Papst leitet Palmsonntags-Messe auf dem Petersplatz
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Bedeckt war der römische Himmel, als Franziskus morgens im Papamobil auf der Piazza San Pietro vorfuhr. Vom Obelisken aus segnete er mit ernstem Gesicht Palmzweige; Kardinäle in roten Messgewändern, Palmzweige in Händen, zogen in feierlicher Prozession zum Hauptaltar, um an den Einzug Jesu in Jerusalem zu erinnern.
Noch vor kurzem hatte es nicht danach ausgesehen, dass der Papst an den Liturgien der Kar- und Ostertage würde teilnehmen können. Wegen einer infektiösen Bronchitis war er am Mittwoch in die römische Gemelli-Klinik eingeliefert worden; doch mit Antibiotika bekam er die Sache offenbar bald in den Griff. Am Samstagmorgen kehrte Franziskus also rechtzeitig zur „Settimana Santa“ in den Vatikan zurück. Die lange Messfeier auf dem Petersplatz stand er offenbar gut durch, auch wenn er geschwächt wirkte; er leitete die Liturgie, Hauptzelebrant war der argentinische Kurienkardinal Leonardo Sandri.
Palmprozession über den Petersplatz
Über 50.000 Menschen nahmen an der Eucharistie teil. Auf der Via della Conciliazione, die zum Petersplatz führt, verteilten katholische Pfadfinder gegen Spenden kleine Büschel von Palmzweigen. Von der mittleren Loggia des Petersdoms hing ein Teppich mit Papstwappen herab; in vielen Sprachen wurden Fürbitten verlesen, etwa auf Hindi oder Chinesisch, allerdings nicht auf Deutsch. Drei Geistliche trugen die Passionsgeschichte aus dem Matthäus-Evangelium vor. Bei den Worten „Jesus schrie noch einmal mit lauter Stimme, dann hauchte er den Geist aus“ wurde ein Moment der Stille gehalten; viele knieten zum Gebet nieder.
Predigt über die Gottverlassenheit
Franziskus predigte über die Worte Jesu am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Dieser Schrei des Herrn führe „in die Mitte der Passion Christi, zum Höhepunkt der Leiden, die er ertragen hat, um uns zu retten“. Die körperlichen und seelischen Leiden Jesu berührten uns zutiefst – vor allem seine Gottverlassenheit.
„Er sieht den Himmel verschlossen, er erlebt die bittere Grenze des Lebens, den Schiffbruch der Existenz, den Zusammenbruch jeder Gewissheit: er schreit dieses ‚Warum‘ schlechthin. Aber warum? Du, Gott - warum?“
Es gebe nur eine Antwort auf die Frage, warum Jesus in diesen Abgrund der Gottesferne stürzen musste: „Für uns“.
„Brüder und Schwestern, das ist kein Spektakel heute. Jeder von uns, der von der Verlassenheit Jesu hört, möge sich sagen: Für mich! Diese Verlassenheit, das ist der Preis, den er für mich bezahlt hat. Er hat sich bis zum Äußersten mit jedem von uns solidarisiert, um bis zum Äußersten bei uns zu sein. Er durchlebte die Verlassenheit, um uns nicht als Geiseln der Verzweiflung zurückzulassen und um für immer an unserer Seite zu bleiben. Er hat es für mich getan, für dich, damit es ein bisschen Hoffnung gibt…“
Jesus habe die Gottverlassenheit erlitten, „um in seiner Liebe all unser Fernsein aufzunehmen“, predigte Franziskus.
„So rettet uns der Herr, aus dem Inneren unserer Warum-Fragen. Von dort aus eröffnet er uns die Hoffnung, die nicht enttäuscht. Denn als er am Kreuz die äußerste Verlassenheit erlebt, überlässt er sich nicht der Verzweiflung..., sondern er betet und vertraut. Er schreit sein Warum mit den Worten eines Psalms (22,2) heraus und überlässt sich den Händen des Vaters, auch wenn er das Gefühl hat, dieser sei weit weg (vgl. Lk 23,46)... Hier wird der Abgrund unserer vielen Bosheiten in eine größere Liebe getaucht, so dass all unsere Spaltung in Gemeinschaft verwandelt wird.“
Die verlassenen Christusse von heute
Dann wies der Papst darauf hin, dass überall in der Welt, auch ganz in unserer Nähe, verlassene Menschen lebten, die unsere Nähe bräuchten.
„Es gibt ganze Völker, die ausgebeutet und sich selbst überlassen werden; es gibt arme Menschen, die an den Kreuzungen unserer Straßen leben und deren Blicken wir nicht zu begegnen wagen; Migranten, die keine Personen mehr sind, sondern Nummern; abgewiesene Gefangene, Menschen, die als Probleme katalogisiert werden. Aber es gibt auch so manchen verlassenen Christus, der unsichtbar ist und versteckt und mit weißen Handschuhen aussortiert wird: ungeborene Kinder, ältere Menschen, die allein gelassen werden (dein Vater, deine Mutter vielleicht, der Opa, die Oma, verlassen im Altersheim), Kranke, die nicht besucht werden, Behinderte, die ignoriert werden, junge Menschen, die eine große Leere in sich verspüren, ohne dass jemand wirklich ihren Schmerzensschrei hört. Und sie sehen keinen anderen Weg als den Selbstmord... Die Verlassenen von heute. Die Christusse von heute.”
Der verlassene Jesus fordere uns auf, „Augen und ein Herz für die Verlassenen zu haben“.
Jesus in den Verlassenen suchen
„Brüder und Schwestern, bitten wir heute um diese Gnade: Den verlassenen Jesus lieben zu können und Jesus in jedem verlassenen Menschen lieben zu können. Bitten wir um die Gnade, den Herrn sehen und erkennen zu können, der noch immer in ihnen schreit. Lassen wir nicht zu, dass sich seine Stimme in der ohrenbetäubenden Stille der Gleichgültigkeit verliert. Wir sind von Gott nicht allein gelassen worden; kümmern wir uns um jene, die allein gelassen werden.“
Nach der Messfeier betete Franziskus auf den Stufen von St. Peter noch das Angelusgebet. Dabei bedankte er sich für alle Zeichen der Nähe und Anteilnahme während seines Krankenhausaufenthaltes. Und er betete einmal mehr für die „gemarterte Ukraine“.
(vatican news)
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