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Papst trifft Gewaltopfer aus Ost-Kongo: Bekenntnis zu Versöhnung

Augenzeugenberichte über unsägliche Gewalttaten im Osten des Kongo hat Papst Franziskus am Mittwochnachmittag in Kinshasa gehört. Dabei wurden in einem symbolischen Akt Waffen am Fuße eines Kreuzes niedergelegt und ein Bekenntnis zu Versöhnung vorgebracht.

Anne Preckel - Vatikanstadt

Es waren Zeugnisse, die bis ins Mark gingen, die während der Papstreise auf kongolesischem Boden am Mittwochnachmittag zu hören waren. Niedergemetzelte Familienangehörige, Vergewaltigungen und Enthauptungen, Versklavungen und Vertreibungen: die Überlebenden, die dem Papst in der Nuntiatur in Kinshasa berichteten, gaben Einblicke in tiefste Abgründe menschenverachtender Gewalt.

Ladislas Kambale Kombi musste mit ansehen, wie sein Vater von Männern „in Stücke gehackt“ und seine Mutter entführt wurde: „Wir wissen nicht, was sie mit ihr gemacht haben“, so der junge Landwirt aus dem Beni-Gebiet. „Heiliger Vater, es ist furchtbar, solche Szenen zu sehen. Ich kriege es nicht aus dem Kopf, kann nachts nicht schlafen. Es ist schwer, diese Grausamkeit, diese bestialische Brutalität zu verstehen“, sagte der 16-Jährige, der seitdem seine kleinen Geschwister mitversorgt.

„Heiliger Vater, es ist furchtbar, solche Szenen zu sehen“

Die Vortragenden sprachen für all jene Betroffenen der blutigen Gewaltverbrechen und Konflikte, die sich bis zur Stunde an verschiedenen Orten im Kongo ereignen, nicht allein im östlichen Krisengebiet.

Unsägliche Gewalt

Bijoux Mukumbi aus dem Walikale-Gebiet wurde seit 2020 unzählige Male von einem Rebellen-Führer vergewaltigt. Mehrmals täglich und über Stunden, 19 Monate lang. „Es war sinnlos zu schreien: niemand hätte mich hören, mir zu Hilfe kommen können“, so die Überlebende. Mukumbi gelang die Flucht, heute ist sie Mutter: „Ich habe Zwillingsmädchen zur Welt gebracht, die ihren Vater nie kennenlernen werden“, so die 17-Jährige, die ihre wenige Monate alten Töchter dabei hatte, eine auf dem Arm, die andere in einem Tuch auf dem Rücken. Die Rebellen hätten ganze Gemeinschaften vertrieben, für Mädchen und Frauen habe „die Tortur sexueller Gewalt und Folter jeder Art“ begonnen.

Kurze Eindrücke vom Treffen des Papstes mit Opfern der Gewalt im Kongo

Auch Emelda M’Karhungulu aus der Erzdiözese Bukavu wurde als Sexsklavin missbraucht. Ihr Bericht fügte den Grausamkeiten weitere Unsäglichkeiten hinzu. Die Sklavinnen seien nicht nur von fünf bis zehn Männern täglich vergewaltigt worden, sondern mussten auch das Fleisch ermordeter Menschen essen, wenn sie nicht selbst „in Stücke gerissen“ werden wollten, erzählte die Frau, die damals 16 war: „Ich gehörte zu denen, die gehorchten, bis zu dem Tag, an dem ich durch Gnade entkommen konnte, als wir Wasser aus dem Fluss holen sollten.“ Die unter Gewalt leidenden Gemeinden ihrer Heimatregion habe 2020 zusätzlich noch eine verheerende Flutkatastrophe heimgesucht: „Unsere Provinz ist ein Ort des Leids und der Tränen“, brachte es Emelda auf den Punkt. Sie selbst habe dank der Kirche ihr persönliches Schicksal annehmen und ihren Vergewaltigern verzeihen können.

