Wortlaut: Papst Franziskus beim Angelus am 4. Advent
Liebe Schwestern und Brüder, guten Tag!
Heute, am vierten und letzten Adventssonntag, stellt uns die Liturgie die Gestalt des heiligen Josef vor (vgl. Mt 1,18-24). Er ist ein gerechter Mann, der bald heiraten wird. Wir können uns vorstellen, was er sich für die Zukunft erträumt: eine schöne Familie mit einer liebevollen Frau und vielen lieben Kindern und eine anständige Arbeit: einfache und schöne Träume. Plötzlich werden diese Träume jedoch durch eine beunruhigende Entdeckung zunichte gemacht: Maria, seine Verlobte, erwartet ein Kind, und dieses Kind ist nicht von ihm! Wie muss sich Joseph gefühlt haben? Verlust, Schmerz, Verwirrung, vielleicht sogar Irritation und Enttäuschung... Die Welt bricht über ihm zusammen! Und was kann er tun?
Das Gesetz gibt ihm zwei Möglichkeiten. Die erste besteht darin, Maria anzuprangern und sie den Preis für ihre angebliche Untreue zahlen zu lassen. Die zweite besteht darin, die Verlobung heimlich zu lösen, ohne Maria einem Skandal und schweren Folgen auszusetzen, sondern die Last der Schande auf sich zu nehmen. Josef wählt diesen zweiten Weg: den Weg der Barmherzigkeit. Und siehe da, mitten in der Krise, während er all dies überlegt und abwägt, zündet Gott ein neues Licht in seinem Herzen an: In einem Traum verkündet er ihm, dass die Mutterschaft Marias nicht aus einem Verrat herrührt, sondern das Werk des Heiligen Geistes ist, und dass das Kind, das geboren wird, der Retter ist (vgl. V. 20-21); Maria wird die Mutter des Messias sein, und er wird sein Beschützer sein. Als Josef erwacht, stellt er fest, dass der größte Traum eines jeden frommen Israeliten - der Vater des Messias zu sein - für ihn auf völlig unerwartete Weise in Erfüllung geht.
Um ihn zu verwirklichen, reicht es nicht aus, dass er zu den Nachkommen Davids gehört und das Gesetz treu befolgt, sondern er muss vor allem Gott vertrauen und Maria und ihren Sohn ganz anders aufnehmen, als man er es sich erwartet hatte, anders als er es immer getan hatte. Mit anderen Worten: Josef muss seine beruhigenden Gewissheiten, seine perfekten Pläne, seine berechtigten Erwartungen aufgeben und sich für eine Zukunft öffnen, die es zu entdecken gilt. Und im Angesicht Gottes, der seine Pläne durchkreuzt und um Vertrauen bittet, antwortet Josef mit JA. Sein Mut ist heldenhaft und zeigt sich in der Stille: Er vertraut, nimmt an, ist verfügbar, verlangt keine weiteren Garantien.
Was sagt Josef heute zu uns?
Brüder und Schwestern, was sagt Josef heute zu uns? Auch wir haben unsere Träume, und vielleicht denken wir an Weihnachten mehr über sie nach, wir sprechen miteinander darüber. Vielleicht bedauern wir einige geplatzte Träume und sehen, dass die besten Erwartungen oft mit unerwarteten, beunruhigenden Situationen konfrontiert werden. Wenn das passiert, zeigt uns Josef den Weg: Wir dürfen negativen Gefühlen wie Wut und Verschlossenheit nicht nachgeben, das ist der falsche Weg!
Stattdessen müssen wir die Überraschungen des Lebens, ja sogar die Krisen, mit einer gewissen Vorsicht annehmen: Wenn man sich in einer Krise befindet, darf man nicht vorschnell nach dem Instinkt entscheiden, sondern muss wie Josef "darüber nachdenken" (vgl. V. 20) und sich auf das grundlegende Kriterium stützen: die Barmherzigkeit Gottes. Wenn man die Krise durchlebt, ohne sich in Verschlossenheit, Wut und Angst zu verlieren, sondern die Tür zu Gott offenhält, kann Er eingreifen. Er ist ein Experte darin, Krisen in Träume zu verwandeln: Ja, Gott öffnet Krisen für neue Perspektiven, vielleicht nicht so, wie wir es erwarten, aber so, wie er es vermag. Das sind die Horizonte Gottes: überraschend, aber unendlich viel weiter und schöner als unsere! Möge die Jungfrau Maria uns helfen, offen für die Überraschungen Gottes zu sein.
(vatican news)
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