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Papst Franziskus im Großmeisterpalast in Valletta Papst Franziskus im Großmeisterpalast in Valletta 

Papst in Malta über Migration: „Der andere ist kein Virus, sondern Person"

In seiner ersten Ansprache in Malta hat Papst Franziskus dem Mittelmeerland für seine Aufnahme von Geflüchteten gedankt und zum Kampf gegen Korruption aufgerufen. In einem langen Passus geißelte er erneut den Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Lassen wir nicht zu, dass der Traum vom Frieden entschwindet”, mahnte der Papst.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Norden, Süden, Osten, Westen: Aus allen Himmelsrichtungen kommt der Wind nach Malta, und Franziskus gliederte seine erste Rede auf der Mittelmeerinsel – vor Politikern und Diplomaten - thematisch nach diesen vier Richtungen. Den Norden ordnete er Europa zu, dem Malta geografisch wie politisch angehört. Franziskus rief das Land, das mit Korruptionsaffären auffällt und als „Steueroase“ gilt, zum entschiedenen Kampf gegen kriminelle Machenschaften auf. Malta solle immer „Legalität und Transparenz“ pflegen, „denn sie ermöglichen die Austrocknung des Verbrechertums und der Kriminalität, die darin übereinstimmen, dass sie nicht bei Tageslicht handeln.“ 2017 wurde auf Malta die Journalistin Daphne Caruana ermordet, die einem großangelegten Korruptionsskandal auf der Spur war. Als Drahtzieher angeklagt ist der schwerreiche maltesische Unternehmer Yorgen Fenech.

Eindrücke von der Begegnung in unserem Kurzvideo

Der „Westen“ habe sein Gutes, fuhr der Papst unter Verweis auf die „Werte der Freiheit und der Demokratie” fort, aber auch Risiken; Franziskus nannte eine Neigung zu Konsumismus, „künstlicher Vereinheitlichung und ideologischer Kolonisierung“. Ausdrückliches Lob zollte der Papst dem katholische geprägten Malta für „die Annahme und den Schutz des Lebens“. Malta ist der letzte EU-Mitgliedstaat, der Abtreibung vollständig verbietet. Franziskus drängte das Mittelmeerland zugleich dazu, Lebensschutz groß zu denken, genauer: das Leben „jederzeit vor Missachtung und Vernachlässigung zu schützen”, wie Franziskus formulierte. Er verwies dabei auf Arbeitnehmer, Kranke, ältere und vor allem auch junge Menschen.

Hier zum Hören:
Robert Abela, Maltas Regierungschef, begrüßt Papst Franziskus
Robert Abela, Maltas Regierungschef, begrüßt Papst Franziskus

Beim Stichwort „Süden“ schwenkte der Papst auf das Thema Migration ein und zollte Malta zunächst Lob für die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen „im Namen des Evangeliums, der Menschlichkeit und des maltesischen Sinns für Gastfreundschaft“. Allerdings habe der wachsende Zustrom von Migranten auf den Inselstaat, das am dichtesten bevölkerte Land Europas, zu Angst, Unsicherheit und Frustration geführt. Franziskus versuchte hier den Blick zu weiten. Migration, sagte er, „kennzeichnet unsere Epoche” und zeige „die Schuld vergangener Ungerechtigkeiten, vieler Ausbeutungen, des Klimawandels und unglücklicher Konflikte“. Migration geschehe vom armen Süden in den reicheren Norden. Abschottung nannte der Papst „anachronistisch“, „denn in der Isolation wird es keinen Wohlstand und keine Integration geben“.

Franziskus forderte im Angesicht der Not der Migranten aber auch „umfassende, gemeinsame Antworten“, also eine weitaus bessere Verteilung von Migrierenden in Europa. Es könne nicht sein, „dass sich einige Länder das gesamte Problem aufbürden, während die anderen Länder in der Gleichgültigkeit verharren“, unterstrich der Papst. „Der Mittelmeerraum braucht europäische Mitverantwortung, damit es wieder zu einem Schauplatz der Solidarität und nicht zum Vorposten eines tragischen Schiffbruchs der Zivilisation wird.“

Ein sich in Europa verbreitendes „Narrativ der Invasion“ kritisierte der Papst ausdrücklich. „Helfen wir uns gegenseitig, den Migranten nicht als Bedrohung zu sehen und nicht der Versuchung nachzugeben, Zugbrücken hochzuziehen und Mauern zu errichten“, mahnte Franziskus. „Der andere ist kein Virus, den es abzuwehren gilt, sondern eine Person, die man aufnehmen muss.” Natürlich koste das Aufnehmen von Migranten Mühe und erfordere sogar Verzicht. „Aber der Verzicht für ein höheres Gut, für das Leben des Menschen, das der Schatz Gottes ist, ist heilig!“

