Papstansprache an Erdbebenopfer in L'Aquila: Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Ich freue mich, bei euch sein zu können, und ich danke dem Kardinalerzbischof für den Gruß, den er im Namen aller an mich gerichtet hat. Zusammen mit euch, die ihr hier anwesend seid, umarme ich mit Zuneigung die ganze Stadt und die Diözese L'Aquila.
In diesem Moment der Begegnung mit euch, insbesondere mit den Angehörigen der Erdbebenopfer, möchte ich meine Verbundenheit mit deren Familien und mit eurer gesamten Gemeinschaft zum Ausdruck bringen, die die Folgen dieses tragischen Ereignisses mit großer Würde bewältigt hat.
Zunächst danke ich euch für euer Glaubenszeugnis: Trotz des Schmerzes und der Verwirrung, die zu unserem Glauben als Pilger gehören, habt ihr euren Blick auf Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, gerichtet, der durch seine Liebe den Schmerz und den Tod von der Sinnlosigkeit erlöst hat. Und Jesus hat euch wieder in die Arme des Vaters gelegt, der keine einzige Träne vergeblich vergießt, sondern sie alle in seinem barmherzigen Herzen bewahrt.
In diesem Herzen sind die Namen eurer Lieben eingeschrieben, die aus der Zeit in die Ewigkeit eingegangen sind. Die Gemeinschaft mit ihnen ist lebendiger denn je. Der Tod kann die Liebe nicht brechen, so heißt es ja auch in der Totenliturgie: „Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen“ (Präfation I).
Ich beglückwünsche euch zu der Sorgfalt, mit der ihr die „Kapelle des Gedächtnisses“ geschaffen habt. Das Gedächtnis ist die Stärke eines Volkes, und wenn dieses Gedächtnis durch den Glauben erleuchtet wird, bleibt das Volk nicht in der Vergangenheit gefangen, sondern wandelt in der Gegenwart und blickt in die Zukunft, wobei es stets mit seinen Wurzeln verbunden bleibt und die guten und schlechten Erfahrungen der Vergangenheit zu schätzen weiß. Ihr, die Menschen von L'Aquila, habt Widerstandskraft bewiesen. Verwurzelt in eurer christlichen und bürgerlichen Tradition habt ihr es geschafft, die Auswirkungen des Erdbebens zu überstehen und mit der mutigen und geduldigen Arbeit des Wiederaufbaus zu beginnen.
Alles musste wieder aufgebaut werden: die Häuser, die Schulen, die Kirchen. Aber, wie ihr wißt, geht dies mit dem geistigen, kulturellen und sozialen Wiederaufbau der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinschaft einher.
Die persönliche und kollektive Wiedergeburt ist ein Geschenk der Gnade und zugleich die Frucht des Engagements eines jeden Einzelnen. Es ist von grundlegender Bedeutung, die organische und synergetische Zusammenarbeit von Institutionen und Verbänden zu aktivieren und zu stärken: eine fleißige Übereinstimmung, ein weitsichtiges Engagement.
Bei den Wiederaufbauarbeiten verdienen die Kirchen besondere Aufmerksamkeit. Sie sind das Erbe der Gemeinschaft, nicht nur im historischen und kulturellen Sinne, sondern auch im Sinne der Identität. Diese Steine sind vom Glauben und von den Werten der Menschen durchdrungen; und die Kirchen sind auch die Orte ihres Lebens und ihrer Hoffnung.
Und da wir gerade von Hoffnung sprechen, möchte ich die hier anwesende Delegation der Strafanstalten der Abruzzen begrüßen und ihr danken. Auch in euch sehe ich ein Zeichen der Hoffnung, denn auch in den Gefängnissen gibt es viele, viel zu viele Opfer. Sie sind heute hier ein Zeichen der Hoffnung für den menschlichen und sozialen Wiederaufbau. Ich danke euch!
Ich grüße euch alle erneut und segne euch, eure Familien und alle Bürger von Herzen. Jemonnanzi!
(vatican news - übersetzung: silvia kritzenberger)
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