Papst an junge Kongolesen: „In euren Händen liegt die Zukunft"
Anne Preckel - Vatikanstadt
Im Märtyrer-Stadion von Kinshasa wurde der Papst fast wie ein Rockstar empfangen, eine bunte Menge aus über 65.000 Gläubigen jubelte ihm zu. Strahlend lächelnd fuhr Franziskus im offenen Papamobil mehrere Ehrenrunden und winkte den jungen Leuten zu, darunter hautsächlich Katechetinnen und Katecheten aus dem ganzen Land. Fetzige Musik versetzte das Publikum in Wallung, traditionelle Tänze und Zeugnisse junger Gläubiger lockerten das Programm auf.
Meine Hände, wofür?
Papst Franziskus sprach die jungen Leute in seiner Rede direkt an, richtete Fragen an sie, ließ sie singen und sich die Hände reichen und legte zwischendurch einige Passagen des vorbereiteten Redetextes beiseite. Er wandte sich mit einem konkreten Bild an seine jungen Zuhörer: „Wozu dienen eure Hände?“ – forderte er sie zum Ansehen der eigenen Hände und zum Nachdenken auf. „Zum Aufbauen oder zum Zerstören, zum Geben oder zum Anhäufen, zum Lieben oder zum Hassen?“
Von jedem einzelnen Finger leitete Franziskus dann eine „Zutat für die Zukunft“ ab, die er den jungen Kongolesen und Kongolesinnen ans Herz legte: Gebet, Gemeinschaft, Ehrlichkeit, Vergebung und Dienst. Ausgehend von diesen christlichen Werten forderte der Papst die Jugendlichen auf, die Zukunft ihres Landes in die Hand zu nehmen.
Gebet
„Dem Daumen, dem Finger, der dem Herzen am nächsten ist, entspricht das Gebet, das das Leben pulsieren lässt“, begann der Papst. Tägliches, lebendiges Beten sei grundlegend, „denn alleine schaffen wir es nicht“. Beten sei schlicht und unsichtbar, aber bringe Leben, es sei „das Wasser der Seele“. Franziskus ermutigte die jungen Leute, Jesus im Gebet als „besten Freund“ anzusprechen, ihm alle „Kreuze, Ängste, Sorgen“ anzuvertrauen und ihm aus ihrem Leben zu erzählen.
„Gott liebt dieses lebendige, konkrete Gebet, das aus dem Herzen kommt. Es ermöglicht ihm, einzugreifen und sich auf besondere Weise in die Lebensumstände hineinzubegeben. Er kommt mit seiner ,Kraft des Friedens‘“, verwies der Papst auf den Heiligen Geist. Das Gebet sei damit „die mächtigste Waffe, die es gibt“: „Sie vermittelt dir den Trost und die Hoffnung Gottes. Sie eröffnet dir immer neue Möglichkeiten und hilft dir, Ängste zu überwinden. Ja, wer betet, überwindet die Angst und nimmt die eigene Zukunft in die Hand.“
Gemeinschaft
Zweite Zutat für die Zukunft: „Gemeinschaft“. Diesen Wert leitete der Papst vom Zeigefinger ab, dem Finger, mit dem man anderen Menschen etwas zeige. Franziskus forderte die jungen Leute dazu auf, sich stets als Gemeinschaft zu begreifen und Einsamkeit, Verschlossenheit und Individualismus eine Absage zu erteilen. Er warnte vor Drogenkonsum, der in die Isolation führt, vor Okkultismus und Hexerei, „die in Angst, Rache und Wut gefangen halten“, vor „egoistischen, falschen Paradiesen, die auf Äußerlichkeiten, schnellem Gewinn oder verzerrter Religiosität basieren“. Auch auf die Grenzen der sozialen digitalen Netzwerke kam er zu sprechen.
