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Bei der Präsentation des Buches "Contro la Guerra" von Papst Franziskus Bei der Präsentation des Buches "Contro la Guerra" von Papst Franziskus 

Parolin zu Ukraine-Krieg: „Waffen sind schwache Lösung“

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat das kompromisslose „Nein“ von Papst Franziskus zur Aufrüstung angesichts des Ukraine-Krieges verteidigt. Waffen seien eine schwache Lösung, vielmehr müsse die internationale Gemeinschaft auf Verhandlung setzen und eine neue Haltung zu Krieg und Frieden finden, sagte Parolin am Freitag in Rom.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Papst Franziskus hatte kürzlich die geplante Aufrüstung europäischer Staaten angesichts des Ukraine-Krieges als „Wahnsinn“ bezeichnet; unter anderem Deutschland und Italien hatten kurz davor die Aufstockung ihrer Militärausgaben angekündigt. „Ich werde nicht auf Entscheidungen eingehen, die verschiedenen Länder getroffen haben, um Waffen an die Ukraine zu liefern, die als Nation das Recht hat, sich gegen die erlittene Invasion zu verteidigen“, stellte Parolin bei einer Buchvorstellung klar. „Ich will aber sagen, dass es eine schwache Reaktion ist, sich auf Waffen zu beschränken. Ja, Waffen sind eine schwache Antwort, keine starke Antwort.“

Eine starke Antwort wäre stattdessen eine, „die unter Einbeziehung aller Beteiligten Friedensinitiativen ergreift, d.h. Initiativen zur Beendigung der Kämpfe, um eine Verhandlungslösung zu erreichen.“ Dazu rufe Papst Franziskus unermüdlich auf. Die Regierenden müssten „aus dieser Hölle der Zerstörung aussteigen“ und auch unbequeme Verhandlungslösungen suchen, sagte Parolin unter implizitem Verweis auf nationalstaatliche Interessen wie die Energieversorgung aus russischen Quellen. An Lösungen, die von beiden Seiten mitgetragen werden, führe kein Weg vorbei, wenn das Ziel ein dauerhafter und belastbarer Frieden sein soll.

Nein zu Aufrüstung naiv? Nein - weitsichtig

Er habe den Eindruck, so der vatikanische Chefdiplomat, als hätte man „erdrückt vom Alltag und der Gegenwart, voll Informationen aller Art, die nicht frei von Fake News und Propaganda sind, die Vergangenheit vergessen“, und zwar sogar die jüngere Vergangenheit. Heutige Kriege überall auf der Welt – Parolin nannte Syrien, den Jemen und Tigray - seien „durch den Waffenhandel angeheizt“, und alle diese Kriege seien „für die Zivilbevölkerung verheerend“, vor allem für die Kinder als erste Opfer. Dazu komme im Fall der Ukraine die Gefahr von Atomwaffen. Deshalb sei die Perspektive des Papstes, der Aufrüstung als „Wahnsinn“ bezeichnet, nicht etwa utopisch und naiv, sondern im Gegenteil „weitsichtig und konkret“, sagte Parolin.

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Der Chefdiplomat des Heiligen Stuhles sagte, die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte hätten auf den aktuellen Krieg geradezu hingeführt. „Anstelle von Inklusion haben wir weiterhin eine Welt aufgebaut, die auf Militärbündnissen und wirtschaftlicher Kolonisierung beruht.“ Es sei an der Zeit, damit zu brechen. Regierungen müssten „mehr Vertrauen in die internationalen Gremien und ihren Aufbau setzen und versuchen, sie zu einem gemeinsamen Haus zu machen, in dem sich alle vertreten fühlen.“ Es brauche dringend „ein neues System internationaler Beziehungen, das nicht mehr auf Abschreckung oder militärischer Gewalt beruht.“ Und Parolin wurde drastisch: „Wenn wir nicht darauf hinarbeiten, sind wir dazu bestimmt, auf den Abgrund des totalen Krieges zuzulaufen.“

Muster des Kriegs durch Muster des Friedens ersetzen

Konkret gehe es darum, „das Muster des Krieges aufzugeben und das Muster des Friedens anzunehmen“. Das bedeutet gerade nicht Aufrüstung: „In der Welt gibt es heute Waffen, die dazu in der Lage sind, die Menschheit mehrfach auszurotten. Müssen wir wirklich neue Waffen bauen und Milliarden dafür ausgeben, die auch dazu dienen könnten, die Wohlfahrt auszubauen, den Familien zu helfen und die Gesundheitsversorgung sicherzustellen für Millionen von Menschen, die keine haben?“, fragte Parolin. Das Muster des Friedens anzunehmen bedeute aber auch, die Mitarbeit in internationalen Organisationen zu stärken. Die Schwächung des Multilateralismus in der internationalen Politik beobachtet der Heiligen Stuhl seit Jahren mit wachsender Beunruhigung.

Europa steht aus Parolins Sicht in diesem Krieg in besonderer Pflicht: Zu einem Muster des Friedens gehöre auch, mehr Fähigkeit zur europäischen Initiative wiederzufinden. Schließlich sei der Krieg in der Ukraine „ein gewaltiger Krieg im Herzen Europas, und zwar des christlichen Europas". 

Den Namen des Aggressors sprach Parolin aus, anders als Papst Franziskus. Der Krieg habe vor zwei Monaten „mit der Invasion des russischen Militärs“ begonnen, so der Kardinalstaatssekretär. Nun gehe es darum, „angesichts der Tragödie, die sich in der Ukraine abspielt, angesichts der Tausenden von Toten, der getöteten Zivilisten, der zerstörten Städte und der Millionen von Flüchtlingen, Frauen, alten Menschen und Kindern, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen“, zu einem neuen politischen Modell zu finden, das den Weltfrieden zumindest in Zukunft sichern kann.

Das Buch „Contro la guerra“, das am Freitag an der römischen LUMSA-Universität vorgestellt wurde, bündelt sämtliche Texte von Papst Franziskus zum Thema Krieg und Frieden. Es ist auf Italienisch bei Solferino und dem Vatikanverlag LEV erschienen.

(vatican news)

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29. April 2022, 14:05