Die Sehnsucht nach Frieden

„Heiliger Vater, wir brauchen Frieden und nichts als Frieden: dieses freie Geschenk des auferstandenen Jesus Christus!“, gab eine Betroffene allen Leidenden des Kongo bei der Begegnung mit dem Papst ein Stimme. „Wir wollen in unsere Dörfer zurückkehren, unsere Felder bestellen, unsere Häuser wieder aufbauen, unsere Kinder großziehen, mit unseren Nachbarn zusammenleben, die wir schon ein Leben lang kennen - weit weg vom Lärm der Waffen!“

Angesichts der unmenschlichen Gewalt gebe es keine Worte, „es bleibt nur das Weinen, das Schweigen“, wandte sich Papst Franziskus nach Anhören der Zeugnisse den Gewaltopfern zu. „Eure Tränen sind meine Tränen, euer Schmerz ist mein Schmerz. (...) Mein Herz ist heute im Osten dieses riesigen Landes, das keinen Frieden finden wird, bevor er nicht dort, in seinem östlichen Teil, erreicht ist“, lenkte er den Blick auf die Heimatregion der anwesenden Gewaltopfer und merkte an, dass diese Leiden in den internationalen Medien kaum Erwähnung fänden.

„Eure Tränen sind meine Tränen, euer Schmerz ist mein Schmerz“

Papst verurteilt Gewalt

Franziskus verurteilte die Verbrechen, über die hier aus erster Hand berichtet worden war: „die bewaffnete Gewalt, die Massaker, die Vergewaltigungen, die Zerstörung und Besetzung von Dörfern, die Plünderung von Feldern und Viehbeständen“, aber auch die „illegale Ausbeutung“ des rohstoffreichen Landes sowie innere Spaltungen des Kongo. 

„Was für ein Skandal und was für eine Heuchelei: Menschen werden vergewaltigt und getötet, während die Geschäfte, die Gewalt und Tod verursachen, weiter gedeihen!“

Das Oberhaupt der katholischen Kirche rief alle Verantwortlichen des Krieges zur Umkehr auf: „Bringt die Waffen zum Schweigen, bereitet dem Krieg ein Ende. Es reicht! Keine Bereicherung mehr zum Schaden der Schwächsten, keine Bereicherung mehr mit Ressourcen und Geld, die mit Blut besudelt sind!“ Der Krieg im Kongo sei „durch eine unersättliche Gier nach Rohstoffen und Geld entfesselt“, Instabilität und Korruption hielten diese „Kriegswirtschaft“ am Laufen, so der Papst. Die Zivilbevölkerung leide derweil enorm: „Was für ein Skandal und was für eine Heuchelei: Menschen werden vergewaltigt und getötet, während die Geschäfte, die Gewalt und Tod verursachen, weiter gedeihen!“

Hier die Begegnung des Papstes mit Gewaltopfern im Audio (Beitrag von Vatican News)

Warnung vor Strudel des Bösen

Doch nicht nur die Warlords, sondern jeder einzelne müsse der Gewalt eine Absage erteilen, immer und unter allen Umständen, fuhr der Papst fort, der die Kongolesen und Kongolesinnen vor einem „Strudel des Bösen“ warnte: „Hass und Gewalt sind niemals akzeptabel, niemals zu rechtfertigen, niemals zu tolerieren, erst recht nicht für die, die Christen sind. Hass erzeugt nur weiteren Hass und Gewalt weitere Gewalt. Ein klares und starkes ,Nein‘ muss dann zu denen gesagt werden, die sie im Namen Gottes verbreiten.“

Franziskus ermutigte sie, die „Wurzeln der Gewalt“ auszureißen – Gier, Neid und Groll: „Ich bitte euch alle im Namen Jesu, der denen vergeben hat, die seine Handgelenke und Füße mit Nägeln durchbohrt und ihn an ein Kreuz geschlagen haben: Ich bitte euch, das Herz zu entwaffnen.“ Das bedeute kein Verstummen angesichts der Verbrechen und auch keine Straffreiheit, präzisierte der Papst. Es gehe vielmehr darum, sich durch eine Absage an Groll und Gier zu reinigen und echten Frieden zu erlangen.

