Papst Franziskus würdigt bei „Te Deum“ verstorbenen Benedikt XVI.
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Franziskus predigte vor den rund 8.000 Mitfeiernden über das Thema Freundlichkeit – und das ließ ihn, so sagte er, „spontan an den innig geliebten emeritierten Papst“ denken.
„Bewegt erinnern wir uns an seine so edle, so freundliche Gestalt. Und wir fühlen im Herzen große Dankbarkeit: Dankbarkeit gegenüber Gott, dass er ihn der Kirche und der Welt geschenkt hat, und Dankbarkeit ihm gegenüber für all das Gute, das er getan hat, vor allem für sein Zeugnis des Glaubens und Gebets, vor allem in diesen letzten Jahren des zurückgezogenen Lebens. Gott allein kennt den Wert und die Kraft seines Fürbittgebets, seiner Opfer, die er für das Wohl der Kirche gebracht hat.“
Franziskus hatte seinen todkranken Vorgänger noch am vergangenen Mittwoch in dessen Residenz in den Vatikanischen Gärten besucht und zum Gebet für ihn aufgerufen; an diesem Samstagvormittag verstarb er im Alter von 95 Jahren.
Ansonsten verlief die Feier zum Jahresschluss im Vatikan wie üblich, nämlich feierlich. Unter der Kuppel des Michelangelo erklang das traditionelle „Te Deum“, ein frühchristlicher Hymnus, der nur bei besonderen Gelegenheiten angestimmt wird. Auch wenn Epidemien oder Kriege toben: In St. Peter wird immer ein feierlicher Schlusspunkt hinter jedes Kalenderjahr gesetzt. Viele Gebete und Gesänge, bis hin zum „Adeste fideles“ am Schluss (auf Deutsch bekannt als „Nun freut euch, ihr Christen“), waren in der Kirchensprache Latein.
Auf Italienisch wurden Fürbitten für eine „wahre Geschwisterlichkeit unter den Menschen“ und für alle Verstorbenen gesungen. Dabei mag mancher in der Basilika auch für den emeritierten Papst Benedikt XVI. gebetet haben...
Die Predigt von Papst Franziskus war eine Meditation über ein paar Worte über Jesus aus dem Galaterbrief des hl. Paulus: „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4).
„Als Gott in der Fülle der Zeit Mensch wurde, kam er nicht vom Himmel herab auf die Welt, sondern er wurde von Maria geboren. Er wurde nicht in einer Frau, sondern von einer Frau geboren. Das ist etwas ganz anderes: Es bedeutet, dass Gott Fleisch von ihr nehmen wollte. Er hat sie nicht ausgenutzt, sondern sie um ihr Ja, ihre Zustimmung gebeten. Und mit ihr begann er den langsamen Weg der Heranreifung einer Menschheit, die frei von Sünde und voll von Gnade und Wahrheit, voll von Liebe und Treue ist.“
Er, der uns ohne uns geschaffen hat, will uns nicht ohne uns retten
Das sei „der Weg, den Gott gewählt hat“: ein Weg der Achtung vor dem Menschen und seiner Freiheit. „Er, der uns ohne uns geschaffen hat, will uns nicht ohne uns retten“, sagte der Papst mit einem Zitat des hl. Augustinus. Daraus spreche Rücksichtnahme und Freundlichkeit, und diesen Stil Gottes sollten wir zu dem unseren machen.
Gott ist ein Gentleman
„Die Freundlichkeit ist ein wichtiger Faktor in der Kultur des Dialogs, und der Dialog ist unverzichtbar, wenn wir in Frieden leben wollen, als Geschwister, die nicht immer miteinander auskommen - das ist normal -, die aber dennoch miteinander reden, einander zuhören und versuchen, einander zu verstehen und zu begegnen.“
Es gehe ihm nicht um „eine Frage des guten Tons“ oder der „Etikette“, so Franziskus. Vielmehr gehe es darum, die Welt „menschlicher zu machen“.
Wenn unsere Mitmenschen Hindernisse sind…
„Die Schäden, die der konsumorientierte Individualismus anrichtet, liegen vor aller Augen. Der schwerwiegendste Schaden besteht darin, dass andere, die Menschen um uns herum, als Hindernisse für unsere Ruhe, für unser Wohlbefinden wahrgenommen werden. Andere belästigen uns, stören uns, nehmen uns die Zeit und die Ressourcen, die wir brauchen, um das zu tun, was wir wollen.“
Freundlichkeit als Gegenmittel
Angesichts dieses vorherrschenden Klimas sollten wir uns bewusst für Freundlichkeit entscheiden, insistierte Franziskus. „Die Freundlichkeit ist ein Gegenmittel gegen einige Pathologien unserer Gesellschaft, etwa gegen die Grausamkeit, die sich leider wie ein Gift ins Herz einschleichen und die Beziehungen vergiften kann…“
Da mochte man für einen Moment an die brutalen Bilder vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine denken – ein Erbe dieses Jahres 2022, das die Menschheit hoffentlich bald hinter sich lassen kann.
(vatican news – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.