Papst kritisiert Ausbeutung: „Hände weg von Afrika!“
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Franziskus verglich den Kongo mit einem Diamanten, wobei der größte Reichtum des Landes nicht seine Bodenschätze, sondern seine Menschen seien. „Ich bin hier, um euch zu umarmen und euch daran zu erinnern, dass ihr von unschätzbarem Wert seid, dass die Kirche und der Papst auf euch vertrauen, dass sie an eure Zukunft glauben, an eine Zukunft, die in euren Händen liegen möge und in die ihr eure Gaben der Intelligenz, des Scharfsinns und des Fleißes einzubringen verdient“, sagte der Papst, der freilich auch gleich eingangs einige der zahlreichen Probleme des Kongo ansprach: Gewalt, Konflikt, Zwangsmigration, Ausbeutung.
Franziskus appellierte an alle Menschen im Land, die Voraussetzung für Frieden zu schaffen. „Jeder Kongolese soll sich aufgerufen fühlen, seinen je eigenen Beitrag zu leisten! Die Gewalt und der Hass dürfen bei niemandem mehr Platz im Herzen oder auf den Lippen haben, denn sie sind menschenfeindliche und antichristliche Gefühle, die die Entwicklung lähmen und uns in eine dunkle Vergangenheit zurückführen.“
Der Papst spielte hier auf die Kolonialgeschichte des Kongo an, der lange Zeit belgische Kolonie gewesen und regelrecht geplündert worden war. Belgien entließ das Land 1960 unvorbereitet in die Unabhängigkeit. 1965 putschte sich Joseph Mobutu an die Macht, er benannte das Land in Zaire um. Sein Regime währte 32 Jahre und zählte zu den korruptesten Diktaturen Afrikas.
Heute sei anstelle des politischen ein „ebenso versklavender wirtschaftlicher Kolonialismus“ im Kongo zu beobachten, sagte Franziskus. Das „Gift der Habsucht“ habe die Diamanten des Kongo „zu Blutdiamanten werden lassen“, das sei „ein Drama, vor dem die wirtschaftlich weiter fortgeschrittene Welt oft Augen, Ohren und Mund verschließt. Aber dieses Land und dieser Kontinent verdienen es, respektiert und angehört zu werden, sie verdienen Raum und Aufmerksamkeit: Hände weg von der Demokratischen Republik Kongo, Hände weg von Afrika! Die Erstickung Afrikas muss aufhören: es ist kein Bergwerk, das ausgebeutet, und kein Boden, der zur Plünderung freigegeben ist. Afrika möge selbst der Protagonist seines Schicksals sein!“
Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht abfinden mit der Gewalt im Kongo, stellte der Papst klar; er sprach von „Millionen von Toten“ in Jahrzehnten, „ohne dass viele es wissen. Man muss wissen, was hier vor sich geht.“ Franziskus ermutige die laufenden Friedensprozesse und Konzepte, die auf ein ganzheitliches Wachstum des Kongo abzielen. „Ich danke den Ländern und Organisationen sehr, die in diesem Sinne umfangreiche Hilfe leisten und die Bekämpfung von Armut und Krankheit, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte fördern. Ich hoffe, dass sie diese edle Aufgabe auch weiterhin mit vollem Einsatz und Mut erfüllen können.“
Nach diesem Blick auf äußere Feinde in Form von wirtschaftlichem Kolonialismus wandte sich der Papst wieder auf innere Herausforderungen des ethnisch vielfältigen Landes zu - gut 450 Stämme leben im Kongo, wie Präsident Félix Tshisekedi, im Amt seit 2019, in seiner Rede gesagt hatte. Franziskus warnte die Kongolesen ausdrücklich vor Stammesdenken. „Das sture Parteiergreifen für die eigene Ethnie oder für Partikularinteressen, das Hass- und Gewaltspiralen fördert, schadet allen“, hielt der Papst fest; „unser Vater im Himmel möchte, dass wir einander als Brüder und Schwestern einer einzigen Familie annehmen und auf eine Zukunft hinarbeiten, die mit den anderen gemeinsam und nicht gegen die anderen ist.“
Politiker: Bitte Geldgier meiden
Eine unmissverständliche Bitte richtete Franziskus sodann an die Politiker und Politikerinnen des Kongo: nämlich die, „Autoritarismus, Suche nach billigem Gewinn und Geldgier zu meiden“ und sich nicht auf Bestechung einzulassen: „Man darf sich nicht von denen manipulieren oder kaufen lassen, die das Land in Gewalt belassen wollen, um es auszubeuten und verwerfliche Geschäfte zu machen“, schärfte der Papst den Regierenden des Kongo ein. Zudem rief er sie dazu auf, „freie, transparente und glaubwürdige Wahlen zu fördern“ – im Kongo wird Ende des Jahres gewählt. Der laufende Friedensprozess müsse noch mehr als bisher Frauen, Jugendliche und Randgruppen miteinbeziehen, und das Land müsse mehr für Bildung tun.
„Aber viele Kinder gehen nicht zur Schule", kritisierte der Papst: „Wie viele werden ausgebeutet, statt eine würdige Ausbildung zu erhalten! Zu viele sterben, weil sie in den Minen Sklavenarbeit verrichten müssen. Es dürfen keine Mühen gescheut werden, um die Geißel der Kinderarbeit anzuprangern und ihr ein Ende zu setzen.“
Kurz zuvor hatte Präsident Tshisekedi in seiner Rede noch darauf verwiesen, dass er im Land eine verpflichtende Grundschulbildung eingeführt habe. Er selbst hat, wie viele Kongolesen aus der Oberschicht, seine akademische Ausbildung im Westen erhalten: In Belgien studierte Tshisekedi Marketing. Als große Herausforderung seines Landes heute nannte der Präsident einfallende Rebellen aus dem Nachbarland Ruanda, die den Ostkongo in Angst und Schrecken versetzen.
Der Papst ist von Dienstag bis Freitag in der Demokratischen Republik Kongo. Anschließend fliegt Franziskus zu einer dreitägigen Visite in den Südsudan weiter. Es ist seine 40. Auslandsreise in zehn Jahren Pontifikat.
(vatican news – gs)
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