Papst Franziskus im Regierungspalast von Malta
Papst Franziskus im Regierungspalast von Malta

Schließlich der Osten: An dieser Stelle kam der Papst auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu sprechen, abermals ohne den Aggressor beim Namen zu nennen, eine Gepflogenheit der Päpste mit dem Ziel, eine eventuelle Rolle des Heiligen Stuhles als Vermittler bei Friedensverhandlungen nicht zu gefährden. Übrigens erwähnte auch Präsident George Vella in seiner Rede vor dem Papst Russland nicht, als er vom Krieg in der Ukraine sprach.

Allerdings fand Franziskus wie schon in den vergangenen Wochen auch in Malta hinreichend klare Worte. „Wir dachten, dass Invasionen aus anderen Ländern, brutale Straßenkämpfe und atomare Bedrohungen dunkle Erinnerungen an eine ferne Vergangenheit seien.“ Der „frostige Wind des Krieges“ im Osten bringe „nur Tod, Zerstörung und Hass mit sich“, klagte der Papst. „Und während wieder einmal einige wenige Mächtige, die leider in den anachronistischen Forderungen nationalistischer Interessen gefangen sind, Konflikte provozieren und schüren, verspüren die einfachen Menschen das Bedürfnis, eine Zukunft zu gestalten, die entweder gemeinsam sein wird oder gar nicht sein wird. Jetzt, in der Nacht des Krieges, die über die Menschheit herabgesunken ist, lassen wir nicht zu, dass der Traum vom Frieden entschwindet.”

Es brauche jetzt „Mitgefühl und Fürsorge, nicht ideologische Visionen und Populismus”, denen das Leben der einfachen Leute egal sei, sagte Franziskus. Er warnte vor einem „erweiterten kalten Krieg“, der „das Leben ganzer Völker und Generationen ersticken könnte“, und geißelte mit einem Zitat des italienischen Politikers Giorgio La Pira – Bürgermeister von Florenz, Katholik und Pazifist - ein kindisches Verhalten von Personen in höchster Regierungsverantwortung, einen politischen „Infantilismus“. Der zeige sich überheblich „in den Verlockungen der Autokratie, in neuen Imperialismen, in weit verbreiteter Aggression, in der Unfähigkeit, Brücken zu bauen und bei den Ärmsten anzufangen“.

„Die Lösung für die Krise eines jeden einzelnen ist es, sich um die Krise aller anderen zu kümmern“

Der Krieg im Osten Europas habe sich seit langem „zusammengebraut, mit großen Investitionen und Waffengeschäften. Und es ist traurig zu sehen, wie der Enthusiasmus für den Frieden, der nach dem Zweiten Weltkrieg aufkam, in den letzten Jahrzehnten ermattet ist”, so Papst. Aber nicht nur der Frieden, sondern auch der Kampf gegen Hunger und Ungleichheit sei aus den politischen Agenden faktisch verschwunden. Franziskus präsentierte eine Antwort auf diese miteinander verflochtenen Herausforderungen: „Die Lösung für die Krise eines jeden einzelnen ist es, sich um die Krise aller anderen zu kümmern, denn globale Probleme erfordern globale Lösungen.“ Der Papst rief dazu auf, „dem Friedensdurst der Menschen Gehör zu schenken“, an internationalen Friedenskonferenzen teilzunehmen und vor allem Abrüstung in den Blick zu nehmen. „Und die enormen Mittel, die nach wie vor für die Rüstung ausgegeben werden, mögen in Entwicklung, Gesundheit und Ernährung umgesetzt werden.”

Malta, so der Papst vor den Politikern und Diplomaten abschließend, möge als „Herz des Mittelmeerraums weiterhin den Puls der Hoffnung, der Sorge um das Leben, der Annahme der anderen und der Sehnsucht nach Frieden vorgeben“.

Nach der Rede trat der Papst, begleitet vom maltesischen Staatspräsidenten George Vella und dem Regierungschef Robert Abela, auf den Balkon des Großmeisterpalastes, der dem Treffen als Rahmen diente. Mit Begeisterung und Sprechchören empfingen ihn die unten wartenden Menschen. Franziskus erteilte ihnen auf Englisch den Segen. Am Nachmittag wird er auf Gozo beim Nationalheiligtum Ta´ Pinu einer Gebetsbegegnung vorstehen.

(vatican news)

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02. April 2022, 11:25