Die Katechese des Papstes beim Mittagsgebet im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
In der heutigen Liturgie erzählt das Evangelium von der Begegnung zwischen Jesus und Zachäus, dem Anführer der Zöllner in der Stadt Jericho (Lk 19,1-10). Im Mittelpunkt dieses Berichts steht das Verb suchen. Passen wir auf: suchen. Zachäus „suchte zu sehen, wer Jesus sei" (V. 3), und Jesus sagt, nachdem er ihm begegnet ist: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (V. 10). Verweilen wir ein wenig bei diesen beiden Blicken, die einander suchen: der Blick des Zachäus, der Jesus sucht, und der Blick Jesu, der Zachäus sucht.
Der Blick des Zachäus. Er ist ein Zöllner, d. h. einer jener Juden, die im Auftrag der römischen Herrscher Steuern eintrieben - ein Verräter der Heimat - und ihre Stellung ausnutzten. Deshalb war Zachäus reich, wurde von allen gehasst und als Sünder abgestempelt. Der Text sagt, dass „er klein von Gestalt war“ (V. 3) und spielt damit vielleicht auch auf seine innere Niedrigkeit an, auf sein mittelmäßiges, unehrliches Leben, den Blick immer nach unten gerichtet. Aber das Wichtige ist, dass er kleinwüchsig war. Doch Zachäus will Jesus sehen. Etwas trieb ihn an, ihn zu sehen. „Er lief vorwärts“, heißt es im Evangelium, „und um ihn sehen zu können, kletterte er auf einen Maulbeerfeigenbaum, denn er musste auf diesem Weg vorbeikommen“ (V. 4). Er stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum: Zachäus, der Mann, der alles dominierte, macht sich lächerlich, um Jesus zu sehen. Denken wir einmal darüber nach, was passieren würde, wenn zum Beispiel ein Wirtschaftsminister auf einen Baum stiege, um etwas anderes zu sehen: er riskiert, ausgelacht zu werden. Und Zachäus hat riskiert, ausgelacht zu werden, um Jesus zu sehen, er hat sich lächerlich gemacht. Zachäus hat in seiner Niedrigkeit das Bedürfnis, einen anderen Blick zu suchen, nämlich den von Christus. Er kennt ihn noch nicht, aber er wartet auf jemanden, der ihn aus seinem Zustand - moralischer Niedrigkeit - befreit, der ihn aus dem Sumpf herausholt, in dem er sich befindet. Das ist grundlegend: Zachäus lehrt uns, dass im Leben nie alles verloren ist. Wir können immer wieder Platz schaffen für den Wunsch, neu anzufangen, neu zu beginnen, umzukehren. Und das ist es, was Zachäus macht.
Entscheidend in diesem Sinne ist der zweite Aspekt: der Blick Jesu. Er ist vom Vater gesandt worden, um die Verlorenen zu suchen; und als er in Jericho ankommt, geht er genau an dem Baum vorbei, auf dem Zachäus sitzt. Das Evangelium berichtet, dass „Jesus aufblickte und zu ihm sagte: Zachäus, komm sofort herunter, denn heute muss ich in deinem Haus Halt machen“ (V. 5). Das ist ein sehr schönes Bild, denn wenn Jesus nach oben schauen muss, bedeutet das, dass er Zachäus von unten her anschaut. Das ist die Geschichte der Erlösung: Gott hat nicht auf uns herabgesehen, um uns zu demütigen und zu verurteilen, sondern er hat sich herabgelassen, bis zu dem Punkt, uns die Füße zu waschen, während er uns von unten angesehen und unsere Würde wiederhergestellt hat. So scheint die Begegnung der Augen von Zachäus und Jesus die gesamte Heilsgeschichte zusammenzufassen: Die Menschheit mit ihrem Elend sucht die Erlösung, aber vor allem sucht Gott mit seiner Barmherzigkeit sein Geschöpf, um es zu retten.
Brüder und Schwestern, lasst uns daran denken: Gottes Blick bleibt nie bei unserer Vergangenheit voller Fehler stehen, sondern schaut mit unendlichem Vertrauen auf das, was wir werden können. Und wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass wir Menschen von niedrigem Wuchs sind, den Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen sind, geschweige denn denen des Evangeliums, verstrickt in Probleme und Sünden, dann schaut uns Jesus immer mit Liebe an: wie bei Zachäus kommt er uns entgegen, ruft uns beim Namen und kommt, wenn wir ihn willkommen heißen, in unser Haus. Dann können wir uns fragen: Wie sehen wir uns selbst? Fühlen wir uns unzulänglich und resignieren, oder suchen wir gerade dort, wo wir uns niedergeschlagen fühlen, die Begegnung mit Jesus? Und dann: Welchen Blick haben wir auf diejenigen, die sich geirrt haben und sich aus dem Staub ihrer Fehler zu erheben versuchen? Ist es ein Blick von oben, der urteilt, verachtet und ausgrenzt? Erinnern wir uns daran, dass man eine Person nur dann von oben ansehen darf, wenn man ihr aufhilft: nur dann. Nur in diesem Fall ist es erlaubt, von oben herab nach unten zu sehen. Wir Christen aber müssen den Blick Jesu haben, der von unten her umarmt, der die Verlorenen sucht, mit Mitgefühl. Das ist der Blick der Kirche, und das muss er auch immer sein, der Blick Christi, nicht der verurteilende Blick.
Beten wir zu Maria, auf deren Demut der Herr geschaut hat, und bitten wir sie um die Gabe eines neuen Blicks auf uns und auf die anderen.
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