Das Land gemeinsam aufbauen

Die Kongolesen sollten nicht resignieren, sprach der Papst eine Ermutigung aus, und er erneuerte seinen Aufruf zum Aufbau des Landes und einer Zukunft, die von allen Gliedern der Gesellschaft gestaltet werden müsse, jenseits ethnischer Grenzen:

„Es wird eine neue Zukunft geben, wenn der andere, egal ob Tutsi oder Hutu, nicht länger Gegner oder Feind ist, sondern ein Bruder und eine Schwester, denen man zutrauen muss, dass in ihrem Herzen, wenn auch versteckt, derselbe Wunsch nach Frieden vorhanden ist. Auch im Osten ist Friede möglich! Glauben wir daran! Und lasst uns daran arbeiten, ohne den Wandel zu delegieren!“

„Auch im Osten ist Friede möglich! Glauben wir daran!“

Das Böse, das ein jeder erlitten habe, müsse „in Gutes für alle verwandelt werden“, so Franziskus, der unterstrich: „Nie wieder Gewalt, nie wieder Groll, nie wieder Resignation!“ Die Kongolesen sollten sich mit Hilfe des Glaubens der Versöhnung öffnen und „auf den Hass mit Liebe, auf die Spaltung mit Versöhnung“ reagieren. Der Glaube verändere die Wirklichkeit von innen heraus, könne Schmerz in Hoffnung verwandeln und „den Teufelskreis der Rache durchbrechen, ohne zu vergessen“.

„Sich zu versöhnen bedeutet, das Morgen zu schaffen: Es bedeutet, an die Zukunft zu glauben, statt in der Vergangenheit verankert zu bleiben; es bedeutet, auf den Frieden zu setzen, statt sich mit dem Krieg abzufinden; es bedeutet, aus dem Gefängnis der eigenen Logik auszubrechen, um sich für andere zu öffnen und gemeinsam die Freiheit zu kosten.“

Gebet um Versöhnung

„Herr, unser Gott, von dem wir unser Sein und unser Leben empfangen haben, heute legen wir die Werkzeuge unseres Leidens am Kreuz deines Sohnes nieder.“

Nach der Ansprache des Papstes trugen die Überlebenden vor Franziskus, im Kreis die Hände haltend, eine Bitte um Vergebung und Versöhnung vor: „Heute verpflichten wir uns, unsere Herzen und unser Leben zu ändern, damit sich unser Land ändern kann. Wir vergeben einander zu Füßen des Kreuzes.“

Alle, die vor dem Papst von ihren Gewalterfahrungen erzählten, legten unter einem großen Kruzifix im Saal der Nuntiatur Gegenstände nieder, die ihre Folter versinnbildlichen: Waffen wie Macheten und Messer, eine Axt, aber auch Kleidungsstücke, die ihre Peiniger zurückließen. Eine Überlebende sexueller Gewalt legte eine Schilfmatte nieder – „das Symbol für mein Elend als vergewaltigte Frau“, sagte sie und bat Christus darum, die Kette des Hasses in den Herzen zu unterbrechen.

„Wir bitten Dich, Vater: mach unser Land, die Demokratische Republik Kongo, durch Deine Gnade zu einem Ort des Friedens und der Freude, der Liebe und des Friedens, wo alle einander lieben und geschwisterlich zusammenleben. Dein Geist möge uns allzeit begleiten und der Heilige Vater, der hier anwesend ist, möge für uns beten“, so die eindringliche Bitte der Überlebenden zur Versöhnung, die Papst Franziskus - auf Französisch - mit seinem Segen besiegelte.

(vatican news – pr)

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01. Februar 2023, 17:20