Papst: Bei Evangelisierung keine „aktiven und passiven Subjekte“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Trotz des regnerischen Wetters und Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel in Rom hatten viele Pilger den Weg auf den Petersplatz gefunden, um an der Generalaudienz mit Franziskus teilzunehmen. Es war seit dem Winter die erste Generalaudienz, die nicht mehr in der Audienzhalle stattfand, auch wenn die Temperaturen durchaus noch winterlich anmuteten.
Franziskus fuhr an diesem Mittwoch nach einer einwöchigen Unterbrechung für Fastenexerzitien mit seiner Katechesenreihe zum Eifer der Evangelisierung fort; es war die sechste Katechese zu dem Thema. Diesmal ging es um das Zweite Vatikanische Konzil und die Bedeutung von Evangelisierung als einem kirchlichen Dienst.
Die Kirche sei von Natur aus missionarisch, so der Papst mit Blick auf das Konzilsdokument Ad gentes, aus dem er bei seiner Generalaudienz über weite Strecken zitierte und zu dessen erneuter Lektüre er die Zuhörenden einlud. Dem Zweiten Vatikanum zufolge sei die Evangelisierung „immer ein kirchlicher Dienst“; allerdings solle dieser Dienst nie „einsam“, „isoliert“, oder „individualistisch“ geleistet werden, gab Franziskus zu bedenken. „Die Evangelisierung nimmt man immer in der Kirche vor, das heißt in Gemeinschaft und ohne Proselytismus zu betreiben, denn das ist nicht Evangelisierung.“
Nein zu evangelisierenden Einzelkämpfern
Evangelisierung bedeute zunächst vor allem, das weiterzugeben, was man selbst empfangen habe, so wie es auch Paulus in seinem Ersten Korintherbrief formulierte, aus dem zur Einstimmung auf die Katechese in den verschiedenen Sprachen vorgelesen worden war (1 Kor 15,1-3). „Man erhält den Glauben, und man gibt den Glauben weiter. Diese kirchliche Dynamik der Weitergabe der Botschaft ist verbindlich und garantiert die Authentizität der christlichen Verkündigung. Paulus selbst schreibt an die Galater: ,Jedoch, auch wenn wir selbst oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten als das, das wir verkündet haben - er sei verflucht.‘ (1,8). Das ist schön, und es passt gut zu vielen Visionen, die in Mode sind,“ fügte der Papst spontan hinzu.
Die kirchliche Dimension des Evangelisierenden sei also „ein Kriterium zur Überprüfung des apostolischen Eifers“, fuhr Franziskus fort. Diese Überprüfung sei auch notwendig, denn es lauere immer die Versuchung, „allein“ vorzugehen, „vor allem wenn der Weg unwegsam“ werde und „wir die Last der Verpflichtung spüren“, so das Kirchenoberhaupt.
Wenn der Weg unwegsam wird...
„Ebenso gefährlich ist die Versuchung, leichteren pseudo-kirchlichen Wegen zu folgen, die weltliche Logik von Zahlen und Umfragen zu übernehmen, sich auf die Stärke unserer Ideen, Programme, Strukturen, ,Beziehungen, die zählen‘, zu verlassen. Das geht nicht, es kann zwar ein wenig helfen, aber die Hauptsache ist etwas anderes. Es ist die Kraft, die der Geist dir gibt, um die Wahrheit Jesu zu verkünden, um das Evangelium zu verkünden. Die anderen Dinge sind zweitrangig.“
Insbesondere das Konzilsdokument Ad gentes gelte es mit Blick auf die missionarische Tätigkeit der Kirche neu zu lesen, so wie überhaupt die Texte des Zweiten Vatikanums auch in dem heutigen „komplexen und pluralen Kontext“ noch voll und ganz gültig seien, betonte Franziskus.
Die Sendung Christi fortsetzen
Besonders wichtig sei in Ad gentes die in Absatz 2 getroffene Feststellung, dass die Liebe Gottes jedem Menschen gelte, ohne Ausnahme und ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Getaufte oder Ungetaufte handle, fuhr Franziskus fort. Außerdem erinnere das Konzil daran, dass es „Aufgabe der Kirche ist, die Sendung Christi fortzusetzen“.
„Brüder und Schwestern, diese kurzen Hinweise helfen uns auch, die kirchliche Bedeutung des apostolischen Eifers eines jeden Jüngers und Missionars zu verstehen. Der apostolische Eifer bedeutet nicht Enthusiasmus, er ist etwas anderes. Er ist eine Gnade Gottes, die wir bewahren müssen. Wir müssen außerdem den Sinn verstehen, denn im pilgernden und evangelisierenden Volk Gottes gibt es keine aktiven und passiven Subjekte. Nein. Es gibt nicht die, die predigen, die das Evangelium in der einen oder anderen Weise verkünden, und die, die den Mund halten. Nein. Nein.“
Jeder Getaufte sei aktiver Träger der Evangelisierung, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, betonte Franziskus unter Verweis auf sein Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium weiter (120). Ein guter Christ müsse seinen Glauben weitergeben, dürfe ihn nicht einfach für sich selbst behalten, so die sinngemäße Ermahnung des Kirchenoberhauptes.
„Kraft der empfangenen Taufe und der daraus folgenden Eingliederung in die Kirche nimmt jeder Getaufte an der Sendung der Kirche und in ihr an der Sendung Christi, des Königs, Priesters und Propheten, teil.“ Diese Aufgabe sei „überall und in jeder Lage ein und dieselbe, auch wenn sie, je nach Umständen, nicht in der gleichen Weise ausgeübt wird“, zitierte Franziskus wiederum aus Ad gentes, interessanterweise den Passus, bei dem es zunächst um das bischöfliche Amt geht (AG, 6).
Nicht verknöchern, nicht versteinern
„Dies lädt uns ein, nicht zu verknöchern oder zu versteinern (...); der missionarische Eifer des Gläubigen drückt sich auch als kreative Suche nach neuen Wegen der Verkündigung und des Zeugnisses aus, nach neuen Wegen der Begegnung mit der verwundeten Menschheit, die Christus auf sich genommen hat. Kurz gesagt, nach neuen Wegen, um dem Evangelium und der Menschheit zu dienen.“
Die Evangelisierung sei „ein Dienst“ - das zu unterstreichen war dem Papst ein Anliegen. Und dies führte er auch plastisch weiter aus: „Wenn jemand sich Evangelisierer nennt und nicht dieses Verhalten an den Tag legt, dieses Verhalten eines Dienenden, und sich Herr fühlt, dann ist er kein Evangelisierer, nein, er ist ein armer Kerl.“
Diese „Rückbesinnung auf die Liebe des Vaters und die Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes“ führe dazu, dass wir uns nicht in uns selbst verschließen. Vielmehr fühlten wir uns gedrängt, dieses unentgeltliche Geschenk „der Fülle des Lebens“ zu erkennen und weiterzugeben, schloss Franziskus seine Ausführungen.
Wie mittlerweile traurige Gewohnheit, gedachte er auch am Ende dieser Generalaudienz in seinen Grüßen an die italienischen Pilger des „gemarterten Volks der Ukraine“: Es sei nach wie vor in seinen Gedanken und Gebeten. Am 24. Februar letzten Jahres hat Russland mit seinem Überfall auf das Nachbarland Ukraine begonnen.
(vatican news)
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