Papst bei Chrisam-Messe: Ich bin den Priestern in der Krise nahe
Mario Galgano – Vatikanstadt
Wenn das Priestertum langsam in den Klerikalismus abgleitet und der Priester vergisst, ein Hirte des Volkes zu sein, wird er zum Staatskleriker, so der Papst in der Predigt. Rund 1.800 Priester und 2.500 Gläubige nahmen an der Chrisam-Messe in der Vatikanbasilika teil.
„Ohne den Geist des Herrn gibt es kein christliches Leben und ohne seine Salbung gibt es keine Heiligkeit“, wiederholte Papst Franziskus in seiner Predigt bei der Chrisam-Messe, die den Beginn des österlichen Triduums markiert und traditionell der Moment ist, in dem die priesterlichen Versprechen erneuert werden. „In diesem Moment erinnere ich mich an einige von euch, die in einer Krise stecken, orientierungslos sind und nicht wissen, wie sie in dieser zweiten Salbung des Geistes wieder auf den richtigen Weg kommen sollen“, fügte der Papst abweichend vom Redemanuskript ein: „Diese Brüder, die ich vor meinem inneren Auge habe, denen sage ich einfach: Habt Mut, der Herr ist größer als eure Schwächen, als eure Sünden. Vertrau dich dem Herrn an, und lass dich ein zweites Mal rufen, dieses Mal mit der Salbung des Heiligen Geistes. Das Doppelleben wird dir nicht helfen, auch nicht, alles aus dem Fenster zu werfen. Schau nach vorne, lass dich von der Salbung des Heiligen Geistes streicheln.“
Wenn wir zu Werkzeugen der Spaltung würden, versündigten wir uns gegen den Heiligen Geist, fuhr der Papst fort. Auf diese Weise würde man dem Bösen in die Hände spielen, der sich nicht zu erkennen gibt, der Gerüchte und Geschwätz liebe, der Parteien und Seilschaften schüre, der die Sehnsucht nach der Vergangenheit, das Misstrauen, den Pessimismus und die Angst schüre, so Franziskus' Warnung:
„Hüten wir uns bitte davor, die Salbung des Geistes und das Gewand der Mutter Kirche mit Uneinigkeit, mit Polarisierungen, mit einem Mangel an Liebe und Gemeinschaft zu beschmutzen. Erinnern wir uns daran, dass der Geist, 'das Wir Gottes', die gemeinschaftliche Form bevorzugt, d.h. die Bereitschaft gegenüber den eigenen Bedürfnissen, den Gehorsam gegenüber den eigenen Vorlieben, die Demut gegenüber den eigenen Anmaßungen.“
Berufung und Krise
Die erste Salbung sei für die Apostel wie für die Priester die Berufung durch den Herrn; die zweite Salbung ähnele der, die sie an Pfingsten in einem Moment tiefer Krise zu Hirten der Herde Gottes mache, so der Papst:
„Es war diese feurige Salbung, die ihre egozentrische Religiosität und ihre eigenen Fähigkeiten auslöschte: Nachdem sie den Geist empfangen hatten, verflüchtigten sich die Ängste und das Zögern des Petrus; Jakobus und Johannes, von dem Wunsch beseelt, ihr Leben hinzugeben, hörten auf, Ehrenplätzen nachzujagen; die anderen blieben nicht mehr verschlossen und ängstlich im Abendmahlssaal, sondern gingen hinaus und wurden Apostel in der Welt.“
Jeder erlebe „früher oder später“ Enttäuschungen, Ermüdung und Schwäche. Das Ideal scheine sich unter den Anforderungen der Wirklichkeit abzunutzen, eine gewisse Gewohnheit mache sich breit, und manche Prüfungen, die man sich vorher nur schwer vorstellen konnte, ließen die Treue unbequemer erscheinen als sie eigentlich sei, so die Analyse des Papstes, nach der „diese Phase eine entscheidende Kante für diejenigen darstellt, die die Salbung empfangen haben“:
