Papst im Interview: Zölibat ist revidierbar
In der gesamten katholischen Ostkirche seien Priester meist verheiratete Männer, erinnerte der Papst. Auch in der Kurie arbeite ein solcher Geistlicher, der Familienvater sei. „Es liegt kein Widerspruch darin, dass ein Priester heiraten kann“, so Franziskus wörtlich. In der Westkirche sei der Zölibat eine disziplinäre Frage, „eine zeitliche Vorschrift“ und damit „provisorisch“, im Gegensatz zur Priesterweihe, die permanent sei. Die Frage des Interviewers, ob die Ehelosigkeit damit revidierbar sei, bejahte Franziskus mit Verweis auf die Ostkirche. Allerdings meldete er Zweifel an, ob die Freistellung des Zölibats es Männern erleichtern würde, sich für das Priesteramt zu entscheiden: „Das glaube ich nicht“, sagte Franziskus.
Ein weiteres Mal sprach sich der Papst in dem Interview für einen offenen Umgang der Kirche mit Homosexuellen aus. Auf die Frage, ob er solchen Menschen die Kommunion geben würde, sagte Franziskus: „Die große Antwort hat Jesus gegeben: alle. Alle. Alle herein.“ Der Papst verwies auf das Gleichnis mit dem Festmahl, bei dem die geladenen Gäste alle absagen und der Gastgeber schließlich sein Haus für alle öffnet. „Und jeder klärt seine Stellung vor dem Herrn mit der Kraft, die er hat“, so Franziskus. „Dies ist eine Kirche von Sündern. Ich weiß nicht, wo die Kirche der Heiligen ist, wir sind hier alle Sünder. Und wer bin ich, dass ich über einen Menschen urteile, wenn er guten Willen hat?“ Der Papst riet, sich „auf den Kern des Evangeliums“ zu besinnen: „Jesus ruft jeden, und jeder löst seine Beziehung zu Gott so, wie er kann oder wie er will. Manchmal will man es und kann es nicht, aber der Herr wartet immer.“
Auch auf die Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion antwortete Franziskus pastoral. Die Kirche betrachtet die sakramentale Ehe als unauflöslich, weswegen Gläubige, die nach einer zivilen Scheidung eine zivile Zweitehe eingehen, in einen Konflikt geraten. „Wir können eine menschliche Situation nicht auf eine Vorschrift reduzieren“, erklärte Franziskus. Sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. habe mehrfach hervorgehoben, dass „ein großer Teil der kirchlichen Ehen ungültig ist, weil der Glaube fehlt“ und die Brautleute gar nicht wüssten, was in letzter Konsequenz mit „für immer“ gemeint sei. Katholische wiederverheiratete Geschiedene könnten manchmal „vielleicht nicht beweisen“, dass ihre sakramentale Ehe ungültig war, doch an diesem Punkt komme „das Gewissen des Bischofs ins Spiel. Ich rate getrennten Paaren, zu ihrem Bischof zu gehen und ihm ihre Situation darzulegen.“
Franziskus hatte in seinem Schreiben „Amoris Laetitia“ (2016) nach zwei Bischofssynoden zum Thema Familie in einer Fußnote festgehalten, dass wiederverheiratete Geschiedene unter Umständen auch die „Hilfe der Sakramente" erhalten können. Nach verschiedenen Debatten veröffentlichte Franziskus einige Monate später einen entsprechenden Brief sowie eine Orientierungshilfe im Amtsblatt des Heiligen Stuhls mit dem Zusatz von Kardinalsstaatsekretär Pietro Parolin, dass die Texte „authentisches Lehramt" und damit verbindlich seien.
Papst blickt auf Konflikt mit Nicaragua
Franziskus ging in dem Intervies mit dem argentinischen Portal darüber hinaus auf den Konflikt mit dem links regierten Nicaragua ein. Wie die Regierung dort mit dem Bischof von Matagalpa, Rolando José Álvarez Lago umgehe, erscheine ihm wie „die kommunistische Diktatur von 1917 oder die Hitler-Diktatur von 1935". Er könne die Führungsfigur in Nicaragua nur für eine unausgeglichene Person halten, so Franziskus, ohne den Namen des sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega zu nennen." Álvarez war zu 26 Jahren Haft wegen Landesverrates verurteilt worden und weigerte sich im Gegensatz zu anderen inhaftierten Dissidenten, das Land zu verlassen. „Wir haben dort einen Bischof im Gefängnis, einen sehr ernsthaften, sehr fähigen Mann. Er wollte sein Zeugnis ablegen und hat die Verbannung nicht akzeptiert", sagte Franziskus. Bereits seit mehreren Jahren befindet sich Managuas Weihbischof Silvio Baez nach Morddrohungen im Exil. In der seit Jahren andauernden innenpolitischen Krise des Landes haben die Kirche in Nicaragua sowie Menschenrechtler und unabhängige Medien immer wieder das oft gewaltsame Vorgehen der Regierung kritisiert.
(vatican news – gs)
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