Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut
Die offizielle Übersetzung finden Sie wie gewohnt in Kürze auf der Seite www.vatican.va.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Wir setzen unsere Katechese zum Thema Unterscheidung fort. Die Unterscheidung ist wichtig, um zu wissen, was in unserem Innsersten vorgeht. Denn manchmal müssen wir unterscheiden, woher unsere Gefühle und Ideen kommen, wo sie uns hinführen, zu welcher Entscheidung... Und heute konzentrieren wir uns auf ihr erstes und wesentlichstes Element, das Gebet. Um zu unterscheiden, muss man sich in einem Umfeld, einem Zustand des Gebets befinden.
Das Gebet ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Unterscheidung der Geister, vor allem, wenn es die Liebe einbezieht und es uns möglich macht, ganz einfach und vertrauensvoll mit Gott zu sprechen, wie mit einem Freund. Es geht darum, über die Gedanken hinauszugehen und mit einer liebevollen Spontaneität in die Vertrautheit mit dem Herrn einzutreten. Das Geheimnis des Lebens der Heiligen ist die familiäre Vertrautheit mit Gott, die in ihnen wächst und es ihnen immer leichter macht, zu erkennen, was gottgefällig ist. Das wahre Gebet ist Vertrautheit mit Gott. Nicht wie ein Papagei das Gebet herunterleiern, nein. Das echte Gebet ist diese Spontaneität und Vertrautheit mit Gott. Diese Vertrautheit überwindet die Angst oder den Zweifel, dass Gottes Wille vielleicht nicht zu unserem Besten ist: eine Versuchung, die sich manchmal in unsere Gedanken einschleicht und unsere Herzen unruhig und unsicher oder auch verbittert macht.
Das Leben ist nicht immer logisch
Die Unterscheidung erhebt keinen Anspruch auf absolute Gewissheit, es ist nicht keine chemisch reine Methode, nein, sie erhebt keinen Anspruch auf absolute Gewissheit, denn es geht um das Leben, und das Leben ist nicht immer logisch; es hat viele Aspekte, die sich nicht in ein einziges Denkschema einordnen lassen. Wir würden gerne genau wissen, was zu tun ist, aber selbst wenn es eintrifft, handeln wir nicht immer entsprechend. Wie oft haben auch wir die Erfahrung gemacht, die der Apostel Paulus so beschreibt: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich“ (Röm 7,19). So oft. Wir sind nicht nur Vernunft, wir sind keine Maschinen, es genügt nicht, Anweisungen zu erhalten, um sie auszuführen: die Hindernisse, wie auch die Hilfsmittel dabei, sich für den Herrn zu entscheiden, sind vor allem affektiver Art, sie kommen aus dem Herzen.
Es ist bezeichnend, dass das erste, von Jesus im Markusevangelium vollbrachte Wunder ein Exorzismus ist (vgl. 1,21-28). In der Synagoge von Kapernaum befreit er einen Mann vom Teufel, von dem falschen Gottesbild, das Satan von Anfang an suggeriert hat: dem eines Gottes, der unser Glück nicht will. Der Besessene, von dem im Evangelium die Rede ist, weiß, dass Jesus Gott ist, aber das veranlasst ihn nicht, an ihn zu glauben. Ja, er fragt sogar: „Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“ (V. 24).
Viele Menschen, auch Christen, denken, dass Jesus zwar der Sohn Gottes sein mag, bezweifeln aber, dass er unser Glück will. Ja, manche befürchten sogar, dass wir, wenn wir seinen Vorschlag annehmen, das, was Jesus uns vorschlägt, unser Leben ruinieren und unsere Wünsche und Bestrebungen aufgeben müssten. Und manchmal werden wir von folgenden Gedanken übermannt: dass Gott zu viel von uns verlangt, wir haben Angst, dass er zu viel von uns verlangt, dass er uns nicht wirklich liebt.
