Papst in Buch mit Psychologe: Zu viel Angst ist nicht christlich
Salvatore Cernuzio und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Das Gespräch mit Papst Franziskus steht am Anfang des Buchs „La Paura come Dono" (zu Deutsch in etwa „Angst als Geschenk“). Franziskus berichtet dort über seine Gedanken und Gefühle seit seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche im Jahr 2013. Thematisiert werden auch Migration und Homosexualität, Missbrauch und Möglichkeiten der Prävention - etwa bei der Ausbildung in Priesterseminaren.
Franziskus über den Moment nach der Papstwahl
Nach dem Konklave und seiner Wahl habe er zunächst etwas Furcht verspürt, berichtet Papst Franziskus. Darauf sei aber Ruhe gefolgt. Er habe nicht damit gerechnet, gewählt zu werden, aber seinen inneren Frieden nie verloren. Es habe ihm auch geholfen, dass Kardinal Claudio Hummes ihn an die armen Menschen erinnert habe und an das Wirken des Heiligen Geistes: „Da habe ich Frieden und Ruhe gespürt, auch in meinen folgenden Entscheidungen...", so der Papst.
Nähe hilft
In dem Gespräch mit dem Psychologen berichtet das Kirchenoberhaupt auch, dass Angst ihm bei Entscheidungen oftmals helfe: „Es kommt vor, wenn ich eine Entscheidung zu fällen habe, dass ich mir sage:, Wenn ich das jetzt so mache...?` Und da habe ich ein bisschen Angst, Fehler zu begehen, nicht?! Diese Angst hilft mir in diesem Fall, denn sie sorgt dafür, die Entscheidung, die ich zu treffen habe, gut abzuwägen, wie ich sie umsetze und der ganze Rest. Es ist keine Angst, die mich aufreibt, nein,nein. Es ist ein Gefühl, das mich wachsam sein lässt: Eine Angst, die wie eine Mutter ist, die dich warnt."
Übermäßige Angst gelte es jedoch zu vermeiden. Sie tue den Menschen nicht gut und könne lähmen, erklärt das Kirchenoberhaupt: „Menschen die Sklaven ihrer Angst sind, werden oft handlungsunfähig. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Sie sind ängstlich, auf sich selbst konzentriert und warten nur darauf, dass etwas Schlimmes passiert. So führt Angst dazu, gelähmt zu sein." Übertriebene Angst sei daher auch kein christliches Verhalten, da die Menschen nicht mehr frei seien, zu denken, „nach Vorne zu schauen, etwas Gutes zu tun".
Missbrauchsfälle und Psychologie bei der Priesterausbildung
Dabei könnten Spezialisten, gut ausgebildete Psychologen, helfen. „Wenn solche Probleme nicht erkannt werden, können sie verheerende Auswirkungen haben", so Papst Franziskus. „Die Priesterausbildung muss Priester und geweihte hervorbringen, die reif sind, Experten in der Nächstenliebe, und nicht ,Funktionäre des Heiligen'. Die Leute müssen Zeugen des Glaubens treffen mit denen sie sich austauschen können und die ihnen guten, menschlichen Beistand und Nähe geben können." Das Kirchenoberhaupt mahnt in dem Gespräch Kirchenleute auch noch einmal, sich von Weltlichkeit und Karrierstreben nicht ablenken zu lassen oder diesen zu verfallen. Ebenso verurteilt Papst Franziskus erneut Scheinheiligkeit:
„Die Gläubigen müssen sehen, dass wir wie sie sind, dass wir die gleichen Ängste haben und wie sie in Gottes Gnaden leben möchten. Gläubigen wie Nichtgläubigen müssen wir mit offenem Herzen begegenen und mit offenem Herzen zu ihnen sprechen. Das müssen wir alle tun", so Papst Franziskus.
Mit Blick auf das Thema Homosexualität wiederholt der Papst ebenfalls bereits geäußerte Aussagen: Gott sei Vater und verstoße keines seiner Kinder. „Der Stil Gottes ist Nähe, Barmherzigkeitund Zärtlichkeit. Nicht Urteil und Ausgrenzung. Gott nähert sich liebevoll jedem seiner Kinder. Sein Herz steht jedem offen. Er ist Vater. Liebe spaltet nicht, sondern eint."
Migration nicht für Angstmache missbrauchen
Zum Thema Migration und Flüchtlinge bekräftigt das Kirchenoberhaupt seine Mahnung, das Thema dürfe nicht instrumentalisiert werden, „ um dem Volk Angst zu machen, es glauben zu machen, unsere probleme hingen von ihnen ab". Dies sei nämlich nicht der Fall: „Unsere Probleme entstehen aufgrund eines Mangels an Werten, der chaotischen Weise, wie unser Leben und unsere Städte organisiert sind, aufgrund einer Leerstelle des Glaubens, die uns voneinander entfernt und keine Geschwisterlichkeit zulässt", so die Analyse des Papstes.
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