pathetisch, mal werbend, mal humorvoll, mal ernst. „Die absoluten Prioritäten der jungen Leute aus aller Welt“, so referierte eine Vertreterin der Generation Greta, „sind: Wirtschaftliche Unterstützung für die verletztlichsten Staaten, denn alleine sind sie mit dem Kampf gegen die Folgen des Klimawandels überfordert. Null Emissionen bis 2030, und Schulbildung zum Thema Umwelt und Klimawandel.“
Viele Reden – und ein Moment des Schweigens
Beredt warb ein Anhänger der Jain-Religion für das Prinzip der Gewaltlosigkeit gegenüber Mitmenschen und der Natur; der Großscheich Ahmed al-Tayyeb von der al-Azhar-Universität in Kairo (Ägypten) leitete wie weitere islamische Teilnehmer, darunter zwei schiitische Ayatollah, den Imperativ des Umweltschutzes direkt aus dem Koran ab. Der „grüne“ Patriarch Bartholomaios, das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen in aller Welt, nannte den Klima-Appell eine „mächtige symbolische Geste“, und ein führender Kopf der Sikh-Religion sang ein Zitat seines Religionsgründers vor.
Unter den fast dreißig Personen, die das Wort ergriffen, waren nur drei Frauen, darunter die erwähnte Jugendvertreterin. Gretchen Castle von den Quäkern grüßte in ihrem Wortbeitrag dennoch die „Brüder und – besonders wichtig – die Schwestern“. Zwei Minuten höchstens waren jedem Redenden zugestanden: Das nahm der anglikanische Primas Justin Welby zur Vorlage für eine Mahnung. „Meine Zeit ist um – aber die Welt hat gerade noch Zeit genug, um das (mit der Begrenzung der Folgen des Klimawandels) hinzukriegen!“
Wenn der Scheich neben dem Rabbiner sitzt
Feierlich unterzeichneten die Anwesenden – darunter ein Fernsehprediger einer brasilianischen Freikirche – den Appell, dann gab es einen Moment des schweigenden Gebets. Fast noch sprechender als das, was gesagt wurde, waren manche Bilder dieses Morgens: der Teilnehmer aus Indonesien etwa, der seine Rede nicht ausgedruckt hatte (Papierverschwendung!), sondern umweltfreundlich vom Handy ablas. Oder dass ein Rabbiner neben dem aus Ägypten angereisten Großscheich saß.
Auch die wissenschaftliche Community gab den frommen Damen und Herren verschiedenster Couleur sozusagen ihren Segen: Der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Joachim von Braun, warb für die Allianz von Glauben und Wissenschaft beim Kampf gegen die Erderwärmung. „Die Wissenschaft ist schon seit einiger Zeit im wesentlichen einig, was das Thema Klima betrifft. Der Bereich des Glaubens teilt jetzt diese Einigkeit – das ist historisch. Glaube und Wissenschaft sollten sich gemeinsam engagieren.“
Die Enkelin des Forschers
Er habe übrigens eine Enkelin, die jetzt gerade ihren ersten Geburtstag gefeiert habe: Amy. „Sie hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie, wenn sie sechzig ist, in einer zu großen Teilen unbewohnbaren Welt lebt. Aber das muss nicht so kommen! Wir sollten über die Appelle hinausgehen und dafür sorgen, dass die in unserem Appell genannten Maßnahmen getroffen werden.“
In seiner (nur überreichten, aber nicht gehaltenen) Ansprache hob Franziskus, der 2015 passend zum Pariser Klimagipfel eine Schöpfungs-Enzyklika mit dem Titel „Laudato si‘“ veröffentlicht hat, hervor, dass alles mit allem verbunden sei. „Nicht nur die Wissenschaft, sondern auch unsere Glaubensüberzeugungen und spirituellen Traditionen betonen diese Verbindung zwischen uns allen und dem Rest der Schöpfung. Wir erkennen die Zeichen der göttlichen Harmonie in der natürlichen Welt: Kein Geschöpf genügt sich selbst…“
Für ein Bündnis zwischen Mensch und Umwelt
Doch der Papst beließ es nicht bei Umwelt-Poesie. Er forderte, „dass sich jeder von uns für andere und für die Umwelt einsetzt“ – ein „Kurswechsel“ sei dringend nötig. „Dieses Engagement muss beständig durch den Antrieb der Liebe angeregt werden… Dies ist einer der großen Beiträge, die unsere Glaubensüberzeugungen und spirituellen Traditionen zu diesem dringend benötigten Kurswechsel leisten können.“
Franziskus rief nach einem „Bund zwischen Mensch und Umwelt“ und einer „Kultur der Sorge für unser gemeinsames Haus und auch für uns selbst“. Apokalyptische Töne ließ er nicht zu; stattdessen sprach er von „Hoffnung, Mut und gutem Willen“ und davon, dass die Menschheit noch nie so viele Mittel gehabt habe wie heute, um den Herausforderungen zu begegnen.
Den Glasgower Gipfel mit geistiger Nähe begleiten
„Die Perspektive der Interdependenz und des Teilens, der Antrieb der Liebe und die Berufung zur Achtung. Dies sind drei Schlüssel zum Verständnis unserer Sorge um das gemeinsame Haus. Die COP26 in Glasgow ist dringend aufgerufen, wirksame Antworten auf die beispiellose ökologische Krise und die Wertekrise, die wir erleben, zu finden und damit den künftigen Generationen konkrete Hoffnung zu geben: Wir wollen sie mit unserem Engagement und unserer geistlichen Nähe begleiten.“
Ob er im November auch selbst nach Glasgow reisen will, um vor Ort noch einmal auf die Teilnehmer des COP-26 einzuwirken, ließ der Papst an diesem Montag - der nicht zufällig auch das Fest des „grünen“ heiligen Franziskus war – offen.
Am Ende der Veranstaltung wurden die Videobotschaften der Persönlichkeiten ausgestrahlt, denen es nicht möglich war, zu dem Treffen in den Vatikan zu kommen. Hier geht es zu der Übertragung des gesamten Treffens im Original, hier mit der englischen Kommentierung.
(vatican news – sk)
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