Kanada: Franziskus bittet Indigene „demütig um Vergebung“
Franziskus hatte seine Kanada-Reise vorab als Bußwallfahrt deklariert und wiederholte diese Bezeichnung zu Beginn seiner ersten Ansprache auf kanadischem Boden. Unmittelbar davor hatte er einen angrenzenden Friedhof besucht, auf dem Kinder der früher hier gelegenen Internatsschule beerdigt wurden, einige auch anonym. Der Papst war im Rollstuhl unterwegs, begleitet von einigen indigenen Ältesten in traditioneller Kleidung mit Federschmuck. Er betete still zwischen den weißen Grabkreuzen.
Ohne Umschweife beklagte Franziskus in seiner Ansprache das System der Internatsschulen, die über Jahrzehnte, oft unter Federführung katholischer Ordensgemeinschaften, sich der „Umerziehung“ indigener Jungen und Mädchen widmeten. Kinder seien dort „körperlich und verbal, psychologisch und spirituell misshandelt“ worden, nachdem sie „von klein auf von zu Hause weggeholt wurden“, so der Papst.
Das alles habe „die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln unauslöschlich gezeichnet“. Franziskus berief sich ausdrücklich auf die Erzählungen kanadischer Indigener, die diese bei einer Begegnung in Rom Anfang April des Jahres mit ihm geteilt hatten.
Sicher habe es in diesen Schulen für indigene Kinder auch christliche Nächstenliebe gegeben, aber insgesamt seien „die Folgen der mit den Internatsschulen verbundenen Politik katastrophal“ gewesen, stellte der Papst klar. „Der christliche Glaube sagt uns, dass dies ein verheerender Fehler war, der mit dem Evangelium von Jesus Christus unvereinbar ist.“ Bis heute seien Kanadas Indigene Leidtragende der verfehlten Politik der Assimilierung. „Angesichts dieses empörenden Übels kniet die Kirche vor Gott nieder und bittet um Vergebung für die Sünden ihrer Kinder“, so Franziskus mit Verweis auf die Bulle von Johannes Paul II. Incarnationis mysterium von 1998. „Ich möchte dies mit Beschämung und Klarheit wiederholen: Ich bitte demütig um Vergebung für das Böse, das von so vielen Christen an den indigenen Bevölkerungen begangen wurde“, so der Papst unter dem Applaus der Anwesenden.
Die Bitte um Vergebung könne freilich nur ein erster Schritt sein, fuhr Franziskus fort. Weitere Aufarbeitung und ein gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit, Würdigung und Beteiligung indigener Kultur und Menschen müssten folgen.
Zwei Paar Mokassins
Zum Schluss der Feier gab Franziskus zwei Paar Mokassins zurück, die ihm die Indigenen im April in Rom überreicht hatten mit der Bitte, sie ihnen in Kanada wieder auszuhändigen. Die Schuhe symbolisieren das Leid indigener Kinder, „insbesondere derjenigen, die aus den Internatsschulen leider nicht mehr nach Hause zurückkehrten“, so der Papst. Seit er sie ausgehändigt bekommen habe, hätten die Mokassins in ihm „Schmerz, Empörung und Scham hervorgerufen“, sie stünden aber auch für einen „Weg, den wir gemeinsam beschreiten wollen. Gemeinsam gehen, gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten, damit die Leiden der Vergangenheit einer Zukunft der Gerechtigkeit, Heilung und Versöhnung Platz machen.“
Das Indigenengebiet Maskwacis mit seinen rund 8.000 Einwohnern war die erste Etappe auf der Kanada-Reise von Franziskus, noch vor den offiziellen Begegnungen mit Regierenden oder Kirchenleuten in größeren Städten. In Maskwacis befinden sich die Reservate der westkanadischen Indigenenstämme. Die Begegnung selbst fand in einem kreisrunden Freiluft-Areal statt, Indigenen-Älteste aus dem ganzen Land empfingen den Papst mit traditionellen Tänzen und Musik, auch der kanadische Premier Justin Trudeau war zugegen.
Auf die Papstrede folgte ein Gesang, danach ehrte ein Ältester den Papst mit einem Feder-Kopfschmuck, den er ihm aufsetzte. Zum Abschluss betete Franziskus auf Englisch das Vaterunser mit den Anwesenden und erteilte den Segen. Besonders viele ältere Indigene, aber auch einige Jugendliche, waren bei der Begegnung mit dem Papst anwesend, und nicht wenige hatten Tränen in den Augen, als der Papst um Vergebung bat und das von den Indigenen erlittene Unrecht klar benannte.
First Nations, Métis und Inuit
Die Ureinwohner, die seit Tausenden Jahren das kanadische Territorium bewohnen, setzen sich aus drei großen Gruppen zusammen: den First Nations, den Métis und den Inuit, innerhalb derer es eine große Vielfalt an Völkern mit unterschiedlichen Sitten, Gebräuchen und Sprachen gibt. Die First Nations stellen die vorherrschende indigene Gemeinschaft Kanadas im südlichen Teil des Landes dar; die Inuit gehören zu einer der Hauptgruppen, die die arktische Zone bewohnen; und die Métis im westlichsten Teil Kanadas sind die mestizischen Nachkommen der Verbindung zwischen Ureinwohnern und Europäern.
(vatican news - gs)
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