Papst: „Wenn wir Argentinier nicht füreinander beten, sind wir am Ende“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Das Thema des Dialogs werde heute manchmal als Neuigkeit dargestellt, und dennoch stehe man ständig in Dialog, wandte sich der Papst an seine Gäste aus der Heimat, die gemeinsam mit der argentinischen Botschafterin beim Heiligen Stuhl an diesem Freitag bei ihm in Audienz waren.
„Der Punkt ist, mit wem man in Dialog steht, und nicht immer haben die religiösen Konfessionen miteinander gesprochen.“ Denn oftmals sei es ein „Gespräch vor dem Spiegel“ gewesen, wobei die anderen ausgeschlossen und beurteilt wurden, gab Franziskus zu bedenken. So seien die Beziehungen in Argentinien mit Protestanten während der Zeit seiner Kindheit äußerst angespannt gewesen, erinnerte das Kirchenoberhaupt.
Wenn Evangelisten mit ihren Zelten in sein Viertel kamen, habe ein mittlerweile verstorbener Priester in Buenos Aires nachts sogar seine Pfadfinder losgeschickt, um die Zelte zu zerstören, verdeutlichte der Papst die Spannungen in den Beziehungen mit anderen Konfessionen, die es zu überwinden galt. Protestanten wurden verurteilt, galten nicht einmal als Personen. Beim Anblick von weiblichen Mitglieder der Heilsarmee in ihren Uniformen, die durch sein Viertel liefen, habe er als Kind einmal seine Großmutter gefragt: „,Oma, wer sind diese Frauen, sind das Nonnen?‘ Sie sagte: ,Nein, das sind Protestanten, aber gute.‘ Das war die erste ökumenische Rede, die ich in meinem Leben gehört habe.“
Gute Beziehungen zu Juden
Mit Juden habe er hingegen von klein auf stets enge Beziehungen gehabt, sei es durch Klassenkameraden, sei es durch Kollegen und Kunden seines Vaters, der in einer bekannten Tuchfabrik arbeitete. „Und als ich Erzbischof war, habe ich einen dieser jüdischen Kameraden beim Sterben begleitet, der zwar nicht seinem Glauben abgeschworen hat, aber sein erzbischöflicher Freund hat ihn begleitet.“
Nicht unbedingt bekehren wollen
Es sei „wichtig”, so der Papst weiter, dass sich „dieser Dialog, den jeder von uns mit dem Spiegel der eigenen Konfession geführt hat“, ausgeweitet habe und unter Brüdern und Schwestern geführt werde: „Und dass man keine Angst hat, außerhalb seines Spiegels einen Dialog zu führen.“ Noch viel weniger gehe es jedoch, unbedingt den anderen von seinem eigenen Glauben überzeugen, ihn gar bekehren zu wollen, so der Papst zu seinen Gästen.
Stattdessen gehe es um einen Dialog, in dem jeder seine eigene Erfahrung einbringen könne, die jeweils eine „Gotteserfahrung“ sei: „Gott zeigt sich in allen Kulturen, in allen Kulturen, auf dem Weg dieser Kultur, er manifestiert sich in Völkern, die den Weg der Geschichte auf eine andere Weise gegangen sind (…), aber es ist derselbe Gott.“
Er, der der „Vater aller sei“, führe zum Dialog mit der Realität und den Geschwistern, betonte Franziskus. Am Vortag habe er ein langes Gespräch mit polnischen protestantischen Pfarrern und Vertretern verschiedener evangelischer Konfessionen, darunter aber auch einigen polnischen Bischöfen, geführt. „Und mit welchem Respekt jeder seine eigene Geschichte erzählt hat! Ich habe zugehört und war zufrieden, es hat gut getan, sich auszutauschen. Wir sind nicht isoliert, wir sind keine Inseln. ,Meine Kirche ist die einzige, die wahre, ihr seid zweit- oder viertklassig‘. Nein! Das darf man nicht sagen.“
Zwar sei er selbst davon überzeugt, dass der Weg, den er gehe, nach Gottes Willen der einzig wahre Weg für ihn selbst sei, so Franziskus. „Aber ich respektiere den Weg der anderen, die ebenfalls sagen, dass dies der wahre sei. Und das ist kein Relativismus, es ist Respekt, Respekt, Respekt und Zusammenleben.“
Respekt, Respekt, Respekt
Er danke ihnen für ihre Bemühungen, so der Papst, der seine Gäste um Gebet für sich selbst bat, „jeder in seiner Sprache, mit seinen Gesten“, denn er brauche die Unterstützung durch das Gebet der Geschwister, so der Papst, der abschließend seine Landsleute zu Solidarität über Glaubens- und andere Grenzen hinweg füreinander beschwor:
„Wenn wir Argentinier nicht füreinander beten, sind wir am Ende, denn das ist das Einzige, was uns bleibt; schließlich streiten wir uns immer, also lasst uns füreinander beten, um weiterzukommen.“
(vatican news)
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