Papst: Wir alle müssen Politik für das Gemeinwohl machen
Benedetta Capelli - Vatikanstadt
Die ehemalige ANSA-Leiterin in Buenos Aires, Francesca Ambrogetti, und Sergio Rubin von der Tageszeitung „El Clarin“, haben ein neues Gemeinschaftsprojekt vorgelegt. Das Thema: Jorge Mario Bergoglio. In ihrem ersten Buch hatten die beiden Journalisten die Gedanken des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires gesammelt, nun ziehen sie eine Bilanz der zehn Jahre Pontifikat des Papstes aus Argentinien.
Neunzehn Kapitel auf 346 Seiten, ein Prolog aus der Feder von Papst Franziskus, in dem er feststellt: „Eine Tugend muss ich Francesca und Sergio lassen: ihre Beharrlichkeit“. Das Ergebnis: eine Analyse des päpstlichen Lehramtes durch Interviews, die über 10 Jahre hinweg geführt wurden. Dabei kommen viele Themen auf den Tisch: Einwanderung, Schutz des Lebens, Auswirkungen der Reformen der römischen Kurie, Missbrauch von Minderjährigen. In diesem Punkt betont Franziskus, dass sein Pontifikat „zu einem großen Teil daran gemessen werden wird, wie er mit dieser Geißel umgegangen ist“. Auch Ehe und Familie werden thematisiert, das bedrohte „gemeinsame Haus“ und Karrierestreben in der Kirche. In Sachen Homosexualität merkt Franziskus an: „Jenen, die unter der Ablehnung der Kirche leiden mussten, möchte ich sagen, dass sie Menschen in der Kirche sind.“
Das Evangelium als Hilfe für einen Mentalitätenwechsel
Eines der zentralen Themen ist zweifelsohne die Politik. „Ja, ich mache Politik“, stellt Franziskus fest, „denn jeder muss Politik machen. Und was ist Politik? Eine Lebensweise für die polis, die Stadt. Was ich nicht betreibe und was die Kirche nicht betreiben sollte, ist Parteipolitik. Aber das Evangelium hat eine politische Dimension, die darin besteht, die soziale, ja die religiöse Mentalität der Menschen so zu verändern, dass sie auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist“. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Wirtschaft. Franziskus bekräftigt, dass die Soziallehre der Kirche die Richtschnur ist, an der man sich orientieren müsse, dass es dabei nicht um eine Verurteilung des Kapitalismus gehe, sondern dass es notwendig sei – wie Johannes Paul II. gesagt habe –, eine „soziale Marktwirtschaft“ zu verfolgen. Heute herrsche die Finanzwirtschaft vor und der Reichtum werde immer weniger geteilt. „Wir sind uns alle einig, dass die Konzentration des Reichtums und die Ungleichheit zugenommen haben. Und dass es viele Menschen gibt, die hungern,“ beklagt Franziskus.
Transparenz in Sachen Vatikanfinanzen
Kein Blatt vor den Mund nimmt Franziskus in Sachen Vatikan-Finanzen. „Es kann nicht geleugnet werden – sagt er –, dass einige Kleriker und viele – wie ich sie nennen würde – falsche Laien-'Freunde' der Kirche dazu beigetragen haben, das bewegliche und unbewegliche Vermögen zu veruntreuen, nicht des Vatikans, sondern der Gläubigen.“ In Bezug auf den Finanzskandal um die Londoner Immobilie betont Franziskus, dass „der verdächtige Kauf“ im Vatikan aufgedeckt worden sei. Und das habe ihn gefreut, „weil es bedeutet, dass die Vatikan-Verwaltung heute über die nötigen Mittel verfügt, um die hässlichen Dinge, die in ihrem Inneren geschehen, aufzuklären“.
Bereit für eine Reise nach China
In Bezug auf Argentinien rief der Papst, „die Gewerkschaften auf, die Würde der Arbeitnehmer und ihre Rechte zu verteidigen.“ Er bekräftigt außerdem, dass seine Absicht, in das Land zu reisen, „nach wie vor gültig“ sei: „Es ist unfair zu sagen, dass ich nicht dorthin reisen will“.
Bezüglich des Abkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und China sagt der Papst, dass er sich der Probleme und Leiden bewusst sei und bereit sei, „schon morgen“ in das asiatische Land zu reisen, „wenn dies möglich wäre“.
Die Kirche ist eine Mutter, die ihren Kindern nah ist
Der Papst gesteht auch, Glaubenskrisen gehabt zu haben. Krisen, die er mit Gottes Hilfe überwunden habe. „Ein Glaube, der uns nicht in eine Krise bringt, ist ein Glaube in der Krise,“ so Franziskus. „Genauso wie ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ein Glaube ist, der wachsen muss". Zur Kirche der Zukunft erklärt der Pontifex, dass die Nähe der Schlüssel zu allem sei: „Die Kirche ist Mutter, und ich kenne keine Mütter, deren Kontakt zu ihren Kindern sich auf einen Briefwechsel beschränkt. Eine Mutter schenkt Zuneigung, sie berührt, küsst und liebt. Wenn die Kirche ihren Kindern nicht nahe ist, weil sie mit tausend anderen Dingen beschäftigt ist oder mit ihnen durch Dokumente kommuniziert, dann ist es, als ob eine Mutter mit ihren Kindern per Brief kommuniziert.“
(vaticannews - skr)
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