Die Begegnung mit dem Herrn erkennt man an der Freude
Dabei haben wir doch bei unserem ersten Treffen gesehen, dass man eine wirkliche Begegnung mit dem Herrn gerade an der Freude erkennt, die sie mit sich bringt. Wenn ich ein Gebet spreche, (...) begegne ich dem Herrn und verspüre Freude. Jeder von uns spürt Freude, und das ist eine schöne Sache. Traurigkeit oder Angst dagegen sind Zeichen der Gottferne: „Wenn du aber in das Leben eintreten willst, halte die Gebote!“, sagt Jesus zu dem reichen jungen Mann (Mt 19,17). Leider haben es einige Hindernisse dem jungen Mann unmöglich gemacht, den Wunsch zu verwirklichen, den er im Herzen trug: dem „guten Meister“ zu folgen. Er war ein interessierter, unternehmungslustiger junger Mann, der die Initiative ergriffen hatte, Jesus zu treffen, aber er war auch gespalten in seinen Neigungen, für ihn war der Reichtum zu wichtig. Jesus zwingt ihn nicht, sich zu entscheiden, aber in dem Evangeliumstext heißt es, dass der junge Mann „traurig“ von Jesus wegging (V. 22). Wer vom Herrn weggeht, ist nie glücklich, auch wenn er noch soviel Besitz und Möglichkeiten zur Verfügung hat. Jesus zwingt nie dazu, ihm zu folgen. Jesus lässt dich seinen Willen wissen, er lässt dich die Dinge mit viel Herz wissen, aber er lässt dir Freiheit. Und das ist das schönste am Gebet mit Jesus: die Freiheit, die er uns lässt. Aber wenn wir uns vom Herrn entfernen, bleiben wir mit Trauer, mit etwas Häßlichem im Herzen zurück.
Zu unterscheiden, was in unserem Inneren geschieht, ist nicht leicht, denn der Schein kann trügen, aber die Vertrautheit mit Gott kann Zweifel und Ängste sanft zerstreuen und unser Leben immer empfänglicher machen für sein „sanftes Licht“, wie es der heilige John Henry Newman so schön formuliert hat. Die Heiligen erstrahlen in reflektiertem Licht und zeigen in den einfachen Gesten ihres Alltags die liebende Gegenwart Gottes auf, der das Unmögliche möglich macht. Man sagt, dass Ehepartner, die lange Zeit zusammengelebt und sich geliebt haben, einander am Ende ähneln. Ähnliches lässt sich über das affektive Gebet sagen: Es macht uns allmählich, aber auf eine wirkungsvolle Weise, immer mehr fähig, das zu erkennen, was wir unter Konnaturalität verstehen: etwas, das aus der Tiefe unseres Wesens kommt. Im Gebet verharren bedeutet nicht, Worte über Worte herunterzusagen, nein. Im Gebet verharren heißt, mein Herz Jesus zu öffnen, Jesus nahe zu sein, Jesus in mein Herz zu lassen, ihn uns seine Gegenwart spüren zu lassen. Und dort können wir unterscheiden, wann es Jesus ist und wann wir es mit unseren Gedanken sind, die oft weit von dem entfernt sind, was Jesus will.
Die Freundschaft mit Jesus
Bitten wir um diese Gnade: eine Beziehung der Freundschaft mit dem Herrn zu leben, wie ein Freund zu einem Freund zu sprechen (vgl. Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen, 53). Ich habe einen alten Ordensbruder kennengelernt, der Portier in einem Kolleg war, und jedes Mal, wenn er sich dem Altar näherte, schaute er ihn an und sagte: „Hallo!“. Denn er hatte diese Nähe zu Jesus. Er musste nicht bla bla bla sagen, nein: ,Hallo, ich bin dir nahe und du bist mir nahe.' Das ist die Beziehung, die wir im Gebet haben müssen: Nähe, gefühlsmäßige Nähe, wie Geschwister, Nähe zu Jeus. Ein Lächeln, eine einfache Geste, nicht das Herunterleiern von Worten, die nicht im Herzen ankommen.
Es ist eine Gnade, um die wir füreinander bitten müssen: Jesus als unseren Freund sehen, unseren besten Freund, unseren treuen Freund, der nicht erpresst, und der uns vor allem nie verlässt, auch wenn wir uns von ihm entfernen. Er bleibt an der Tür des Herzens. ,Nein, ich will nichts von dir wissen', können wir sagen. Und er bleibt stumm, er bleibt da, in Reichweite des Herzens, weil er immer treu ist. Lasst uns mit diesem Gebet voranschreiten, lasst uns dieses ,Hallo'-Gebet sprechen, das Gebet der Begrüßung des Herrn mit dem Herzen, das Gebet der Zuneigung, das Gebet der Nähe, mit wenigen Worten, aber mit Gesten und mit guten Werken. Danke.
(vaticannews - skr)
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