Aktualisiertes Buch über deutsche Märtyrer: „Der Papst war überrascht“
Der Verantwortliche des Projekts, Prälat Helmut Moll, konnte dem katholischen Kirchenoberhaupt bei der Generalaudienz die neueste Ausgabe der Reihe überreichen: den achten Band. Titel auch diesmal: „Zeugen für Christus“.
„Es ist eine erweiterte und aktualisierte Auflage mit über achtzig neuen Lebensbildern; sie kommen aus vier Bereichen, nämlich aus der Zeit des Nationalsozialismus, aus der Zeit des Kommunismus, aus dem ‚Reinheitsmartyrium‘ – und vor allen Dingen aus den Missionsgebieten. Der weitaus größte Teil der neuen Lebensbilder sind Steyler Missionare, die in Asien ihr Leben gelassen haben, vor allen Dingen in China, in Papua-Neuguinea oder auch auf den Philippinen.“
Diesen neuen Band des „Deutschen Martyrologiums“ hielt also an diesem Mittwoch Papst Franziskus in Händen: „Der Papst war überrascht, hat auf den Titel geschaut und hat sich dann mit mir in Deutsch unterhalten.“ Es habe Franziskus beeindruckt, dass es so viele deutsche Märtyrerinnen und Märtyrer des vergangenen Jahrhunderts gebe. „Weil er ein Faible für Asien hat (er wollte ja früher Missionar in Japan werden), habe ich ihn darauf hingewiesen, dass die meisten Märtyrer aus der achten Auflage Steyler Missionare in Asien sind; darüber hat er sich sehr gefreut und hat sich auch bedankt“, berichtet Prälat Moll nach der Generalaudienz im Interview mit Radio Vatikan.
Das Gesamtprojekt zur Märtyrergeschichte des 20. Jahrhunderts wurde 1994 vom hl. Johannes Paul II. initiiert. Seither haben 160 Fachleute in Zusammenarbeit mit Bistümern und Ordensgemeinschaften die knapp tausend Lebensbilder zusammengestellt. „Papst Johannes Paul II. wollte in seiner Schrift Tertio Millennio Adveniente über das Herannahen des dritten Jahrtausends, dass alle Märtyrer aus allen Bischofskonferenzen, aus allen Nationen, aus allen Kontinenten zusammengestellt werden würden.“
„Unbekannte Soldaten der großen Sache Gottes“
„Die Märtyrer sind zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam ‚unbekannte Soldaten‘ der großen Sache Gottes“, schrieb der Papst damals: „Soweit als möglich dürfen ihre Zeugnisse in der Kirche nicht verloren gehen.“ „Und dieses hat mir die Deutsche Bischofskonferenz anvertraut, weil ich damals Konsultor an der Kongregation für die Heiligsprechung war“, so Prälat Moll. „Dann musste ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge nach Deutschland zurück, nach Köln, in meine Heimat-Diözese, und habe dann dort begonnen, das Deutsche Martyrologium zu entwerfen.“
Die erste Auflage konnte Moll schon 1999 Johannes Paul II. überreichen. „Der Papst war sehr ergriffen über dieses Deutsche Martyrologium, weil er wusste: Die Deutschen sind nicht nur ein Tätervolk, das sechs Millionen Juden auf dem Gewissen hat, sondern es gibt bei ihnen auch Opfer, weil wir in der ersten Auflage 720 Märtyrer des 20. Jahrhunderts biografisch aufgearbeitet haben.“
Mehrere Kriterien entscheiden darüber, wer in das Buch der Märtyrer aufgenommen wird: Erstens, dass sie eines gewaltsamen Todes gestorben sind. „Zweitens, dass sie Zeugnis gegeben haben vom christlichen Glauben und drittens, dass sie bereit waren, für ihren Glauben zu sterben. So habe ich in der ersten Auflage bereits etwa 400 Personen aus der Zeit des Nationalsozialismus aufgenommen: Das sind etwa 250 Diözesanpriester, etwa 100 Ordenspriester und dann Ordensschwestern und viele Laien.“
Die bekanntesten Namen? Jesuitenpater Alfred Delp und die heilige Edith Stein. Aber bewegend sind oft gerade die Biografien nicht so bekannter Glaubenszeugen. Und da gibt es – schon im ersten Band – auch Berührungspunkte mit Radio Vatikan, das aus nationalsozialistischer Sicht ein Feindsender war. Wer Feindsender hörte, riskierte die Todesstrafe.
Auch drei Radio-Vatikan-Märtyrer
„Wir haben drei Personen, die Radio Vatikan gehört und das dann leider ausgeplaudert haben, was Radio Vatikan ihnen berichtet hat. Einer davon, der Münchener Anlern-Schaltmechaniker Walter Klingenbeck, der nur 17 Jahre alt geworden ist, hat das ausgeplaudert; er wurde vor Gericht gestellt und musste sein Leben lassen. Das Erzbistum München und Freising will bald das Seligsprechungs-Verfahren für ihn eröffnen – und so hätten wir dann auch jugendliche Märtyrer aus der Zeit des Nationalsozialismus.“
Ein weiteres Beispiel ist Dr. Karl-Heinrich Schäfer – ursprünglich ein Protestant. „Er war Archivar in Köln, dann als Archivrat in Potsdam, ist katholisch geworden und hatte einen Verschwörerkreis in Potsdam. Auch er hat Radio Vatikan gehört, hat es dann ausgeplaudert; doch in der Runde war ein Spion, der ihn verraten hat. Und so ist Schäfer dann im KZ Sachsenhausen gestorben. Und schließlich haben wir einen Berliner Priester, Pfarrer Alfons Wachsmann, der in Greifswald war: Auch er hat Radio Vatikan gehört, hat auch das Wissen weitergegeben, und auch er ist Opfer des Nationalsozialismus geworden. Wir haben also drei Märtyrer, die Radio Vatikan gehört haben und deshalb umgebracht wurden.“
Mehrere Glaubenszeugen, die im Deutschen Martyrologium aufgeführt waren, sind mittlerweile seliggesprochen worden, etwa die Priester Antonius Joseph Marxen und Engelmar Unzeitig. Und Prälat Moll hat keine Angst, dass ihm der Stoff für seine Märtyrer-Darstellungen des 20. Jahrhunderts ausgehen könnte. „Es ist für mich auch überraschend, dass die vierte Auflage bereits 84 neue Lebensbilder enthielt, die fünfte Auflage 72, die sechste Auflage 101 und die jetzt dem Papst übergebene achte Auflage 80 neue Lebensbilder. Das kommt daher, dass etliche Missionsorden ihre eigene Geschichte noch nicht wirklich aufgearbeitet haben.“
Die Ortskirchen sollten „alles unternehmen, um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben“, drängte einst Johannes Paul. Die katholische Kirche in Deutschland setzt diese Bitte auch fast dreißig Jahre später noch beharrlich um.
(vatican news – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.