Papst Franziskus: Große Polit-Rede zum Jahresbeginn
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Es ist üblich, dass der Papst bei der Neujahrsaudienz für Diplomaten aus aller Welt eine große Polit-Rede hält. So auch diesmal: Franziskus bedankte sich für die Anteilnahme am Tod seines Vorgängers Benedikt XVI., den er am letzten Donnerstag zu Grabe getragen hat, und lobte die Verlängerung des provisorischen Abkommens über Bischofsernennungen zwischen dem Vatikan und China. Vor allem aber warnte er vor den Gefahren eines Atomkriegs.
Schon der hl. Papst Johannes XXIII. habe im Oktober 1962 während der Kuba-Krise eindringlich vor der Selbstauslöschung der Menschheit durch die Bombe gewarnt. „Leider wird auch heute noch die nukleare Bedrohung heraufbeschworen, wodurch die Welt in Angst und Schrecken versetzt wird. Ich kann hier nur wiederholen, dass der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist… Bei der Bedrohung durch Atomwaffen sind wir alle immer Verlierer!“
Ruf nach schneller Lösung für Atomstreit mit Iran
Es war bemerkenswert, dass Franziskus in diesem Zusammenhang zunächst auf das iranische Atomprogramm zu sprechen kam und die Blockade der Verhandlungen über ein Wieder-Inkraftsetzen des Atomabkommens mit dem Iran beklagte; er hoffe auf eine baldige „konkrete Lösung“.
Erst an zweiter Stelle ging der Papst auf den Ukraine-Krieg ein. „Ich kann am heutigen Tag meinen Appell zur sofortigen Beendigung dieses sinnlosen Konflikts nur erneuern, dessen Auswirkungen im Bereich der Energie und der Nahrungsmittelproduktion auf ganze Gebiete, auch außerhalb Europas, vor allem in Afrika und im Nahen Osten, zu spüren sind.“
Ukraine: Angriffe auf Infrastruktur sind ein Verbrechen
Der Ukraine-Krieg säe Tod und Zerstörung, reiße Familien auseinander und treffe vor allem die Schwächsten, so Franziskus. Die Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur ließen Menschen vor Hunger und Kälte sterben. „Diesbezüglich stellt die pastorale Konstitution Gaudium et spes fest: ‚Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist‘ (Nr. 80).“
Mit Sorge blickte der Papst in seiner weltpolitischen tour d’horizon dann auf den weiterschwelenden Krieg in Syrien und auf die Härten, die die internationalen Sanktionen für die ohnehin leidgeprüfte Bevölkerung im Land bedeuteten. Er rief Israel und Palästinenser dazu auf, den Mut zu neuen Friedensverhandlungen aufzubringen, und bedachte eine Reihe weiterer Konflikte, darunter im Kongo, im Jemen und auf der koreanischen Halbinsel, mit mahnenden Worten.
Mehr Engagement für Abrüstung
„Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolge ich auch die Lage in Myanmar, wo es seit zwei Jahren Gewalt, Schmerz und Tod gibt. Ich rufe die internationale Gemeinschaft auf, sich dafür einzusetzen, dass der Versöhnungsprozess Wirklichkeit wird, und ich fordere alle beteiligten Parteien auf, auf den Weg des Dialogs zurückzukehren, um den Menschen in diesem geliebten Land wieder Hoffnung zu geben.“
Angesichts all der Kriege und Konflikte in der Welt forderte Franziskus eine Abkehr vom Waffenhandel und neue Schritte zur Abrüstung, „da kein Frieden möglich ist, wenn die Werkzeuge des Todes so weit verbreitet sind“. Zu den Bausteinen, um den Frieden in der Welt aufzubauen und zu stärken, gehöre die Förderung von Frauen, die leider „auch heute noch in vielen Ländern als Bürger zweiter Klasse angesehen“ würden.
„Sie sind Gewalt und Missbrauch ausgesetzt und ihnen wird die Möglichkeit verweigert, zu studieren, zu arbeiten, ihre Talente zu entfalten, Zugang zu medizinischer Versorgung oder sogar Nahrung zu erhalten. Wo die Menschenrechte für alle uneingeschränkt anerkannt werden, können Frauen stattdessen ihren unersetzlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben leisten und zu den wichtigsten Verbündeten des Friedens werden.“ Franziskus nannte es „inakzeptabel“, dass Frauen in Afghanistan von höherer Bildung ausgeschlossen werden.
Entscheidend für den Frieden sei die Achtung des Lebens. Der Papst bemerkte, es gebe kein „Recht auf Abtreibung“ („Niemand kann ein Recht auf das Leben eines anderen Menschen beanspruchen, schon gar nicht, wenn er wehrlos ist“), münzte das aber nicht explizit auf die entsprechenden Debatten in den USA.
Sorge über Schwäche der Demokratien
„Das Recht auf Leben ist auch dort bedroht, wo die Todesstrafe weiterhin praktiziert wird, wie es dieser Tage im Iran der Fall ist, nachdem die jüngsten Demonstrationen mehr Respekt für die Würde der Frauen gefordert haben. Die Todesstrafe kann nicht für eine angebliche staatliche Gerechtigkeit herhalten, da sie weder abschreckt noch den Opfern Gerechtigkeit verschafft, sondern nur den Durst nach Rache schürt.“
Des weiteren warb der Papst um mehr Investitionen im Bildungsbereich weltweit, sah mit Sorge eine „Schwächung der Demokratie“ in vielen Teilen der Welt und rief zu mehr Anstrengungen gegen den Klimawandel und für den Artenschutz auf. Er bekräftigte das Recht auf Religionsfreiheit („eine der Mindestvoraussetzungen für ein Leben in Würde“), wobei er seine Sicht unterstrich, dass die Religionen „nicht ein Problem sind, sondern Teil der Lösung für ein harmonischeres Zusammenleben“. Ausdrücklich forderte er ein europäisches Regelwerk für den Umgang mit Migranten und Asylsuchenden sowie eine Reform der UNO.
Für eine Reform der UNO
„Der derzeitige Konflikt in der Ukraine hat die Krise, in der sich das multilaterale System seit langem befindet, noch deutlicher gemacht und es bedarf tiefgreifender Überlegungen, um angemessen auf die Herausforderungen unserer Zeit antworten zu können. Dies erfordert eine Reform der Organe, die ihre Arbeit ermöglichen, damit sie wirklich die Bedürfnisse und Anliegen aller Völker repräsentieren und Abläufe vermieden werden, die einigen zum Nachteil anderer mehr Gewicht verleihen. Es geht also nicht darum, Blöcke von Allianzen zu bilden, sondern darum, Gelegenheiten für einen Dialog aller zu schaffen.“
Der Heilige Stuhl unterhält derzeit mit 183 Staaten diplomatische Beziehungen; hinzu kommen die EU und der Souveräne Malteserorden. Die Botschafter von 89 Staaten beim Heiligen Stuhl haben ihren Sitz in Rom. Ebenfalls einen römischen Sitz haben die Vertreter beim Vatikan von der EU, dem Malteserorden, der Arabischen Liga, der Weltmigrationsbehörde sowie des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.
(vatican news)
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