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Via Crucis am Kolosseum: Friedens-Meditationen von Gewaltopfern

Eindringliche Kreuzweg-Texte waren an diesem Karfreitagabend 2023 am Kolosseum zu hören. Die Meditationen stammten in diesem Jahr von Geflüchteten, Opfern von Gewalt jeder Art und Menschen im Krieg – Erzählungen des Friedens und der Versöhnung, die Papst Franziskus in den zehn Jahren seines Pontifikats auf Reisen und anderswo hörte. Auf ärztlichen Rat betete der Papst die Via Crucis diesmal von zu Hause aus mit.

Kardinal Angelo De Donatis, der Generalvikar für die Diözese Rom, leitete anstelle von Franziskus den Kreuzweg am Kolosseum. Die Meditationen, zusammengestellt von mehreren Vatikanbehörden, verstehen sich als „Stimmen des Friedens in einer Welt des Krieges" – unter diesem Titel verbreitete der vatikanische Pressesaal sie am Karfreitag selbst, erheblich später als in anderen Jahren. Die Männer und Frauen, die dabei zu Wort kamen, viele von ihnen jung, wollen sich mit dem Kreuz von Hass, Gewalt und Abwertung nicht abfinden und setzen auf Versöhnung.

„Es sind zwei Jahre, dass ich Großmutter und Mutter weinen sehe“

Die zehnte Kreuzwegstation bot zwei kurze Meditationen aus der Ukraine und aus Russland, beide von Teenagern. Der junge Ukrainer erzählt von der Flucht seiner Familie aus Mariupol nach Italien und wieder zurück: „Die Stadt ist zerstört. Aber im Herzen ist jene Gewissheit geblieben, von der meine Großmutter sprach, wenn ich weinte: ,Du wirst sehen, alles wird vorbeigehen. Und mit der Hilfe des lieben Gottes wird wieder Friede einkehren.´“ Darauf antwortet die Erzählung des jungen Russen, dessen Bruder als Soldat starb, Vater und Großvater sind vermisst. „Es sind zwei Jahre, dass ich Großmutter und Mutter weinen sehe“, heißt es in der Kreuzweg-Meditation; das wirkt wie ein Echo auf den Gebetsaufruf für Mütter in der Ukraine und in Russland, den Papst Franziskus vergangenen Mittwoch bei der Generalaudienz lancierte.

„Viele Menschen, die vor dem Krieg fliehen, tragen ein ähnliches Kreuz wie ich“

Von einem anderen Kreuzweg erzählt ein westafrikanischer Migrant: Gefangenschaft und Folter in Libyen und insgesamt nicht weniger als sechs Überfahrten auf dem Mittelmeer. „Jede Nacht fragte ich Gott, warum: Warum müssen uns Menschen wie wir für Feinde halten? Viele Menschen, die vor dem Krieg fliehen, tragen ein ähnliches Kreuz wie ich.“

Hier zum Hören:

Aus Südamerika erklang zur Via Crucis am römischen Kolosseum die Stimme einer Mutter, die vor zehn Jahren mit ihrer kleinen Tochter Opfer eines Bombenattentats einer Guerilla wurde. „Wie muss es für Maria gewesen sein, das geschwollene und blutverschmierte Gesicht Jesu zu sehen!“, so die Südamerikanerin. Aus ihrer Wut aber wuchs die Erkenntnis, „dass ich noch mehr Gewalt verursachte, wenn ich Hass verbreitete“. Die Frau bildete sich zur Expertin in der Vorbeugung von Minenunfällen fort. „Ich danke Jesus und seiner Mutter für die Erkenntnis, dass das Trocknen der Tränen anderer keine verlorene Zeit ist, sondern die beste Medizin, um sich selbst zu heilen“, schließt ihre Meditation.

Der während des Krieges auf dem Balkan gefolterte Priester

Auch ein Echo des Balkankriegs war zu hören. Ein Priester erzählt in seiner Meditation, wie er in ein Lager deportiert, bedroht und misshandelt wurde. Das Gebet in dieser Lage wirkte Wunder. Aber auch eine Frau – eine Muslima. „Die Vorsehung kam in Form von Hilfe und von Nahrung durch eine muslimische Frau, Fatima, die es schaffte, zu mir zu kommen, indem sie sich inmitten des Hasses ihren Weg bahnte. Sie war für mich wie Veronika für Jesus. Jetzt, bis zum Ende meiner Tage, bezeuge ich die Schrecken des Krieges und schreie: Nie wieder Krieg!“

„Wir wissen und glauben, dass das Grab nicht die letzte Ruhestätte ist,“

An der letzten Station – Jesus wird ins Grab gelegt - stammt die Meditation von einigen Mädchen aus dem südlichen Afrika, die von Rebellen entführt und missbraucht wurden. Schließlich gelang ihnen die Flucht. „Als der Papst in unseren Kontinent kam, haben wir die Kleider der bewaffneten Männer, die uns immer noch Angst machen, unter dem Kreuz Jesu abgelegt. Im Namen Jesu verzeihen wir ihnen alles, was sie uns angetan haben“, so die letzte Meditation. „Wir wissen und glauben, dass das Grab nicht die letzte Ruhestätte ist, sondern dass wir alle zu neuem Leben im himmlischen Jerusalem berufen sind.“

Zum ersten Mal kam für die Übertragung des Kreuzwegs am Kolosseum eine Kamera-Drohne zum Einsatz. Zur Vorstellung der Stationen dienten 14 Bronzetafeln des italienischen Bildhauers Alessandro Mutto. Die Werke stellen Szenen aus dem Kreuzweg dar und können seit 2019, nach der Segnung durch Papst Franziskus im Vatikan, in Jerusalem auf der Via Dolorosa bewundert werden. Auf dieser Straße legte Jesus von Nazareth der Überlieferung nach seinen Kreuzweg zum Golgotha zurück.

(vatican news – gs)

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07. April 2023, 21:53