„Man kann schlecht aus ihr herauskommen, in eine gewisse Mittelmäßigkeit gleiten und sich müde in eine 'Normalität' hineinziehen lassen, in der sich drei gefährliche Versuchungen einschleichen: die des Kompromisses, bei der man sich mit dem begnügt, was man tun kann; die des Surrogats, bei der man versucht, sich mit etwas anderem als unserer Salbung 'aufzuladen'; die der Entmutigung, bei der man missmutig aus Trägheit weitergeht.“
Und hier liege die große Gefahr, so die Warnung von Franziskus: „Solange der Schein gewahrt bleibt - ich bin doch ein Priester - drehen wir uns um und ziehen lustlos weiter; der Duft der Salbung erfüllt das Leben nicht mehr, und das Herz weitet sich nicht mehr, sondern schrumpft, umhüllt von Enttäuschung. Aber diese Krise kann auch zum Wendepunkt des Priestertums werden, wenn man die Fähigkeit besitzt, die Wahrheit über die eigene Schwäche zuzugeben.“
Klerikale Doppelzüngigkeit als Gefahr
Das Priestertum wachse nicht durch Flickarbeiten, sondern durch Überfließen, rief der Papst aus. Jede klerikale Doppelzüngigkeit, die sich einschleiche, sei gefährlich, prangerte er an:
„Sie darf nicht geduldet, sondern muss vom Heiligen Geist ans Licht gebracht werden. Denn der Heilige Geist, er allein, heilt uns von der Untreue. Es ist ein unverzichtbarer Kampf für uns: Rufen wir den Geist nicht gelegentlich an, sondern jeden Tag“, so die Aufforderung, zusammen mit der Bitte, „die Irrtümer zu bekämpfen, die sich in uns regen“. „Bringt Harmonie dorthin, wo keine ist“, so seine abschließende Botschaft. „Die Harmonie unter uns herzustellen, ist nicht so sehr eine gute Methode, damit das kirchliche Team besser vorankommt, es ist nicht das Tanzen eines Menuetts, es ist keine Frage der Strategie oder der Höflichkeit“, betonte Franziskus.
Stattdessen sollten sich Priester gegenseitig helfen, die Harmonie zu bewahren, indem sie nicht bei den anderen anfangen, sondern jeder bei sich selbst. „Fragen wir uns: Ist in meinen Worten, in meinen Kommentaren, in dem, was ich sage und schreibe, der Stempel des Geistes oder der Stempel der Welt? Ich denke auch an die Freundlichkeit des Priesters: Wir Priester sind so oft unhöflich!“
Willkommen heißen und vergeben
Wenn die Gläubigen auch in den Priestern Menschen finden, „die unzufrieden sind, die kritisieren und mit dem Finger auf andere zeigen, wo werden sie dann die Harmonie sehen“, fragte sich Franziskus. „Wie viele kommen nicht auf uns zu oder wenden sich ab, weil sie sich in der Kirche nicht angenommen und geliebt fühlen, sondern misstrauisch beäugt und verurteilt werden“, rief der Papst aus: „Im Namen Gottes, lasst uns immer willkommen sein und vergeben! Und denken wir daran, dass die Gereiztheit und das Klagen nicht nur nichts Gutes bewirken, sondern auch die Verkündigung verderben, denn sie sind ein Gegenzeugnis zu Gott, der Gemeinschaft und Harmonie ist.“
„Danke für euer Zeugnis und euren Dienst“, so die abschließende Huldigung an die Priester: „Danke für so viel verborgenes Gutes, das ihr tut, danke für die Vergebung und den Trost, den ihr im Namen Gottes spendet: Vergebt immer, bitte, verweigert niemals die Vergebung! Danke für euren Dienst, der oft mit so viel Arbeit und so wenig Anerkennung verbunden ist.“ Am Ende der Zeremonie überreichte der Papst allen anwesenden Priestern ein Buch von Pater René Voillaume von den Kleinen Brüdern Jesu mit dem Titel: „Die zweite Berufung“.
(vatican news)
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