Papst an Klimagipfel: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Es gibt keine Alternative. Wir können die in Paris vereinbarten Klimaziele nur erreichen, wenn koordiniert und verantwortlich gehandelt wird.“ Das schreibt Franziskus in einer Botschaft an den Klimagipfel, die am Dienstagabend veröffentlicht wurde. „Die Ziele sind ehrgeizig, aber nicht aufschiebbar.“ Mit einer Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015, über die in Glasgow verhandelt wird, soll verhindert werden, dass sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts stärker als 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt.
Eine Frage des politischen Willens
Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin verlas Franziskus‘ Botschaft vor den Delegierten des Gipfels, der am Montag in der schottischen Metropole eröffnet worden ist. Die Konferenz von Glasgow habe die Aufgabe, „der ganzen internationalen Gemeinschaft zu zeigen, ob wirklich der politische Wille besteht, ehrlich, verantwortlich und mutig gegen die negativen Folgen des Klimawandels vorzugehen“. Dazu seien „mehr menschliche, finanzielle und technologische Ressorcen“ nötig.
Beim Einsatz gegen den Klimawandel verhält es sich nach Darstellung des Papstes ähnlich wie beim Engagement um eine Eindämmung der Corona-Pandemie: Nur gemeinsames Vorgehen „aller Völker der Welt“ zeitige die erhofften Früchte.
„Die COP26 kann und muss aktiv mitwirken am gewissenhaften Aufbau einer Zukunft, in der die Menschheit von heute und morgen würdige Lebensbedingungen auf einem sauberen Planeten vorfindet.“ Diese Aufgabe sei nicht weniger als eine „zivilisatorische Herausforderung“. Ländern mit „mehr Möglichkeiten“ komme eine „Führungsrolle“ zu - das zielt nicht nur auf den Ausstieg aus der Kohle und aus fossilen Brennstoffen, sondern vor allem auf die Unterstützung ärmerer Länder.
Dramatische Formulierungen
Franziskus bekennt sich als Staatschef der Vatikanstadt zum Null-Emissions-Ziel bis zum Jahr 2050, was den Ausstoß von Treibhausgasen betrifft – zum Vergleich: das ungleich größere Indien will sich damit, wie sich am Montag in Glasgow herausstellte, bis 2070 Zeit lassen. Und er betont (wie schon auf einem Klimagipfel der Religionen und Kirchen am 4. Oktober im Vatikan), dass Glaubensgemeinschaften beim Weg von einer „Kultur des Wegwerfens“ zu einer „Kultur der Pflege unseres gemeinsamen Hauses“ eine wichtige Rolle zukommen kann.
In seiner Botschaft scheut der Papst, der 2015 rechtzeitig zum Klimagipfel von Paris eine eigene Enzyklika zum Thema Umwelt und Schöpfung verfasst hat („Laudato si‘“), nicht vor dramatischen Formulierungen zurück. So vergleicht er die „Wunden“, die die Corona-Krise und der Klimawandel der Menschheit zufügten, mit den Verwüstungen eines „Weltkriegs“. „Wie am Ende des Zweiten Weltkriegs muss auch heute die ganze internationale Gemeinschaft das Umsetzen kollegialer, solidarischer und vorausschauender Pläne zur Priorität machen.“
Die Menschheit habe durchaus die Mittel, um der Herausforderung zu begegnen; wichtig seien aber „eine individuelle und auch gemeinschaftliche Umkehr und entschlossener Wille“, jetzt zu einem „umfassenderen und integrierenderen Entwicklungsmodell“ überzugehen. Industriestaaten trügen („das können wir nicht leugnen“) größere Verantwortung für den Klimawandel als ärmere Länder. Sie sollten daher das Thema Auslandsschulden von armen Ländern mit Großzügigkeit angehen.
Bald mehr Klima- als Kriegsflüchtlinge?
„Leider müssen wir mit Bitterkeit feststellen, dass wir noch weit davon entfernt sind, unsere Ziele zu erreichen, um dem Klimawandel zu begegnen. Man muss dazu ehrlich sagen: Wir können uns das nicht erlauben! Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren“, schreibt der Papst und warnt davor, dass es schon bald womöglich mehr Klima- als Kriegsflüchtlinge geben könnte.
„Es muss dringend, mutig und verantwortlich gehandelt werden. Die jungen Leute, die uns in den letzten Jahren eindringlich zum Handeln aufrufen, haben keinen Ersatz-Planeten, sondern nur den, den wir ihnen hinterlassen werden. Das ist der Moment für Entscheidungen, die ihnen Zutrauen in die Zukunft einflössen können.“
(vatican news)
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