Papst: Keine Furcht vor dem Neuen haben
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Zu Beginn der Vesper am Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus stieg Papst Franziskus in Begleitung von Kurienkardinal Kurt Koch, Metropolit Polykarpos und Ian Ernest, dem persönlichen Vertreter des Erzbischofs von Canterbury, zum Paulusgrab hinunter, wo sie kurz im stillen Gebet verharrten. Aufgrund der geltenden Coronamaßnahmen war die Zahl der in der Basilika versammelten Gläubigen und Vertreter der großen christlichen Kirchen und Konfessionen wie schon im vergangenen Jahr deutlich reduziert.
Das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen lautet: „Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten” (Mt 2,2). In seiner Predigt ging Franziskus vom Weg der Sterndeuter aus, der über drei Etappen verlief: den Osten, Jerusalem und Betlehem.
Wir dürften uns „nicht vom Schein der Welt ablenken lassen, der nur mit Sternschnuppen leuchtet oder den Moden des Augenblicks folgen, die erlöschende Meteoren sind“, spann der Papst den Bogen zu unserer Zeit und warnte vor der „Versuchung, in unserem eigenen Licht zu glänzen, uns in unserer eigenen Gruppe abzuschotten“, statt uns gegenseitig zu unterstützen, wie es die Sterndeuter getan hätten.
Der Osten lasse uns an die Christen denken, die in verschiedenen durch Krieg und Gewalt dezimierten Regionen lebten, stellte Franziskus mit Verweis auf die erste Etappe der Sterndeuter fest. „Diese unsere Brüder und Schwestern haben viele schwierige Herausforderungen zu bewältigen, doch mit ihrem Zeugnis geben sie uns Hoffnung: Sie erinnern uns daran, dass der Stern Christi in der Dunkelheit leuchtet und nicht untergeht; dass der Herr aus der Höhe unsere Schritte begleitet und ermutigt. Um ihn herum, im Himmel, leuchtet eine Vielzahl von Märtyrern gemeinsam ohne Unterschied der Konfession: Sie zeigen uns auf der Erde einen eindeutigen Weg, den der Einheit!“, so die Würdigung des Papstes der Christen aus dem Osten der Welt.
In Jerusalem, ihrer zweiten Etappe, hätten die Sterndeuter dann nicht nur das Licht des Sterns gesehen, sondern auch den Widerstand der dunklen Mächte der Welt erlebt, wo sich Herodes von der Neuheit dieses Königtums bedroht gefühlt habe.
„Auch auf unserem Weg zur Einheit können wir aus demselben Grund ins Stocken geraten, der jene Menschen lähmte: die Angst, die Verstörung," gab der Papst zu bedenken. „Es ist die Furcht vor dem Neuen, die Gewohnheiten und erworbene Sicherheiten ins Wanken bringt; es ist die Angst, dass der andere meine Traditionen und gefestigten Schemata infrage stellt. Aber im Grunde ist es die Angst, die im menschlichen Herzen wohnt und von der uns der auferstandene Herr befreien will. Lassen wir seinen österlichen Zuspruch auf unserem Weg der Gemeinschaft ertönen: »Fürchtet euch nicht«. Haben wir keine Angst, den Bruder oder die Schwester unseren Ängsten voranzustellen! Der Herr möchte, dass wir einander vertrauen und miteinander gehen, trotz unserer Schwächen und Sünden, trotz vergangener Fehler und gegenseitiger Verletzungen.“
Weggefährten auf den Straßen der Welt
In Betlehem, der letzten Etappe ihrer Reise, hätten sich die Sterndeuter dann niedergeworfen und dem Kind gehuldigt, führte Franziskus weiter aus. Und so seien sie zu einem prophetischen Zeichen für uns geworden, „die wir uns nach dem Herrn sehnen, die wir auf den Straßen der Welt Weggefährten sind, die wir durch die Heilige Schrift die Zeichen Gottes in der Geschichte suchen. Auch für uns kann die volle Einheit im selben Haus nur durch die Anbetung des Herrn entstehen. Die entscheidende Etappe auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft erfordert ein intensiveres Gebet, die Anbetung Gottes.“
Gott den ersten Platz geben
Die Gaben der Sterndeuter – Weihrauch, Myrrhe und Gold – erinnerten uns schließlich daran, dass die Schätze, die jeder von uns besitze, geteilt werden müssten. „Die Gaben der Sterndeuter versinnbilden, was der Herr von uns empfangen möchte. Gott soll das Gold, das kostbarste Element, erhalten; das heißt, ihm muss der erste Platz gegeben werden. Auf ihn müssen wir schauen, nicht auf uns; auf seinen Willen, nicht auf den unseren; auf seine Wege, nicht auf die unseren. Wenn der Herr wirklich an erster Stelle steht, können sich unsere Entscheidungen, auch die kirchlichen, nicht mehr nach der Politik der Welt richten, sondern nur nach den Wünschen Gottes.“
Und dem leidenden Jesus diene man am besten, wenn man den Armen und Ausgegrenzten dient, mit denen sich Jesus identifiziert, stellte Franziskus fest und legte den Gläubigen zum Abschluss folgende Worte ans Herz:
„Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir uns von den Sterndeutern den Weg weisen; machen wir es wie sie, die »auf einem anderen Weg« nach Hause zurückkehrten. Ja, wie Saulus vor seiner Begegnung mit Christus müssen wir unsere Richtung ändern, die Route unserer Gewohnheiten und Vorteile umkehren, um den Weg zu finden, den der Herr uns zeigt, den Weg der Demut, der Geschwisterlichkeit und der Anbetung. Gib uns, Herr, den Mut, unsere Wege zu ändern, uns zu bekehren, deinem Willen zu folgen und nicht unseren eigenen Zweckmäßigkeiten; gemeinsam voranzuschreiten, auf dich zu, der du uns durch deinen Geist eins machen willst.”
Hintergrund
Von 18. bis 25. Januar findet jeweils die internationale "Gebetswoche für die Einheit der Christen" statt. Dabei kommen Christen aus unterschiedlichen Konfessionen zusammen, um gemeinsam für die Einheit der Christenheit zu beten. Dieses Jahr hat der Rat der Kirchen im Mittleren Osten mit Sitz in Beirut/Libanon die Materialien für die Gebetswoche erarbeitet.
(vaticannews)
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