Franziskus bat die jungen Kongolesinnen und Kongolesen, sich anderen Gemeinschaften gegenüber zu öffnen, Vorurteile abzubauen und das Stammesdenken zu überwinden, das gefährliche Folgen haben könne: „Ihr wisst, wie das läuft: Erst glaubt man den Vorurteilen über andere, dann rechtfertigt man den Hass, dann die Gewalt und schließlich befindet man sich mitten im Krieg. Aber – so frage ich mich – hast du jemals mit Menschen aus den anderen Gruppen gesprochen oder hast du dich immer auf deine eigene Gruppe beschränkt? Hast du dir jemals die Geschichten anderer angehört, dich ihrem Leid genähert?“
Ehrlichkeit
Nach dem Gebet und der Gemeinschaft erinnerte der Papst - am Beispiel des längsten Fingers, des Mittelfingers – an „Ehrlichkeit“ als weitere wichtige Zutat für die Zukunft. Ehrlich zu sein bedeute, „sich nicht in die Fäden der Korruption verstricken zu lassen“, schärfte er ein:
„Lernt diese beiden Wörter gut: Ehrlichkeit - und das Gegenteil: Korruption. (...) Es gibt gute, intelligente Menschen, die aber korrupt sind. Ist ein korrupter Mensch ehrlich oder nicht? Je vous demande: Ist er ehrlich oder ist er nicht ehrlich? Pas de corruption. Pas de corruption. Sagen wir alle zusammen: Pas de corruption! (…) Und wenn dir jemand einen Umschlag entgegenstreckt, dir Gefälligkeiten und Reichtum verspricht, dann tappe nicht in die Falle, lass dich nicht täuschen, lass dich nicht von dem Sumpf des Bösen verschlingen.“
Vergebung
Der Ringfinger stehe für die „Vergebung“, fuhr der Papst dann fort, „die Kraft, die uns in unseren Schwächen und Krisen weiterkommen lässt“. Vergebung bedeute Neuanfang, betonte Franziskus, der seine Zuhörer zu einem Moment des Nachdenkens anhielt: „Bleiben wir eine Minute still und jeder möge an die Menschen denken, die ihn verletzt haben. Und in dieser Stille, vor Gott, gewähren wir dieser Person Vergebung“, so Franziskus. Am Mittwoch hatte er in der Nuntiatur von Kinshasa Gewaltopfer aus Ost-Kongo getroffen und an einem Gebet für Vergebung und Versöhnung teilgenommen.
Als Vorbilder eines gewalt- und hasslosen Glaubenszeugnisses verwies der Papst auf afrikanische Märtyrer wie den seligen Isidoro Bakanja, die selige Marie-Clementine Anuarite, den heiligen Kizito und seine Gefährten, „die nie der Logik der Gewalt nachgegeben haben“.
Dienst
Die fünfte Zutat für die Zukunft des Kongo: Dienst. „Wer dient, macht sich klein“, so der Papst, der hier auf den kleinen Finger der Hand verwies und die Gläubigen ermutigte, sich jeder auf seine Weise in den Dienst der Kirche, der Gemeinschaft und des Gemeinwohls zu stellen.
Von den über 50 Prozent Katholiken im Kongo ist die überweigende Zahl jung; das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 15,6 Jahren. Daran erinnerte bei der Begegnung im Stadion von Kinshasa der Präsident der Bischofskonferenz-Kommission für das Laienapostolat, Timothée Bodika: „Sie sind nicht nur Zukunft, sondern auch Gegenwart der Kirche, das ,Jetzt‘ Gottes“, wie Bodika mit Worten des Papstes hervorhob. Trotz zahlreicher Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, erschwertem Zugang zu Bildungseinrichtungen, Unsicherheit und Gewalt, insbesondere im Osten der Demokratischen Republik Kongo, setzten sich diese jungen Menschen „mit Gottes Gnade für die Umgestaltung unserer Gesellschaft“ ein, würdigte Bodika diesen Einsatz.
Bitte an den Papst
Ein junger Gläubiger berichtete über die Probleme, mit denen sich die junge Generation vor allem in ländlichen Gegenden konfrontiert sieht: „Wir jungen Leute haben keinen Frieden“, so David Bode Nguamba, der auf Zwangsrekrutierungen, soziale Spaltungen und Stammeskonflikte, Hexenglauben und Fetischismus, den „Handel“ durch das Mitgiftsystem und die Diskriminierung von Mädchen und Frauen, auf die große Arbeitslosigkeit und den Drogenhandel verwies. „Bitte setzen Sie sich bei den führenden Politikern der Welt dafür ein, dass sie sich wirklich um die jungen Menschen kümmern!“, wandte er sich an Papst Franziskus. „Wir wollen eine bessere Welt schaffen, aber die soziale, politische und wirtschaftliche Krise destabilisiert uns.“
„In unserer Heimat Afrika hängt die Weitergabe oder Blockierung des Glaubenslebens in hohem Maße vom Zeugnis, vom Eifer und von der Vorbereitung der Katecheten ab“, hob der junge Katechet Olivier Buluza Onkon vor Papst Franziskus hervor. Er dankte dem Papst für die offizielle Einführung des laikalen Dienstes des Katecheten durch den Erlass „Antiquum Ministerium“ (Mai 2021): „Damit wird die gesamte Arbeit des Katecheten in der Kirche noch mehr geschätzt und gewürdigt.“
Franziskus dankte am Schluss der Begegnung den Katechetinnen und Katecheten, die in abgelegenen Regionen des Kongo für die Glaubensweitergabe wirken, und spendete allen Teilnehmern seinen apostolischen Segen.
(vatican news – pr)
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