Papst Franziskus: Ein Plädoyer für die Stille

Erst vor zwei Tagen, in Assisi, hat der Papst dazu aufgerufen, auch einmal „Krach zu schlagen“. An diesem Montag hingegen hielt er im Vatikan ein Plädoyer für die Stille.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Der scheinbare Gegensatz erklärt sich daraus, dass am Samstag junge Leute aus aller Welt, die für eine neue Art der Weltwirtschaft eintreten, Franziskus‘ Zuhörer waren. An diesem Montag hingegen bestand seine Zuhörerschaft aus Ordensfrauen. Ihnen galt Franziskus‘ Lob der Stille.

„Sehr oft ist unser Lebensstil voller Krach – als ob es das Wichtigste überhaupt wäre, die Aufmerksamkeit anderer auf uns zu ziehen. Viele erheben die Stimme, um die Menge dazu zu bringen, für ihre Ideen zu stimmen, wobei sie versuchen, lauter zu sprechen als andere, attraktiver oder spontaner zu sein… Das macht den Menschen hässlich, es schränkt seine Freiheit ein und macht ihn letztlich zum Sklaven derer, die in den Medien, an den Unis, in der öffentlichen Meinung oder der Politik am lautesten sind.“

„Entfernen wir uns vom Krach“

War das eine verkappte Anspielung des Papstes auf den Wahlsieg rechter Parteien in Italien diesen Sonntag? Eher nicht – dafür wäre eine Audienz für gottgeweihte Frauen aus der Ordensfamilie der Kapuzinerinnen wohl das falsche Forum. Dem Papst ging es darum, für eine Kultur des Hinhörens zu werben.

Zum Nachhören: Papst singt das Lob der Stille - ein Beitrag von Radio Vatikan

„Die prophetische Art, um die Jesus uns bittet, besteht darin, gegen den Strom zu schwimmen, indem wir die Stille suchen und uns von der Welt, vom Krach, entfernen. Das macht es dann möglich, aufmerksam zu sein, die verschiedenen Töne genauer zu hören, abzuwägen. Dann wird aus dem dissonanten Stimmengewirr etwas Gestalt annehmen, das einen Namen hat und ein Gesicht. Dann wird es keinen Misston in unseren Ohren geben, wenn wir durch unser Schweigen innerlich ausgeglichen geworden sind.“

„Prophetinnen des Zuhörens“

Der Papst rief die Kapuziner-Terziarinnen von der Heiligen Familie (eine Gründung des spanischen Bischofs Luis Amigó aus dem letzten Jahrhundert) dazu auf „Prophetinnen des Zuhörens“ zu werden. Nicht nur den Mitmenschen, sondern vor allem Gott gegenüber.

„Er ruft euch dazu, alle ohne Unterschied zu lieben, die Schöpfung als seine Gabe zu lieben, in allem seine Größe zu erkennen, wie uns der hl. Franziskus in seinem Sonnengesang lehrt. Das ist eine ganz natürliche Melodie, weil sie das Wesen aller Dinge ist; in dieser Melodie finden sogar der Schmerz, das Dunkel, der Tod ihren Sinn – und auch der Bruder in Schwierigkeiten. Der, der Vergebung braucht, der Erlösung braucht, der eine zweite Chance braucht…“

(vatican news)
 

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26. September 2022, 13:10